SAM, BILL, PAULA
Sam hat, alles in allem, grosses Glück gehabt. Sooft er sich in seiner Wohnung umsieht, muss er an seinen Quartiergeber denken. Nicht jeder würde seine Wohnung einfach einem gänzlich Fremden überlassen, denkt er sich und hält alles penibel in Ordnung. Schliesslich könnte sein Quartiergeber überraschend auftauchen und Nachschau halten, damit muss Sam jederzeit rechnen. Im übrigen hat er sich einen peniblen Tagesplan zurechtgelegt, an den er sich nach Möglichkeit hält. Das hat den Nachteil, dass seine Tage sehr gleichförmig verlaufen. Jede noch so geringe Abwechslung ist Sam äussert willkommen. Gestern zum Beispiel war grosser Abreisetag. Sam hat sich seinen Weg durch die Halle erst bahnen müssen, riesige Koffer und Taschen haben ihm den Weg versperrt und als er aus der Tür getreten ist, ist er einen Augenblick stehengeblieben und hat das hektische Treiben eine Weile beobachtet. Die kleinen Karren, mit denen man hier oben alles transportiert, sind heiss umkämpft gewesen und es ist mehrfach zu erbitterten Auseinandersetzungen gekommen. Autos sind in der Ansiedlung nämlich verboten und müssen ein wenig ausserhalb auf riesigen Parkplätzen geparkt werden. Alles, was man transportieren möchte, muss man in schlittenähnliche Karren laden, die man dann hinter sich herzieht. Sam hat das Beladen der Karren mit Interesse beobachtet und mehrmals amüsiert den Kopf geschüttelt. Er hat sich neben die gläserne Drehtür an die Wand gelehnt und sich eine Weile aufs Beste unterhalten. Alle Abreisenden haben ihre Karren über Gebühr beladen, und jedesmal war der Karren weitaus zu schwer und kaum von der Stelle zu bewegen. Zu guter Letzt haben sich die Männer davorgespannt und Frauen und Kinder haben von hinten geschoben. Die Steigung, die am Feuerwehrzeughaus und an der Notarztzentrale vorbeiführt, ist nämlich nur mit vereinten Kräften zu bewältigen, und Sam hat seinen bequemen Platz neben der gläsernen Drehtür erst verlassen, als der letzte Karren hinter der Biegung verschwunden ist. Er hat, wie jeden Tag, alle Zeit der Welt gehabt und lange überlegt, welchen Weg er heute nehmen soll. Zu guter Letzt hat er sich für den entschieden, der in einem grossen Umweg zur Gondelbahn führt und sich eigens zu einem langsamen Tempo gezwungen. Er muss zusehen, dass er sein Vormittagsprogramm nicht allzu schnell hinter sich bringt. Normalerweise kehrt er erst gegen Mittag in seine Wohnung zurück, wo er isst und eine Art Siesta hält. Dann macht er sich erneut auf den Weg. Sein Quartiergeber könnte sich keinen besseren Mieter wünschen, davon ist Sam überzeugt. Hat einen guten Griff mit mir getan, denkt er sich manchmal und sagt sich, dass er, alles in allem, wieder einmal Glück gehabt hat. Ihre Bekanntschaft hat sich gleich von Anfang an gut angelassen. Sam hat nicht gewusst, wohin er sich wenden soll, ist unschlüssig am Bahnsteig gestanden und hat zugesehen, wie sich die Leute zerstreut haben. Er hat sich suchend umgesehen, einen Mann in seiner Nähe stehen sehen und ihn nach einem billigen Hotel gefragt. Er hat in seiner Sprache gefragt, ohne viel Hoffnung, verstanden zu werden, aber der Mann hat sogleich mit dem Kopf genickt. Sam ist erleichtert gewesen. Seit er die Landesgrenze überschritten hat, haben die Verständigungsschwierigkeiten rapide zugenommen und er hat sich zu diesem Zeitpunkt schon daran gewöhnt gehabt, dass ihn keiner versteht. Billige Hotels gibt es zuhauf hier herum, hat der Mann gesagt und Sam gewunken, ihm zu folgen. Aber ich habe was Besseres für dich, hat er gesagt und Sam in der Folge ein kostenloses Quartier offeriert. Sam hat sogleich zugegriffen und es bis heute keinen Augenblick bereut. Glück gehabt, denkt er sich, bleibt stehen und sieht zu seinem Haus zurück. Er strengt seine Augen an und versucht, sein Fenster im zwölften Stock herauszufinden. Kann nur das mit den geschlossenen Vorhängen sein, denkt er sich und muss ein wenig über sich selbst lachen. Er hat nur einmal aus dem Fenster gesehen, hat gemerkt, dass die Aussicht atemberaubend ist und hält die Vorhänge seither fest zugezogen. Sam hat nichts am Hut mit weiten Aussichten. Er wendet sich ab und setzt sich langsam wieder in Bewegung. Er sieht, dass auch heute, wie alle Tage, an den Liftstützen gearbeitet wird und bleibt in der Toreinfahrt eines Hauses stehen. Eine ganze Weile sieht er den Arbeitern zu, erst als sie auf ihn aufmerksam werden, geht er weiter. In der Ferne sieht er die Station der Gondelbahn auftauchen und fragt sich, ob sein Quartiergeber wohl Wort halten wird. Ich komme demnächst, und sehe nach dem Rechten, hat er gesagt, bevor er Sam die Wohnungsschlüssel ausgehändigt hat. Davor hat er ihn den langen und breiten über alles mögliche ausgefragt, du versteht, ich muss mich vergewissern, dass ich die richtige Person in meine Wohnung lasse, hat er gesagt und Sam nach Namen und Adresse gefragt. Es versteht sich, dass Sam weder seinen Namen noch seine Adresse nennen hat wollen, aber der Mann hat ihm sogleich zu verstehen gegeben, dass mit ihm nicht zu spassen ist. Willst du die Wohnung nun oder nicht, hat er gefragt und einen Zettel aus der Hosentasche gezogen. Schreibs hier auf, hat er gesagt und den Zettel ein wenig näher zu Sam geschoben. In schönen grossen Druckbuchstaben, wenn ich bitten darf, hat er gesagt. Also hat Sam sich einen Namen und eine Adresse aus den Fingern gesogen, aber dann ist ihm ein gravierender Fehler unterlaufen. Und hier schreibst du mir noch Namen und Adresse deiner nächsten Angehörigen auf, hat der Mann gesagt und auf den unteren Teil des Blattes gezeigt. Und weil Sam in den vergangenen Wochen doch sehr oft an Paula gedacht hat, hat er ganz automatisch ihren Namen und ihre Adresse hingeschrieben. Er hat seinen Fehler beinahe sofort bemerkt, ihn aber nicht mehr korrigieren können. Ist das deine Frau, hat der Mann gefragt, aber Sam hat bloss die Achseln gezuckt. Er hat sich sagen müssen, dass er mit der Nennung von Paulas Namen womöglich alles zunichte gemacht hat. Wenn der Mann nicht dichthält, kann man mich jetzt ohne weiteres aufstöbern, hat er sich gedacht und sein Gegenüber misstrauisch betrachtet. Keine Sorge, von mir erfährt keiner was, hat der Mann aber sogleich gesagt und Sams Blick richtig gedeutet. Er hat den Zettel mit Paulas Namen sorgsam in seiner Hosentasche verstaut und Sam beruhigend zugelächelt. Das ist nur für den Fall der Fälle, hat er gesagt und ist aufgestanden. Er hat Sam gewunken, ihm zu folgen, ist geradewegs zu den Schliessfächern gegangen und hat dann eine ganze Weile nach dem richtigen Fach suchen müssen. Sam ist schon ungeduldig von einem Bein auf das andere getreten und sich schon halb und halb entschlossen gehabt, das Weite zu suchen. Er hat den Mann an den Schliessfächern auf und abgehen sehen und sich Schritt für Schritt zum Ausgang hin bewegt. Der Mann hat sich mehrmals nach ihm umgesehen und aufgefordert, ihm beim Suchen zu helfen. Da diese Nummer, sieh her, hat er gesagt und ihm die Nummer auf dem Schliessfachschlüssel gezeigt.
„Hilf mir suchen.“
Sam hat die richtige Nummer beinahe auf Anhieb gefunden und der Mann hat in seiner Sprache etwa Anerkennendes gesagt. Dann hat er das richtige Schliessfach gefunden, eine grosse Tasche herausgezogen und darin gekramt. Sam hat ihm über die Schulter gesehen und sich nicht genug über die vielen Schlüssel wundern können. Die Tasche ist halb voll mit Schlüsseln aller Art gewesen. Sie waren sorgsam mit kleinen Schildchen versehen und es hat eine Weile gedauert, bis der Mann den richtigen Schlüssel für Sam gefunden hat. Sind das alles Wohnungsschlüssel, hat Sam ihn gefragt und der Mann sich für einen Augenblick aufgerichtet und Sam von oben bis unten gemustert. Er hat Sam aufgefordert, den Mund zu halten und seine Nase nicht in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken. Dann hat er wieder weiter gekramt und Sam schliesslich einen der Schlüssel ausgehändigt. Die lauten Stimmen der Arbeiter reissen ihn aus seinen Gedanken und er bleibt stehen und sieht ihnen erneut eine ganze Weile zu. Sie sind dabei, rund um die Liftstütze ein tiefes Loch zu graben, ihre Schaufeln bewegen sich rhythmisch und Sam sieht, wie der Erdhügel neben der Liftstütze rasch grösser und grösser wird. Er bewundert die präzisen Bewegungen der Männer, und geht erst weiter, als sie erneut auf ihn aufmerksam werden. Er tastet nach seinem Wohnungsschlüssel in der Innentasche seiner Jacke und und knöpft sie dann bis obenhin zu. Er fragt sich, wann sein Quartiergeber wohl sein Versprechen einlösen und nach dem Rechten sehen wird. Ich werde demnächst nach oben kommen und sehen, wie du dich eingelebt hast, hat er gesagt, bevor er Sam den Schlüssel ausgehändigt hat. Wichtig ist, dass du die Wohnung tadellos in Schuss hältst, hat er gesagt und Sam hat beteuert, dass er sich die allergrösste Mühe geben wird. Leider liegt deine neue Unterkunft etwas abgelegen, hat er gesagt, sich umgedreht und auf die höchste Bergkuppe gezeigt. Ist an sich bequem mit der Gondelbahn zu erreichen, hat er gesagt, und bist du erst einmal oben angelangt, findest du dich ohne weiteres zurecht. Deine Wohnung befindet sich im einzigen Hochaus, du gehst dorthin, meldest dich an der Rezeption und lässt dir weiterhelfen. Mach dich am besten gleich auf den Weg, hat Sams Quartiergeber gesagt und ihm ermutigend zugenickt. Du gehst erst einmal bis ans Talende und siehst zu, wie du dann nach oben kommst. Sam hat dem Mann seine Dankbarkeit beteuern wollen, aber der hat bloss eine abwehrende Handbewegung gemacht. Sieh zu, dass du vorwärtskommst, hat er gesagt und ich werde bei Gelegenheit vorbeikommen und nach dem Rechten sehen. Sam hat sich gehorsam in Bewegung gesetzt, sich beim Ausgang nochmals nach seinem Quartiergeber umgedreht, ihn aber nirgendwo mehr sehen können. In der Folge hat er eine ganze Weile nicht gewusst, wohin er sich nun wenden soll und ist mehrfach in die Irre gegangen. Wo ist das Talende, hat er mehrere Passanten in seiner Sprache gefragt, sich aber selbstredend nicht verständigen können. Heute könnte ihm das nicht mehr passieren, mittlerweile kennt er sich im Tal unten und auch hier heroben bestens aus. Er kennt auch noch die versteckteste Seitengasse und die Namen der einzelnen Häuser kann er im Schlaf hersagen. ‚Haus Fleur‘ sagt er leise, als er ein besonders hässliches Gebäude passiert, bleibt einen Augenblick stehen und beobachtet Leute, die im Begriff sind, abzureisen. Sie schleppen ein Gepäckstück nach dem anderen aus dem Haus und haben die beiden Karren bereits überladen. Sam hört die gereizte Stimme des Familienvaters, fängt den Blick des habwüchsigen Sohnes auf und wendet sich ab. Als er den Pfad passiert, der ins Tal hinunterführt, bleibt er erneut stehen. Der Pfad wird nur selten begangen, ich bin höchstwahrscheinlich der einzige, der auch tatsächlich zu Fuss heraufgelangt ist, denkt er sich und beugt sich ein wenig vor. Er sieht den Pfad in weiten Serpentinen den Hang queren und muss an die Mühen des Aufstiegs denken. Du fährst mit der Gondelbahn nach oben, nichts leichter als das, hat Sams Quartiergeber gesagt und ihn dann seinem Schicksal überlassen. Aber es hat Sam viel Zeit gekostet, überhaupt bis ans Talende zu gelangen. Als er endlich am Ziel war, ist es schon Abend gewesen. Die Sonne ist gerade hinter dem höchsten Berg verschwunden und er ist eilends auf das grosse Gebäude zugegangen. Das ist doch wohl die Station der Gondelbahn, hat er sich gedacht und seine Schritte beschleunigt „Téléphérique“ ist in grossen erleuchteten Buchstaben über dem Eingang gestanden, Sam hat die Hand nach dem Türgriff ausstrecken wollen, aber in diesem Augenblick sind die Buchstaben erloschen. Es ist mit einem Schlag dunkel geworden und Sam hat seinen Arm sinken lassen. Dann hat er einen Mann, der schemenhaft vor ihm aufgetaucht ist, in seiner Sprache um Auskunft gebeten. Der Mann hat etwas in der hiesigen Sprache gesagt, wovon Sam selbstredend nichts verstanden hat. Eine ganze Weile ist er einfach nur dagestanden, sann hat er sich umgesehen, seitlich einen bergan führenden Pfad ausmachen können und den Aufstieg sogleich in Angriff genommen. Mit dem Gedanken an eine neuerliche Nacht im Freien hat er sich allmählich abgefunden und sich nach einem passenden Platz umgesehen. Er hat sich gesagt, dass eine Nacht mehr oder weniger nichts weiter zur Sache tut, denn in den vergangenen Wochen ist es öfters dazu gekommen, dass er kein Dach über dem Kopf gehabt hat. Als er ein wenig seitwärts vom Pfad einen leidlich ebenen Platz ausmachen hat können, ist er sogleich darauf zugegangen. Aber das Gelände ist derMaßen steil gewesen, dass er Mühe gehabt hat, sich auf den Beinen zu halten und mehrmals um ein Haar abgerutscht wäre. Zu guter Letzt hat er sich mit dem Rücken gegen einen Baumstamm gelehnt und seine Beine gegen den Boden gestemmt. Dass unter diesen Umständen an Schlaf nicht zu denken war, versteht sich von selbst. Ist ja auch besser, wenn ich die Ohren offen halte, hat Sam sich gesagt, sich in sein Schicksal gefügt und mehrmals Schritte auf dem nahen Weg gehört. Immer wieder hat ihn ein unerwartetes Geräusch aufgeschreckt und einmal, als ganz nahe ein Tier im Gebüsch geraschelt hat, hätte er beinahe den Halt verloren. Öfters sind Steine ins Rollen geraten und einmal ist ein Stein ganz in seiner Nähe aufgeschlagen. Ist er doch einmal für kurze Zeit eingenickt, hat er sogleich wirr von Paula und vom Überfall geträumt. Dann hat er Paulas Stimme ganz nahe an seinem Ohr gehört, ‚Lauf weg, Sam, lauf‘, hat er sie rufen hören und sich in das Gestrüpp am Wegrand gekrallt. Er ist rechtschaffen erleichtert gewesen, als sich im Osten endlich ein bleicher Schimmer gezeigt hat. Sogleich hat er sich aufgerappelt und seine Kleider von Gräsern und Blättern gesäubert. In der Folge ist er stetig nach oben gestiegen und noch vor Ankunft der ersten Gondelbahn oben angelangt. Mit einem Mal hat er den Rand des Hochplateaus erreicht gehabt und sich verwundert die Augen gerieben. Tatsächlich ist der Anblick der überraschendste gewesen, denn das Hochplateau war zur Gänze mit hässlichen, hochaufragenden Wohnhäusern verbaut. Sam hat sich über den Anblick gar nicht genug wundern können und die vielen Frühaufsteher beobachtet, die alle Freizeitkleidung getragen haben und mit langen Broten unter dem Arm durch die Strassen gelaufen sind. Er ist langsam die breite Hauptstrasse entlanggangen, hat die Häuser zu beiden Seiten immer wieder ins Auge gefasst und einem Vorübergehenden den Zettel mit der Adresse seiner künftigen Wohnung entgegengehalten. Der Mann hat sogleich genickt und ihm das höchste Haus ganz am Rand der Ansiedlung gezeigt. Sam hat dem Mann in seiner Sprache gedankt, ist geradewegs auf das Haus zugegangen und hat es entschlossen betreten. Aber die Rezeption ist noch unbesetzt gewesen und er hat nicht lange gezögert und sich in einem fleckigen Polstersessel in der Halle niedergelassen. Er ist, weil er doch sehr müde war, eingenickt und erschreckt hochgefahren, als er eine Hand an seiner Schulter gespürt hat. Reflexartig hat er dem jungen Mann den Zettel mit der Adresse entgegengestreckt. Dann hat er in seiner Tasche nach dem Schlüssel gekramt, ihn dem jungen Mann gezeigt und einnehmend gelächelt. Der junge Mann hat ihn eingehend gemustert und ihn dann ein langes Formular ausfüllen lassen. Gottseidank war es unter anderen auch in Sams Sprache gehalten. Name, Adresse und Geburtsdatum hat Sam aufs Geratewohl erfunden, schwungvoll unterschrieben und dem jungen Mann das Formular wieder ausgehändigt. Er ist ungeduldig von einem Fuss auf den anderen getreten, während der junge Mann das Formular übermäßig lange geprüft hat. Schliesslich hat er Sam zugenickt und auf die Lifte im Hintergrund der Halle gezeigt. Sam hat eine Weile durch lange Gänge irren müssen, bis er schliesslich die richtige Tür gefunden hat. Er hat den Schlüssel vorsichtig ins Schloss geschoben und die Tür sachte aufgestossen. Sogleich ist ihm ein abgestandener Geruch in die Nase gestiegen. So riechen Wohnungen eben, wenn monatelang kein Fenster geöffnet wird, hat er sich gedacht und den Atem angehalten. Paula würde die Nase rümpfen und auf dem Absatz kehrtmachen, soviel ist sicher, hat er sich gedacht, den Gedanken an Paula aber sogleich wieder beiseite geschoben. Das hält er schon eine ganze Weile so, sobald der Gedanke an Paula auftaucht, ruft er sich zur Ordnung und denkt an etwas anderes. Manchmal aber spielt er auch mit dem Gedanken, Paula eine Nachricht zu schicken oder sie einfach anzurufen. Aber er weiss, dass er sich damit in Teufels Küche bringen kann. Aber auf seinen tägliche Spaziergängen kommt er unweigerlich am Postamt vorbei und dann fällt es ihm immer wieder aufs Neue ein. Nichts leichter, als Paula eine Karte zu schicken, denkt er sich dann jedesmal und beschleunigt seine Schritte. Er achtet nicht auf seine Umgebung, stürmt mit gesenktem Kopf am Postamt vorbei und kollidiert jedesmal beinahe mit einer der Liftstützen. Erst im letzten Augenblick gelingt es ihm, auszuweichen. Die Liftstützen sind im Sommer nichts als ein Hindernis und Sam ärgert sich jeden Tag aufs Neue darüber. Der Sessellift, der rund um die Ansiedlung führt, ist jetzt im Sommer natürlich stillgelegt. Im Winter ermöglicht er es den Bewohnern, mit den Schiern direkt bis vor ihre Haustür zu fahren, und ist sicher die allernützlichste Einrichtung. Die Wartungsarbeiten sind in vollem Gang und Sam beobachtet die Arbeiter nahezu jeden Tag. Sie sind dabei, rund um eine der Liftstützen eine tiefe Grube auszuheben und Sam bewundert ihre präzisen und rhythmischen Bewegungen. Erst als ihn zwei Passanten anstossen, setzt er sich wieder in Bewegung. Er lässt seine Blicke schweifen, betrachtet die Häuser rundum und fasst schliesslich das allerhöchste, in dem er selber wohnt, ins Auge. Wieder einmal sagt er sich, dass er einfach Glück gehabt hat. Sam strengt seine Augen an und kann sein Fenster im obersten Stock ganz leicht ausmachen. Es ist das einzige mit geschlossenen Vorhängen, denkt er sich und wieder fällt ihm ein, wie er, als er die Wohnung seines Quartiergebers das erste Mal betreten hat, zum Fenster gegangen und nichtsahnend die Vorhänge zurückgezogen hat. Die Aussicht ist überwältigend gewesen, man hat die Berge und das Tal bis zum Horizont überblicken können und Sam hat gemerkt, wie sich sogleich erste Schweisstropfen auf seiner Stirn gesammelt haben. Grosse Höhen macht Sam seit jeher Angst und er hat sogleich die Augen geschlossen und die Vorhänge wieder vor die Fenster gezogen. Seither macht Sam schon morgens die Lampen an und hat noch kein einziges Mal aus dem Fenster gesehen. Natürlich wünscht er sich manchmal, dass die Wohnung ein bisschen tiefer läge, im fünften oder sechsten Stock etwa, aber er hat sich arrangiert. Solange die Vorhänge geschlossen sind, kommt er zurecht. Tagsüber ist er ohnehin ständig im Freien, nur mittags und abends kehrt er in seine Wohnung zurück. Unangenehm ist, dass er jedesmal an der Rezeption vorbei muss. Das reinste Spiessrutenlaufen, denkt er sich jedesmal und sieht zu, dass er möglichst rasch zu den Liften gelangt. Er steht nicht auf bestem Fuss mit den Rezeptionisten, warum das so ist, weiss er nicht. Immer stecken sie die Köpfe zusammen, tuscheln und wissen sich vor Gelächter nicht zu fassen, wenn Sam vorbeigeht. Aber unangenehmen Details wie diesem misst Sam nicht allzu viel Bedeutung bei und ist nach wie vor der Meinung, dass er grosses Glück gehabt hat. Alles hat sich aufs schönste entwickelt. Niemand wird mich hier aufstöbern, denkt er sich immer wieder aufs Neue, es sei denn, ich schicke Paula eine kleine Nachrich. Er dreht den Kopf und fasst das Postamt ins Auge, ruft sich dann aber rasch zur Ordnung. Als er sich der Station der Gondelbahn nähert, sieht er, dass viele Leute die Stufen herunterkommen. Es muss also gerade eine Gondel angekommen sein, denkt sich Sam und nimmt sich vor, demnächst selbst hinunter ins Tal zu fahren. Ein kleiner Tapetenwechsel könnte nicht schaden. Aber Sam sagt sich auch, dass das ein Vorhaben ist, das sorgfältig vorbereitet werden muss. In der Folge macht er wieder kehrt, verlässt die Hauptstrasse und geht zwischen zwei besonders hässliche Häusern direkt auf den Ortsrand zu. Am Ortsrand befinden sich die grossen Parkplätze. Als er näherkommt, verlangsamt er seine Schritte und betrachtet die Autoreihen, die sich mehr und mehr lichten. Seit vergangener Woche gibt es kaum noch Neuankömmlinge, dafür reisen jeden Tag mehr und mehr Leute ab. Sam beobachtet amüsiert, wie eine Familie mit ihrem hochaufgetürmten Karren endlich bei ihrem Auto anlangt, ihre Habseligkeiten nur mit Mühe verstaut und dabei aufs schlimmste in Streit gerät. Hier gibt es gibt immer etwas zu sehen, ausserdem befindet sich hier das Feuerwehrdepot und die Notarztzentrale. Da tragen sich von morgens bis abends aufregende Dinge zu und die Zeit vergeht Sam wie im Flug. Des öfteren hat Sam die Feuerwehrmänner schon bei ihren Übungen beobachtet oder den Notarzt eilends zu seinem Auto laufen und wegfahren sehen. Seitdem sich die Parkplätze zunehmend leeren, kann Sam viel besser überblicken, was sich rundum tut. Aber er selbst fällt natürlich auch weitaus mehr auf, ein einzelner Mann, der jede Menge Zeit hat, zieht viel Aufmerksamkeit auf sich. Das ist durchaus nicht in Sams Sinn, aber er kann nicht viel daran ändern. Als er sich den Parkplätzen weiter nähert, bemerkt er, dass er heute erstmals durch die Autolücken bis ins unbebaute Gelände sehen kann. Zum ersten Mal registriert er, dass gleich hinter den Parkplätzen spärlich bewachsene Wiesen zu sehen sind, hinter denen wiederum kahle Hügel aufragen. Er wirft einen Blick auf seine Armbanduhr, sieht, dass es schon später ist als üblich, macht kehrt und überquert den ersten der Parkplätze. Dabei wäre er beinahe auf eine ihm bekannte Familie gestossen. Es ist eine Familie aus dem Nebenhaus, die ihm schon mehrfach unangenehm aufgefallen ist, weil die Kinder über die Maßen laut und ungebärdig sind. Die gereizte Stimme des Familienvaters ist auf dem ganzen Parkplatz zu hören und Sam geht rasch und mit gesenktem Kopf an ihnen vorbei. Er beschleunigt seine Schritte so gut wie möglich und sieht zu, dass er vorankommt. Dabei wäre er erneut beinahe gegen eine der Liftstützen gerannt. Er ärgert sich über die eigene Unachtsamkeit und registriert, dass die Arbeiter sein Ungeschick beobachtet haben und sich über ihn amüsieren. Einer von ihnen ruft ihm sogar etwas zu und Sam hebt bedauernd die Arme. Er verzieht den Mund zu einem Lächeln und bdeutet den Arbeitern, dass alles bestens ist. Ich bin ein wenig unachtsam, das ist alles, ruft er ihnen in seiner Sprache zu und will rasch an ihnen vorbei. Aber einer von ihnen hält Sam am Arm fest, sagt etwas in der hiesigen Sprache und deutet auf die Beule, die Sam auf seiner Stirn hat. Sam macht eine abwehrende Handbewegung, das ist nichts, sagt er in seiner Sprache, das kommt nicht von euren Liftstützen. Der Arbeiter nickt verständig, lässt ihn los und greift wieder nach seiner Schaufel. Tatsächlich hat Sam den Eindruck, als ob seit einigen Tagen mehr und schneller gearbeitet würde. Er setzt sich wieder in Bewegung und geht in der Folge die Hauptstrasse entlang, wie er das jeden Tag tut. Sie ist heute weniger belebt als üblich und ein paar Geschäfte haben bereits geschlossen. Sam fragt sich, wie das werden wird, wenn alle Leute abgereist und alle Geschäfte geschlossen sind und geht eilends auf den Supermarkt zu. Der Besuch im Supermarkt ist ein Fixpunkt in seinem Vormittagsprogramm. Von Anfang an hat er sich nur geringe Abweichungen gestattet und dass er nach seinem Spaziergang rund um die Ansiedlung, wobei er je nach Belieben diesen oder jenen Weg nimmt, in den Supermarkt und seine Einkäufe macht, versteht sich von selbst. Wenn dann noch Zeit ist, setzt er sich ins Cafe an der Hauptstrasse und wartet die Mittagszeit ab. Manchmal, wenn jemand seine Zeitung liegen hat lassen, blättert er ein wenig darin. Obwohl er weiss, dass das höchst unwahrscheinlich ist, sucht er in jeder Zeitung nach einer Meldung über sein Verschwinden. Kann doch sein, dass ich eines Tages die Zeitung aufschlage und auf mein Foto stosse, denkt er sich. Eigentlich wäre es Paulas Pflicht, mich zu suchen, denkt er sich manchmal, weiss aber gleichzeitig, dass Paula letztlich bloss die gehorsame Tochter ihrer Eltern ist. Und nichts kann Paulas Eltern gelegener kommen als sein Verschwinden und die Hoffnung, in den hiesigen Zeitungen auf eine Nachricht über sein Verschwinden zu stossen, ist absurd. Immerhin ist er mittlerweile viele hundert Kilometer von seinem früheren Wohnort entfernt und hier interessiert sich niemand für Überfälle, die vor Wochen in einem anderen Land passiert sind. Vor allem, wenn es keine Toten gegeben hat. Was ja gottlob der Fall ist, denkt sich Sam, hebt die Hand und betastet die Beule auf seiner Stirn. Dann beschleunigt er seine Schritte ein wenig. Er geht eilends über die Strasse und bleibt vorm Schaufenster des Supermarkts stehen. Dann dreht er sich ein wenig zur Seite, sodass er sich im Glas betrachten kann und betrachtet die Beule auf seiner Stirn. Sie ist noch immer deutlich sichtbar, aber die Schwellung ist in den letzten Tagen deutlich zurückgegangen. Über kurz oder lang wird gar nichts mehr zu sehen sein, denkt Sam und wendet sich ab. Erneut registriert er, dass heute viel weniger Leute unterwegs sind. Mehrere Geschäfte in unmittelbarer Umgebung des Supermarkts haben schon geschlossen und ihre Schaufenster mit Scherengittern und Holzplanken gesichert. Als Sam den Supermarkt betritt, sieht er nur ein paar Leute vor den Regalen und an der Kasse stehen. Die Verkäuferinnen lungern untätig hinter dem Ladentisch herum und richten sich erwartungsvoll auf, als Sam näherkommt. In den Wochen davor sind, wann immer Sam in den Supermarkt gekommen ist, lange Schlangen vor der Brot- und der Feinkostabteilung gestanden. Die Verkäuferinnen waren über die Maßen beansprucht und oftmals kurz angebunden, weil Sam ihre Sprache nicht gesprochen hat. Wenn er sich nicht gleich verständlich hat machen können, ist es manchmal sogar dahin gekommen, dass ihn die anderen Kunden beiseite geschoben haben. Oft hat er lange Zeit für sein Brot und sein Stück Käse anstehen müssen. Heute ist das ganz anders, die Verkäuferin lächelt beflissen und sieht ihn fragend an. Sam zeigt auf den billigsten Käse und ein halbes Weissbrot. Dannn betastet er den Geldschein in seiner Tasche und kann ein Seufzen nicht unterdrücken. Bald wird er ohne Geld dastehen, soviel ist sicher. Obwohl er versucht, so sparsam wie möglich zu leben, rinnt ihm das Geld nur so durch die Finger. Die Verkäuferin gibt ihm das eingewickelte Käsestück und fragt ihn etwas in ihrer Sprache. Aber Sam schüttelt bloss den Kopf und wendet sich ab. Er streift ein wenig durch die Regalreihen, sieht sich die Waren an und vergleicht sie mit denen in seinem Land. Alles anders und besser, denkt er sich jedesmal und es tut ihm leid, dass er nicht mehr Geld zur Verfügung hat. Dass er nicht gut gewirtschaftet hat, ist eine Tatsache. Nach dem Überfall hat er seinen ganzen Monatslohn in der Tasche gehabt und sich wie ein Krösus gefühlt. Heute noch fragt er sich manchmal, warum man ihm das Geld nicht abgenommen hat. Bei einem Raubüberfall geht es doch immer um Geld und Wertsachen, denkt sich Sam. Man hat mich niedergeschlagen, mein Geld aber nicht angerührt, denkt er sich und findet bis heute keine Erklärung dafür. Vielleicht wollte man mich ja auch gar nicht berauben, denkt er sich manchmal, aber das sind Überlegungen, die ihn erst recht nicht weiterbringen. Wenn man mich nicht berauben wollte, was wollte man dann, fragt er sich des öfteren, ist aber noch zu keinem Ergebnis gekommen. Ausserdem ist von dem Geld ohnehin fast nichts mehr übrig, allein die Bahnkarten haben weitaus zu viel gekostet. Heute muss er sich sagen, dass es falsch war, immer so komfortabel mit der Bahn zu reisen, aber während er unterwegs war, ist es ihm als das natürlichste erschienen. Und es ist auch so, dass er nach dem Überfall eine ganze Weile keinen klaren Gedanken hat fassen können. Als er in dem Hauseingang zu sich gekommen ist, ist er eine Weile reglos liegengeblieben, hat seine schmerzende Stirn betastet und sich mühsam aufgerappelt. Dann ist er, ohne lang zu überlegen, quer durch die halbe Stadt geradewegs zum Bahnhof gegangen und hat die hellerleuchtete Halle betreten. Aus den erschreckten Blicken der Umstehenden hat er geschlossen, dass mit seinem Aussehen etwas ganz und gar nicht in Ordnung sein muss. Im Waschraum hat er gesehen, dass er eine riesige Beule auf der Stirn hat und sein Gesicht blutüberströmt ist. Sein Kopf hat ihm über die Maßen weh getan und er ist eine Weile gegen die gekachelte Wand gelehnt dagestanden und hat tief und ruhig geatmet. Er hat sich gefragt, was eigentlich passiert ist, ist aber zu keinem Ergebnis gekommen. Aber die geringste Kopfbewegung hat einen stechenden Schmerz ausgelöst und mehrere Leute haben ihn gefragt, ob er einen Arzt braucht. Sam hat beteuert, dass alles bestens ist, hat sich die Blutspuren vom Gesicht gewischt und seine Kleider notdürftig gesäubert und dabei entdeckt, dass er seinen ganzen Monatslohn noch unangetastet bei sich trägt. Da hat er beschlossen, der Stadt und damit auch Paula den Rücken zu kehren. Er hat den Waschraum verlassen, ist eilends zum Fahrkartenschalter gegangen und eine Fahrkarte in die Hauptstadt gekauft. Der beinahe leere Zug ist schon am Bahnsteig gestanden und Sam hat sich in den letzten Waggon gesetzt. Während der Fahrt hat er sich unentwegt in der Fensterscheibe betrachtet und immer wieder sachte über die Beule auf seiner Stirn gestrichen. In der Hauptstadt angekommen, hat er nicht lange überlegen müssen, was jetzt weiter zu tun ist. Er hat sich eine Fahrkarte bis zur Landesgrenze gekauft, sie in der Folge problemlos passiert und ist ganz allgemein ausgezeichnet vorwärtsgekommen. Nach ein paar Tagen hat er seine Reisegeschwindigkeit verlangsamt und mehrmals halbherzig versucht, ohne Fahrkarte weiterzukommen. Aber er ist regelmässig erwischt und aus dem Zug geworfen worden. Einmal hätte man um ein Haar die Polzei geholt und er hat sich sagen müssen, dass das Risiko zu gross ist. Ein paar Mal hat er es auch mit Autostopp versucht und oft stundenlang an den Ausfallsstrassen stehen müssen, bevor ein Auto gehalten hat. Dann als er sich seinem Reiseziel mehr und mehr genähert hat, ist er doch wieder längere Strecken mit dem Zug gefahren. Heute sagt er sich, dass das nicht gänzlich falsch gewesen sein kann, denn sonst hätte er seinen Quartiergeber nicht kennengelernt. Trotzdem hätte er alles in allem sparsamer sein müssen, das ist eine Tatsache. Der Tag, an dem er ohne Geld dastehen wird, ist nicht mehr fern und dann werden erst werden die wahren Schwierigkeiten beginnen, soviel ist sicher. Sam versucht, nicht allzu viel darüber nachzudenken. Tagsüber geht das ja auch ganz gut. Sobald sich der Gedanke an seine finanzielle Situation einstellt, ruft er sich zur Ordnung und lenkt seine Aufmerksamkeit auf anderes. Nachts ist das schwieriger. Da ist er schon ein paarmal schweissgebadet aufgewacht und hat in der Folge kein Auge mehr zugetan. Er hat sich schlaflos hin und hergewälzt und sich sagen müssen, dass er völlig kopflos gehandelt hat. In Panik zum Bahnhof zu rennen und wegzufahren, ist möglicherweise das allerfalscheste gewesen, hat er sich nachts schon ein paarmal gedacht und sich die schlimmsten Vorwürfe gemacht. Richtig wäre es gewesen, ruhig zu bleiben und den Überfall anzuzeigen. Paulas Vater hätte sicher alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Schuldigen zu finden, denn Paulas Vater ist ein angesehener Mann, der alle Honoratioren der Stadt zu Freunden hat, darunter auch den Polizeipräsidenten. Nachts lässt sich der Gedanke, Paula eine Nachricht zu schicken, nicht so ohne weiteres vertreiben. Wenn Sam reglos auf seinem Bett liegt und mit weit offenen Augen zur Decke starrt, malt er sich aus, wie er sie an der Station der Gondelbahn erwartet. Paula einfach anrufen, denkt er sich manchmal, aber das Telefon in seiner Wohnung darf er nicht benutzen, das ist ihm ausdrücklich verboten. Trotzdem nimmt Sam manchmal den Hörer ab, hält ihn minutenlang in der Hand und denkt sich, das es ein Leichtes wäre, Paulas Nummer zu wählen. Mag schon sein, dass sie anfangs ernsthaft böse und kurz angebunden mit mir ist, denkt er sich, aber dann, ganz allmählich, würde ich sie doch auf meine Seite ziehen. Ein Supermarkt wie dieser hier würde ihr gefallen, denkt er sich, geht hinüber zum Weinregal und zwingt sich dazu, das Angebot aufs genaueste zu studieren. Tadelloses Weinsortiment, denkt er sich und streckt zögernd die Hand nach einer Weissweinflasche aus. Dann, als sich der Lautsprecher über seinem Kopf einschaltet, lässt er sie wieder sinken. Der Lautsprecher ist viel zu laut eingestellt, Sam versteht aber trotzdem selbstredend nichts. Da aber die wenigen Kunden sofort zur Kasse gehen, nimmt er an, dass alle zum Verlassen des Supermarkts aufgefordert werden, weil der Supermarkt über Mittag stets geschlossen ist. Er kontrolliert die Zeit auf seiner Armbanduhr, sieht, dass es tatsächlich schon kurz vor Mittag ist und betastet erneut den Geldschein in seiner Tasche. Dann streckt er die Hand aus und nimmt die Flasche Wein doch noch vom Regal. Das wird mich aufheitern, denkt er sich und geht eilends zur Kasse. Weil nicht mehr soviele Kunden da sind, sind nur mehr wenige Kassen geöffnet und es bilden sich erst recht lange Schlangen. Die Leute vor Sam haben ihre Einkaufswagen vollgeladen bis obenhin und Sam tritt ungeduldig von einem Fuss auf den anderen. Dann ruft er sich zur Ordnung, drängeln hat keinen Zweck, denkt er sich und richtet alle Gedanken auf sein nächstes Vorhaben. Demnächst wird er mit der Gondelbahn ins Tal fahren und sich nach seinem Quartiergeber umsehen. Es haben sich in den letzten Wochen doch ein paar Probleme mit der Wohnung gezeigt, alle Wasserhähne tropfen, der Kühlschrank funktioniert nicht richtig und die Eingangstür hat sich von Anfang an nicht richtig schliessen lassen. Das muss geklärt werden, denkt sich Sam, während er an der Kasse steht. Er beschliesst, sein Vorhaben gleich morgen in Angriff zu nehmen. Und diesmal werde ich mich nicht abschütteln lassen, denkt er sich und setzt eine entschlossene Miene auf. Dazu muss man wissen, dass sein erster Versuch, mit der Gondelbahn ins Tal zu gelangen, kläglich gescheitert ist. Sam hat unverrichteter Dinge kehrtmachen müssen, hat sich sein Scheitern damit erklärt, dass er die hiesige Sprache nicht spricht und sich gesagt, dass er von Anfang an falsch vorgegangen ist. Er hat Eile vorgeschützt, sich an den Wartenden vorbei zur Gondel gedrängt und als ihn der Billeteuer festhalten wollte, hat Sam sich energisch losgerissen. „Téléphérique“ hat er zum Billeteur gesagt und auf die Gondel gedeutet. Dann hat er den Namen des Talorts genannt und versucht, in die Gondel zu gelangen. Aber der Billeteur hat sich ihm in den Weg gestellt und zur Kassenhalle gedeutet. Als Sam nicht lockergelassen hat, hat er ihm schliesslich einen groben Stoss versetzt. Beinahe hätte Sam das Gleichgewicht verloren und als er erneut versucht hat, in die Gondel zu gelangen, haben sich die Türen vor seiner Nase geschlossen. Die Gondel hat sich talabwärts in Bewegung gesetzt und Sam hat ihr ratlos und mit hängenden Armen nachgesehen. Er hat nicht gewusst, was er vom Benehmen des Billeteurs halten soll und ist der rasch talwärts sinkenden Gondel so lange wie möglich mit den Augen verfolgt. Er hat über sein Missgeschick den Kopf geschüttelt, sich in der nunmehr gänzlich leeren Station umgesehen und den Kassenschalter gleich neben dem Eingang ins Auge gefasst. Eine Frau ist hinter der Glasscheibe gesessen und Sam ist eilends auf sie zugegangen. ‚Téléphérique‘ hat er mehrfach gesagt, den Namen des Talortes genannt und einen Geldschein auf das Pult gelegt. Aber die Frau war gänzlich unzugänglich, hat ihn mit hochgezogenen Brauen gemustert und dann begonnen, ihr Wechselgeld zu zählen. ‚Téléphérique‘ hat Sam nochmals gesagt, an die Scheibe geklopft und versucht, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Schliesslich hat die Frau unwillig aufgeschaut und einen kleinen Vorhang vors Kassenfenster gezogen. Sam hat seinen Geldschein wieder an sich genommen und ist noch eine Weile in der Kassenhalle herumgelungert. Er hat die Leute beobachtet, die mit der grössten Selbstverständlichkeit zum Kassenschalter gegangen sind und an die Scheibe geklopft haben. Dann hat die Frau den Vorhang sogleich zurückgezogen, alle ihre Fahrkarten ausgehändigt und nicht die geringsten Umstände gemacht. Sam hat ratlos zugesehen und sich vergeblich gefragt, was er wohl falsch gemacht hat. Der Warteraum hat sich zunehmend gefüllt, alle Bänke rundum sind bereits besetzt gewesen und Sam ist schon entschlossen gewesen, einen neuen Versuch zu wagen. Er hat sich dem Kassenschalter genähert, ist aber, nach ein paar Schritten, den Blicken der Frau begegnet und stehengeblieben. Ihr Gesichtsausdruck ist der unnachgiebigste gewesen und Sam hat sogleich klein beigegeben. Er hat sich gesagt, dass aufgeschoben nicht aufgehoben ist und sich zum Gehen gewandt. Sobald er herausgefunden hat, wie man zu einer Fahrkarte kommt, fährt er nach unten, soviel ist sicher. Vielleicht sogar schon morgen, denkt sich Sam und betrachtet die wenigen Sachen in seinem Einkaufswagen. Wieder schaltet sich der Lautsprecher ein und die Männerstimme dringt unangenehm laut an Sams Ohr. Die Warteschlange rückt nur langsam vor und Sam sieht immer wieder auf seine Uhr. Als er endlich an der Reihe ist, händigt er der Verkäuferin seinen letzten Geldschein aus und bekommt eine Menge Münzen zurück. Über Mittag kehrt er stets in seine Wohnung zurück, in einem der Lokale zu essen kommt für ihn schon aus Kostengründen nicht in Frage. Und die meisten machen es offenbar ähnlich wie Sam, denn die Strassen sind über Mittag immer wie ausgestorben. Die Restaurants stehen leer, einige haben schon geschlossen und Sam vermutet, dass früher oder später alle schliessen werden. Die einzigen Leute, die man über Mittag im Freien sieht, sind die Bauarbeiter. Sie bleiben immer in der Nähe ihrer Baustellen, das hat Sam schon beobachtet. Wenn Essenszeit ist, setzen sich ein wenig seitwärts in Gras und breiten ihre Vorräte aus. Der Trupp, der in der Nähe seiner Wohnung arbeitet, legt gerade seine Spaten beiseite und einer der Arbeiter hebt seinen Arm und winkt Sam zu. Sam lächelt und winkt zurück. Dann geht er eilends durch die schon weitgehend leeren Gassen und passiert einige Häuser, die bereits unbewohnt sind. Ist ein Haus unbewohnt, werden die Eingänge mit Bretterverschlägen gesichert, das wird hier heroben allgemein so gemacht. Sam entdeckt auf seinem Weg zurück einige Häuser, die am Morgen noch offengestanden sind und jetzt bereits mit Bretterverschlägen versehen sind. Als er die Eingangshalle seines Hauses betritt, sieht er die jungen Männer an der Rezeption die Köpfe drehen. Einer von ihnen ruft den Namen, unter dem Sam sich eingetragen hat, aber Sam reagiert nicht. Er geht eilends und mit gesenktem Kopf geradewegs auf die Lifte zu, bemerkt aber aus den Augenwinkeln, dass einer der jungen Männer seinen Platz hinter der Rezeption verlässt. Er beschleunigt seine Schritte nochmals und streckt schon den Arm nach dem Liftknopf aus, als ihn der Rezeptionist am Arm fasst. Sam tritt einen Schritt zur Seite, aber der Rezeptionist greift erneut nach Sam Arm. ‚Lassen Sie mich in Ruhe‘ sagt Sam in seiner Sprache und versucht sich loszureissen. Um sich wirksam wehren zu können, müsste er aber seine Einkäufe fallenlassen. Dabei würde die Weinflasche zerbrechen, das will Sam nicht riskieren, also setzt er sich nur halbherzig zur Wehr. ‚Loslassen‘ sagt er in seiner Sprache, ‚sofort loslassen‘ aber der junge Mann hält Sam weiter am Oberarm fest. Er spricht die ganze Zeit in seiner Sprache und zerrt Sam zur Rezeption zurück. ‚Loslassen, sofort‘ sagt Sam immer wieder, aber der junge Mann lässt nicht mit sich reden. Erst, als sie bei der Rezeption angelangt sind, lässt er Sams Arm los und sein Kollege greift in eine Schublade und händigt Sam einen Schlüssel aus. Sam sieht ratlos von einem zum anderen und begreift erst allmählich, worum es geht. Man will ihm bloss diesen zweiten Schlüssel geben und er muss auf einem Formular bestätigen, dass er den Schlüssel auch übernommen hat. Der junge Mann gestikuliert und radebrecht in Sams Sprache und macht ihm schliesslich klar, dass die Rezeption ab nächster Woche nicht mehr besetzt sein wird. Macht nichts, denkt Sam und steckt den Schlüssel in die Tasche. Der tägliche Spiessrutenlauf an der Rezeption vorbei wird mir nicht fehlen. Er nickt, sagt in seiner Sprache, dass er verstanden hat und wendet sich ab. Er geht wieder zu den Liften zurück und spürt die ganze Zeit die Blicke der jungen Männer im Rücken. Als der Lift endlich kommt und Sam einsteigen kann, bleibt er mit gesenktem Blick stehen, bis sich die Türen wieder schliessen. Erst dann hebt er den Kopf und sieht in den Spiegel. Der Spiegel nimmt die ganze Rückwand des Fahrstuhls ein und Sam kann sich vom Kopf bis zu den Füssen ansehen. Das Licht in der Liftkabine ist unvorteilhaft, aber Sam kommt trotzdem zum Schluss, dass sein Aussehen nicht ernsthaft gelitten hat. Bald wird die Beule auf seiner Stirn bald gänzlich verschwunden sein und dann ist alles wie immer, denkt er sich und betastet die Beule. Er registriert, dass der Schmerz ganz leicht auszuhalten ist und betrachtet sich von der Seite. Die Wölbung auf seiner Stirn ist zwar immer noch sichtbar, aber die rasenden Kopfschmerzen, unter denen er mehrere Wochen gelitten hat, haben deutlich nachgelassen. Er ist, was seine Beule betrifft, guten Mutes und erschrickt, als der Lift abrupt anhält. Dass die Fahrt ins oberste Stockwerk klaglos vor sich geht, kommt kaum vor, es gibt immer Störungen und Verzögerungen und als sich die Lifttüren öffnen, sieht er eine vielköpfige Familie, die auch sogleich in die Kabine drängt. Sam presst er sich, so gut es geht, an die Wand, aber die Leute nehmen von Sam ohnehin nicht die geringste Notiz. Alle reden durcheinander und der Familienvater drückt den Knopf nach unten. Sam hält seine Einkaufstasche eng an sich gepresst und sieht angelegentlich ins Leere. Er atmet erleichtert auf, als die Türen sich öffnen. Der Lift leert sich und durch die offenstehende Tür kann Sam die jungen Männer an der Rezeption sehen, die ihn ihrerseits belustigt betrachten. Er ist erleichtert, als sich die Lifttüren endlich wieder schliessen und gelangt diesmal ungestört bis ins oberste Stockwerk. Eilends geht er den langen Gang hinunter. Die Wohnung seines Quartiergebers liegt am Ende des Ganges, direkt beim Ausgang zur Notstiege. Als er die Tür öffnet, bemerkt er sogleich, wie stickig und abgestanden die Luft in der Wohnung ist. Die Fenster für einen Moment öffnen, denkt er sich Sam und streckt die Hand nach den Vorhängen aus. Im letzten Moment hält er inne, denn er weiss nur zu gut, welche Wirkung die Aussicht auf ihn haben wird. Schon jetzt, alleine bei der Vorstellung, dass sich die Berge bis zum Horizont vor ihm auftun werden, bemerkt er, wie seine Handflächen feucht werden. Für einen Augenblick bleibt er unschlüssig stehen, dann schüttelt er den Kopf und wendet sich ab. Lieber lässt er die Wohnungstür eine Weile offenstehen, während er sich in der Küche zu schaffen macht. Aber zu wissen, dass die Wohnungstür weit offensteht, beunruhigt ihn, und so unterlaufen ihm bei der Zubereitung seiner Mittagsmahlzeit die dümmsten Fehler. Beispielsweise lässt er das Tiefkühlgemüse anbrennen, nimmt die Kartoffeln zu früh vom Herd und zuguterletzt schneidet er sich sogar in den Finger. Sogleich kommt Blut und er muss seine Hand eine ganze Weile über die Spüle halten. In der Folge gibt er sich nicht mehr allzu viel Mühe, kippt das verbrannte Gemüse und die halbgaren Kartoffeln auf einen Teller und trägt alles ins Wohnzimmer. Bei eingeschaltetem Fernsehgerät beginnt er langsam zu essen, hat aber seinen Teller noch nicht einmal bis zur Hälfte geleert, als er die Gabel sinken lässt. Plötzlich ist sein Widerwille der allergrösste, denn von den Kartoffeln und den wässrigen Karotten- und Kohlstücken geht ein schaler Geruch aus, der ihm auf das penetranteste in die Nase steigt. Er schüttelt den Kopf und schiebt seinen Teller ans äusserste Tischende. Dann setzt er sich bequemer zurecht und versucht, sich auf die Gesichter am Bildschirm zu konzentrieren. Aber mit einem Mal stellt sich auch der Schmerz in seinem Kopf wieder ein, das Pochen hinter seiner Stirn nimmt stetig zu und Sam hebt die Hand und streicht behutsam über die Beule. Aber der Schmerz lässt nicht nach und endlich steht er auf und geht mit schwankenden Schritten in die Küche. Er öffnet die Besteckschublade, nimmt den grössten Löffel heraus und presst ihn gegen seine Stirn. Das kalte Metall verschafft ihm beinahe sofort Erleichterung und er öffnet und schliesst seine Augen, denn noch vor kurzem haben sich manchmal nach solchen Kopfschmerzattacken die schlimmsten Sehstörungen eingestellt. Dann lässt er den Löffel achtlos in die Spüle fallen und geht zurück ins Wohnzimmer. Mit einem Mal fühlt er sich sehr müde, bettet seinen Kopf auf das weiche Sofakissen und sagt sich, dass er jetzt keinesfalls einschlafen darf. Schläft er bei Tag ein, hat er die allerseltsamsten Träume und ist nach dem Aufwachen jedesmal wie gerädert. Ausserdem halten sich diese Träume hartnäckig in seinem Kopf und verfolgen ihn noch eine ganze Weile. Er versucht, sich zu ermannen, hebt seinen Kopf von den Kissen und folgt den Vorgängen auf dem Bildschirm mit gespanntester Aufmerksamkeit. Aber dann lässt er den Kopf doch wieder sinken, weil seine Müdigkeit einfach zu gross ist. Keinesfalls einschlafen, denkt er sich, während er die Augen schliesst, mit geschlossenen Augen nach der Fernbedienung tastet und den Ton ein wenig leiser dreht. Er denkt an seinen geplanten Ausflug ins Tal hinunter und stellt sich vor, dass ihm sein Quartiergeber zufällig über den Weg läuft. Er malt sich aus, wie er ihm eine Weile unerkannt folgt und ihn schliesslich überraschend anspricht. Wieso sind Sie nicht gekommen, um nach dem Rechten zu sehen, wird Sam ihn fragen und sich nicht mit irgendwelchen Ausflüchten abspeisen lassen. Abgemacht war, dass Sams Quartiergeber unangemeldet auftaucht und sich ansieht, wie Sam zurechtkommt. Er hat mehrmals deponiert, dass er Wert auf allergrösste Sauberkeit legt, wenn ich unangemeldet auftauche und sehe, dass du die Wohnung nicht sauber hältst, fliegst du in hohem Bogen raus, hat er zu Sam gesagt und keinen Zweifel daran gelassen, dass er es ernst meint. Sam nimmt sich vor, seinen Ausflug ins Tal hinunter nicht länger zu verschieben und drückt seinen Kopf tiefer in die weichen Sofakissen. Er malt sich aus, wie er die Hauptstrasse auf- und abgeht und Ausschau nach seinem Quartiergeber hält, wie er seine Augen anstrengt und plötzlich und gänzlich unvermutet Paula vor sich sieht. Sie schlendert ganz nahe an ihm vorbei und Sam registriert, dass sie sich mit fremden Leuten in der hiesigen Sprache unterhält. Er hört sie mit vertrauter Stimme rasch und leicht in der fremden Sprache reden, schüttelt verärgert den Kopf und folgt ihr ungesehen. Zunehmend muss er sich über ihr Gehabe ärgern. Sie plaudert und lacht mit fremden Männern und als ein Auto viel zu rasch um eine Ecke biegt, legt einer von ihnen seinen Arm um Paulas Schultern und zieht sie zur Seite. Das geht eindeutig zu weit. Sam macht ein paar schnelle Schritte und überholt die Gruppe. Er stellt sich direkt vor Paula und zwingt sie so, stehenzubleiben. Wie kommst du denn hierher, fragt er und registriert, wie sie zusammenzuckt und ihn dann ungläubig betrachtet. Dann aber hat sie sich schnell wieder im Griff und lächelt vage. Ich suche landauf landab nach dir, sagt sie und entfernt sich ein wenig von ihren Begleitern, was fällt dir ein, einfach wegzurennen, Papa und Mama sind ausser sich. Dann lässt sie ihre Augen an ihm auf- und abgleiten, streckt schliesslich ihre Hand aus und betastet die Beule auf seiner Stirn. Das hätte nicht passieren dürfen, sagt sie und schüttelt bekümmert den Kopf. Ich habe eigens angeordnet, dass man dir kein Haar krümt, sagt sie und mit einem Mal ist Sam wieder hellwach. Er rappelt sich aus den weichen Sofakissen hoch und starrt auf den Fernsehschirm. Er sieht, wie sich die Gesichter der Moderatoren bewegen, wie sie ihre Münder öffnen und schliessen und tastet nach der Fernbedienung. Dabei fällt ihm der Zeiger der Wanduhr ins Auge und er muss sich sagen, dass er mehr als eine Stunde geschlafen hat. Trotz aller Vorsätze hat er sich wieder einmal vom Schlaf übermannen lassen. Er kann ein Seufzen nicht unterdrücken, steht entschlossen auf und trägt seinen halbvollen Teller in die Küche zurück. Dann bringt er die Küche in Ordnung und gibt sich dabei wie immer die allergrösste Mühe. Sollte sein Quartiergeber ganz plötzlich auftauchen und die Wohnung inspizieren wollen, wird er sehen, dass Sam sich penibel an die Vereinbarungen hält. Alles muss wie aus dem Ei gepellt sein, hat er gesagt, Sam hat seine Stimme noch deutlich im Ohr, andernfalls fliegst du in hohem Bogen raus. Ich werde schon bald unangemeldet vorbeikommen und alles kontrollieren. Kann ruhig kommen, denkt sich Sam und wirft zuguterletzt einen letzten prüfenden Blick ins Wohnzimmer. Dann zieht er seine Schuhe an, nimmt seine Jacke vom Haken und erst, als er schon an der Tür ist, fällt ihm ein, dass er sein Buch vergessen hat. Nachmittags hat er immer sein Buch dabei, also zieht er die Schuhe nochmals aus und geht ins Schlafzimmer. Er findet das Buch auf dem Boden, hebt es auf und glättet die Seiten sorgsam. Dann steckt er es in seine Jackentasche und verlässt die Wohnung endgültig. Er knöpft seine Jacke bis obenhin zu, geht mit abgewandtem Kopf an den Rezeptionisten vorbei und schlägt als erstes den Weg zum Feuerwehrhaus und zur Notarztzentrale ein. Die Feuerwehrleute sind mit Wartungsarbeiten beschäftigt und der Notarzt sitzt in seinem kleinem Büro, hat die Füsse auf den Schreibtisch gelegt und starrt ins Leere. Sam bleibt stehen und beobachtet ihn eine Weile aus der Ferne. Den Notarzt zu beobachten gehört zu seinem nachmittäglichen Ritual. Nur ein einziges Mal hat Sam bisher miterlebt, dass man ihn zu einem Einsatz gerufen hat. Das ist ganz am Anfang seines Aufenthalts hier heroben gewesen. Sam hat sich noch sehr fremd gefühlt, die Sehstörungen auf seinem linken Auge haben ihn aufs äusserste beunruhigt und immer wieder ist er von den allerstärksten Kopfschmerzen übermannt worden. Ausserdem hat ihn die Beule auf seiner Stirn Tag und Nacht an den Überfall erinnert. Keinen Augenblick hat ihn der Gedanke der Paula verlassen und er hätte ihr für sein Leben gern eine Nachricht geschickt. Immer wieder hat er sich aber gesagt, dass erst noch ein wenig Gras über die Sache wachsen muss. Jedesmal, wenn er am Telefon in seiner Wohnung vorbeigegangen ist, hat er die Arme ganz eng an dem Körper nehmen müssen, denn sonst hätte er unwillkürlich nach dem Hörer gegriffen und Paulas Nummer gewählt. Auch um das Postamt hat er jedesmal den allerweitesten Bogen geschlagen und ist dabei jeden Tag näher an die Notarztzentrale geraten. Das hat etwas Tröstliches für ihn gehabt und oft war er kurz davor, hineinzugehen und den Arzt seine Beule sehen zu lassen. Aber es ist nie dazu gekommen. Einmal hat er sich schon weit vorgewagt und gerade die Hand nach der Türklinke ausgestreckt, als sich die Tür plötzlich geöffnet hat. Der Notarzt ist an ihm vorbeigelaufen, Sam hat gerade noch rechtzeitig ausweichen können, dann ist er in sein Auto gestiegen und weggefahren. Sam hat ihm enttäuscht nachgesehen und in der Folge seinen Plan, sich ärztliche Hilfe zu holen, gänzlich aufgegeben. Seine Beschwerden haben sich dann ganz allmählich von selber gebessert, die Gewohnheit, in der Nähe der Notarztzentrale herumzulungern, hat er aber beibehalten. Auch an diesem Tag beobachtet er den Notarzt noch eine ganze Weile, wendet sich schliesslich aber doch ab und schlendert über die Parkplätze, die sich seit dem Vormittag noch weiter geleert haben. Die kahlen Hügel, die gleich hinter den Parkplätzen beginnen, können ja wohl nicht nähergerückt sein, denkt sich Sam und sagt sich, dass er einer optischen Täuschung unterliegt. Er bleibt stehen und und folgt dem Pfad, der in Serpentinen den Berghang emporführt, mit den Augen und steht eine ganze Weile gedankenverloren da. Erst als eine wütende Männerstimme an sein Ohr dringt, dreht er den Kopf uns muss nur mit halbem Auge hinsehen, um zu wissen, dass eine abreisende Familie mit ihrem Gepäck nicht zu Rande kommt. Sam beobachtet ihre Anstrengungen eine Weile, erst als die Mutter mit der Hand ausholt und das grösste Kind ins Gesicht schlägt, macht er kehrt. Er geht in weitem Bogen quer über die Parkplätze zurück, wirft einen letzten Blick in die Notarztzentrale und sieht den Arzt in unveränderter Haltung hinter seinem Schreibtisch sitzen. Zu guter Letzt erreicht er wieder die Hauptstrasse. Von hier oben kann man sie beinahe in ihrer ganzen Länge übersehen, erst ganz weit unten, knapp vor der Station der Gondelbahn, macht sie eine scharfe Biegung. Sam registriert, dass die Eingänge der meisten Geschäfte mittlerweile mit Holzplanken vernagelt sind und einer der letzten offenen Läden gerade leergeräumt wird. Sam beobachtet den Ladeninhaber, der verschiedene Kletterhaken in eine bereitgestellte Schachtel legt und sie penibel nach Grössen und Farben sortiert. Erst als der Ladeninhaber auf ihn aufmerksam wird und ihm einen misstrauischen Blick zuwirft, wendet er sich ab. Er geht die Hauptstrasse hinunter und nimmt im wesentlichen denselben Weg wie am Vormittag. Aber er geht langsamer und bleibt öfters stehen. Kommt er an einem geöffneten Geschäft vorbei, betrachtet er die ausgestellten Waren in den Schaufenstern lange. Bei einem der Geschäfte, dass Spaten und Schaufeln aller Arten anbietet, wundert er sich jeden Tag aufs neue über die Vielfalt. Er studiert Formen und Grössen der metallenen Schaufelblätter eingehend und begutachtet die aus Holz gefertigten Stiele. Er überlegt sich, wie die eine oder andere Schaufel wohl in der Hand liegt und kommt zum Schluss, dass die dritte von links, die mit dem besonders grossen Schaufelblatt und dem handlichen, lackierten Stiel unbedingt die brauchbarste sein muss. Dann streckt er sich ein wenig und drückt sein Gesicht an die Scheibe. Er sieht den Ladeninhaber untätig hinter der Kasse sitzen, ihre Blicke treffen sich und Sam weicht sogleich einen Schritt zurück. Dann wendet er sich um und geht quer über die Strasse zu seinem bevorzugten Cafe. Der tägliche Cafehausbesuch gehört auch zu seinem Nachmittagsritual. Oft sitzt er stundenlang in der immer blasser werdende Sonne, trinkt Kaffee aus einem Plastikbecher und betrachtet die Vorübergehenden. Manchmal liest er pro forma ein wenig in seinem Buch, aber mittlerweile kennt er es leider in- und auswendig. Er hätte für sein Leben gern ein neues, aber Bücher in seiner Sprache gibt es hier heroben nicht. Das hat er gleich in der ersten Woche herausgefunden und seine Enttäuschung ist eine ganze Weile gross gewesen. Mittlerweile hat er sich damit abgefunden und ist froh, dass er zumindest dieses eine hat. Er hat es im Zug an sich genommen, auf der ersten oder zweiten Etappe seiner langen Bahnreise, wann genau, weiss er nicht mehr. Sicher ist nur, dass die Landesgrenze noch vor ihm gelegen ist und er entsprechend unruhig war. Er hat sich immer wieder gefragt, ob wohl alles glatt gehen wird und seine Nervosität nur mühsam im Zaum halten können. Aber dann ist alles ganz problemlos vor sich gegangen. Sam hat sich schlafend gestellt, die Grenzbeamten haben ihn gänzlich ungeschoren gelassen und eine ganze Weile hat Sam sich vor Erleichterung nicht zu fassen gewusst. Er hat sich gesagt, dass er damit fürs erste in Sicherheit ist und alle Gedanken an Paula zur Seite geschoben. Weil er ein ganzes Abteil für sich allein gehabt hat, hat er sich der Länge nach auf die Sitzbank gelegt und zu schlafen versucht. Als er bemerkt hat, dass an Schlaf nicht zu denken ist, hat er sich an das Buch in seiner Jackentasche erinnert. Er hat es hervorgezogen und zu lesen begonnen. Weil es ein eher dünnes Buch war, hat es nicht lange vorgehalten. In wenigen Stunden hat er es ausgelesen gehabt und mittlerweile kann er ganze Passagen auswendig hersagen. Aber auch wenn er nicht darin liest, hat er es an öffentlichen Plätzen, wie zum Beispiel hier im Strassencafe, gerne aufgeschlagen vor sich liegen. So ein aufgeschlagenes Buch ist der beste Schutzschild, den man sich denken kann. Dass er hier heroben immer wieder neugierige Blicke auf sich zieht, daran hat er sich mittlerweile schon gewöhnt. Schon gleich nach seiner Ankunft haben ihm die interessierten Blicke der Frauen zu denken gegeben. Ständig war damit beschäftigt, den Kopf wegzudrehen und die Augen gesenkt zu halten. Er hat sich das zudringliche Gehabe der Frauen lange nicht erklären können und sich gesagt, dass allergrösste Vorsicht angebracht ust. Aufmerksamkeit zu erregen oder gar den Unmut der Ehemänner auf sich ziehen, wäre in seiner Lage das Allerdümmste. Auf gar keinen Fall möchte er in irgendwelche Kalamitäten verwickelt werden, tatsächlich hat er davor sogar die allergrösste Angst. Immer wieder sagt er sich, dass er hier heroben fürs erste in Sicherheit ist und diese Sicherheit will er keinesfalls aufs Spiel setzen. Bemerkt er also, dass ihn jemand genauer ins Auge fasst, dreht er sofort den Kopf weg oder hält sich sein Buch vors Gesicht. Das hat er sich zur Regel gemacht und bis jetzt hat es auch immer ganz gut funktioniert. Sam trinkt den Rest Kaffee aus seinem Pappbecher und verkriecht sich tiefer in seine Jacke, weil es mit einem Mal spürbar kälter geworden ist. Er zieht die Jackenärmel über seine Hände, lässt seine Blicke schweifen und hört auf die Stimmen rundum. Natürlich versteht er nicht, wovon die Rede ist, aber einzelne bekannte Wörter dringen doch an sein Ohr. Als er die Frau am Nebentisch mehrmals ‚Télésiége‘ sagen hört, folgt er ihren Blicken und sieht, dass sich der Sessellift in Bewegung gesetzt hat. Die Sitze hängen baumelnd und heftig schaukelnd an ihren Stangen und geben ein komisches Bild ab. Ein Probelauf, damit im Winter alles klaglos funktioniert, denkt sich Sam und beobachtet die rasch vorüberziehenden leeren Sesselreihen. Er sieht, wie die Bauarbeiter ihre Köpfe in den Nacken legen, sich dann zufrieden zunicken und gegenseitig auf die Schulter klopfen. Anfangs hat Sam sich nicht erklären können, wozu denn der Sesselift rund um den Ort gut sein soll. Aber mittlerweile denkt er sich dass hier heroben bei Schnee sowieso alles ganz anders ist. Dann ist so ein Sessellift sicher die nützlichste Einrichtung, die man sich denken kann. Die langen Strecken zwischen den Wohnhäusern, der Hauptstrasse und den Parkplätzen können dann auf Schiern zurückgelegt werden. Man kann dann zum Beispiel mit Schiern direkt bis vor den Supermarkt fahren und sich dann mit dem Sessellift wieder zu seinem Wohnhaus zurückbringen lassen, denkt sich Sam, wendet den Kopf und betrachtet die hochaufragenden, mit Brettern verschlagenen Häuser. Er stellt fest, dass er sich schon ein wenig an den Anblick gewöhnt hat. So hässlich wie zu Beginn findet er sie jetzt nicht mehr. Vielleicht sehen sie mit Schnee sogar ganz schön aus, denkt er sich und nimmt eine Bewegung neben sich wahr. Er dreht den Kopf erneut und muss ein wenig blinzeln. Weil ihm die Sonne geradewegs in die Augen scheint, sieht er nicht gleich, dass eine Frau am Nebentisch Platz genommen hat. Als er es bemerkt, rückt er seinen Sessel sogleich ein Stück zur Seite. Die Frau setzt ihren Plastikbecher an den Mund und trinkt ihn in einem Zug leer. Über den Becherrand hinweg betrachtet sie Sam auf das aufdringlichste. Offensichtlich ist sie allein. Sam macht eine unbehagliche Abwehrbewegung und streift dabei sein Buch vom Tisch. Die Frau stellt ihren Becher hin, bückt sich und hebt es sogleich auf. „Hier bitte sehr‘ sagt sie und legt es vor Sam hin. Sam bemerkt gar nicht gleich, dass sie in seiner Sprache gesprochen hat und sagt gleichgültig ‚Vielen Dank, bemühen Sie sich nicht‘. Dann wendet er allerdings überrascht den Kopf. Auch die Überraschung der Frau ist die allergrösste. Sie weiss sich gar nicht zu fassen und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Ein Landsmann, man soll es nicht für möglich halten, sagt sie und verschlingt Sam mit den Augen. Weil Sam seit Wochen niemanden in seiner Sprache hat reden hören, betrachtet auch er die Frau mit allergrösstem Interesse. Er möchte sie fragen, wie lange sie schon hier ist, aber seine Stimme gehorcht ihm nicht. Er muss sich mehrmals räuspern und sagt dann, dass er auch überrascht ist, hier oben auf eine Landsmännin zu treffen. Die Frau fragt ihn, woher er kommt und Sam zögert nur kurz. Dann nennt er einen entlegenen Landesteil, in den er noch nie einen Fuss gesetzt hat. Als die Frau ihrerseits über die Umstände ihres Aufenthalts zu reden beginnt, bemerkt Sam sogleich, dass sie zwar ohne Zweifel seine Sprache spricht, aber Betonung und Akzent gänzlich anders sind. Kommt nicht aus meiner Region, denkt er sich und weiss nicht, ob er erleichtert oder enttäuscht sein soll. Dann räuspert sich nochmals und fragt die Frau, wie lange sie schon hier ist. Viel zu lange, sagt sie und lässt ihre Blicke an Sam auf- und abgleiten, man langweilt sich hier zu Tode, finden Sie nicht? Durchaus nicht, sagt Sam und verschränkt die Arme vor seiner Brust, ich zum Beispiel langweile mich keineswegs, bin aber auch keinen Augenblick untätig. Das Wichtigste ist, dass man sich immer beschäftigt, sagt er eifrig, ich zum Beispiel habe einen akribischen Tagesplan, von dem ich nur äusserst ungern abweiche. Er will der Frau schon die Einzelheiten seines Tagesablaufs erläutern, ruft sich aber gerade noch rechtzeitig zur Ordnung. Er sagt sich, dass durchaus kein Grund für übermäßige Vertraulichkeiten besteht, verschränkt die Arme ganz fest vor seiner Brust und presst die Lippen aufeinander. Dann erzählt er der Frau aber doch von seinem geplanten Ausflug ins Tal hinunter. Ich fahre demnächst, sagt er, vielleicht schon morgen, das bringt reichlich Ablenkung. Die Frau schüttelt aber bloss den Kopf und wirft ihm einen skeptischen Blick zu. Was wollen Sie denn im Tal, fragt sie, was gibt es denn im Tal, was es hier heroben nicht gibt? Ich bin noch kein einziges Mal unten gewesen, und vermisse rein gar nichts, sagt sie. Da hinunterzufahren ist verschwendete Zeit, sagt sie und redet sich tatsächlich ein wenig in Rage. Als sie mit der flachen Hand mehrmals auf den Tisch schlägt, rückt Sam seinen Sessel ein wenig zur Seite. ‚Beruhigen Sie sich‘ sagt er mehrmals vergeblich und betrachtet die Frau amüsiert. Um sie ein wenig abzulenken, erzählt er ihr von seinen vergeblichen Versuchen, eine Fahrkarte zu kaufen. Man hat mir partout keine verkaufen wollen, bloss weil ich die Landessprache nicht spreche, sagt er. Sprechen Sie die hiesige Sprache, fragt er und sieht die Frau erwartungsvoll an. Was heisst, ‚Bitte eine Fahrkarte ins Tal‘, fragt er und beugt sich neugierig vor, wissen Sie das? Nein, weiss ich nicht, sagt die Frau mürrisch, macht eine fahrige Bewegung mit der Hand und fegt dabei ihren leeren Pappbecher vom Tisch. Sichtlich ist sie über die Maßen aufgebracht über Sams Absicht, ins Tal zu fahren. Sam kann sich ihre Aufregung nicht erklären und giesst aus purem Übermut noch ein wenig Öl ins Feuer. Er redet eine ganze Weile über die vielfältigen Unterhaltungsmöglichkeiten, die der Talort mit Sicherheit bietet. Das darf man sich keinesfalls entgehen lassen, sagt er im Brusttton der Überzeugung, ich fahre demnächst, vielleicht schon morgen. Dann sagt er sich erneut, dass zu Vertraulichkeiten nicht der geringste Anlass besteht und hört auf zu reden. In der Folge sitzen er und die Frau eine ganze Weile schweigend nebeneinander. Als sie sich schliesslich zu ihm neigt und ihn fragt, wie lange er schon hier ist, zuckt Sam nur unbestimmt die Achseln. Schon eine ganze Weile, sagt er, nimmt sein Buch und streicht glättend über den Umschlag. Der neugierige Blick der Frau ist ihm mit einem Mal über die Maßen unangenehm und er ruft sich seine Vorsätze wieder ins Gedächtnis. Unter keinen Umständen unüberlegte Bekanntschaften schliessen,denkt er sich und erhebt sich halb von seinem Sessel. Für mich wird es Zeit, sagt er und will das Buch in seine Jackentasche stecken. Unerwarteterweise hält ihn die Frau aber am Ärmel fest. Sam richtet einen erstaunten Blick auf sie, setzt sich dann aber doch wieder hin. Sogleich lässt die Frau ihn los und greift verlegen nach ihrem leeren Pappbecher. Sam wirft ihr einen prüfenden Blick zu und sieht, dass ihre Kleider nicht in allerbestem Zustand sind. Auch ist ihr Haar ungepflegt und struppig. Er muss an Paulas seidenweiches Haar denken, hebt die Hand und streicht nervös über die Beule auf seiner Stirn. Ist kaum mehr was zu sehen, sagt die Frau daraufhin und er wirft ihr einen misstrauischen Blick zu. Aber ihr Gesichtsausdruck ist gänzlich harmlos. Darf ich, fragt sie und streckt die Hand nach seinem Buch aus. Bitte sehr, sagt Sam und schiebt es ein wenig in ihre Richtung. Die Frau nimmt das Buch an sich und blättert lange darin. Hin und wieder liest sie einen Absatz und legt es schliesslich nur zögernd aus der Hand. Ein schönes Buch, sagt sie und holt tief Atem. Ich würde es Ihnen ja ohne weiteres leihen, sagt Sam, aber ich habe nur dieses eine. Dann tauschen wir doch, sagt die Frau und bückt sich nach der Tasche, die sie neben sich stehen hat. Sie zieht ein zerlesenes Taschenbuch hervor und streckt es Sam hin. Sam kann nicht widerstehen und nimmt es sogleich an sich. Ich lese sehr schnell, sagt er, Sie können es bald wiederhaben. Eilt nicht, sagt die Frau, ich werde wohl noch länger hier sein. Dann sitzen sie wieder eine Weile schweigend nebeneinander. Sam merkt, dass ihn die Frau auffordernd ansieht, bleibt aber weiterhin stumm und hält seinen Blick immer auf das Buch gerichtet. Schliesslich geht die Frau als erste. Für mich wird es Zeit, sagt sie und erhebt sich zögernd. Offenbar erwartet sie, dass Sam sie auffordert, doch noch eine Weile zu bleiben, aber er tut nichts dergleichen. Er schlägt die Beine übereinander und dreht den leeren Pappbecher in seinen Händen. Die Frau verstaut Sams Buch umständlich in ihrer Tasche und tritt dann unschlüssig von einem Bein aufs andere. Kommen Sie jeden Tag hierher, fragt sie schliesslich, ja, schon, sagt Sam. Damit ich Ihnen Ihr Buch wiedergeben kann, sagt sie, eilt nicht, sagt Sam. Die Frau zögert noch immer, aber da Sam weiter schweigt, muss sie sich schliesslich abwenden. Sie geht zwischen den Tischen durch und steigt die Stufen zur Strasse hinunter. Sam atmet erleichtert auf und entspannt sich ein wenig. Aufdringliche Person, denkt er sich und folgt der Frau mit den Augen. Sie geht eilends und mit gesenktem Kopf die Strasse entlang und biegt dann ganz unten, in der Nähe der Gondelbahn, in eine Gasse ein. Wird wohl da unten wohnen, denkt sich Sam und rümpft ein wenig die Nase. Dort wohnt nur, wer sich nichts Besseres leisten kann, die Häuser in dieser Gegend sind baufällig und halten keinem Vergleich mit den anderen stand. Es gibt auch hier heroben bessere und schlechtere Wohngegenden, das hat Sam gleich nach seiner Ankunft festgestellt. Die Gegend, in der er selber wohnt, gilt als die allerbeste, das hat Sam schon in den ersten Tagen herausgefunden. Als die Frau endgültig ausser Sichtweite ist, setzt er sich bequemer zurecht und lässt seine Blicke schweifen. Dabei bemerkt er, dass ihn ein älteres Ehepaar vom anderen Ende der Terrasse interessiert beobachtet. Tatsächlich lassen ihn die beiden keinen Moment aus den Augen und Sam wendet schliesslich irritiert den Kopf ab. Er kehrt den beiden den Rücken zu, schlägt das Buch auf, das ihm so unerwartet zugefallen ist und beginnt zu lesen. Schon nach den ersten Zeilen weiss er, dass er das Buch bereits kennt. Steht recht seitlich neben dem Fenster, denkt er sich und hat die Bücherwand in seiner und Paulas Wohnung ganz deutlich vor Augen. Unten Krimis, oben Klassik, denkt er sich und kann ein Seufzen nicht unterdrücken. Er hält seine Augen weiterhin auf das Buch gerichtet, erst als sich eine grosse Wolke vor die Sonne schiebt und ein kalter Wind aufkommt, hebt er den Kopf. Die Tische rund um ihn haben sich bereits geleert und auch für Sam ist es jetzt an der Zeit, aufzubrechen. Er steckt das Buch in seine Jackentasche, wirft den Pappbecher in die bereitstehende Mülltonne und steigt die Stufen zur Strasse hinunter. Dort trifft er unerwartet auf das ältere Ehepaar, das ihn vorhin so aufdringlich angestarrt hat. Die beiden versperren ihm den Weg und der Mann sagt etwas, was Sam nicht versteht. Sam schüttelt den Kopf und zuckt die Achseln. ‚Ich verstehe nicht‘, sagt er, und will sich seitlich an ihnen vorbeizwängen. Aber der Mann gibt den Weg nicht frei. Die beiden reden abwechselnd auf Sam ein, einmal spricht die Frau, dann wieder der Mann. Sie gestikulieren aufgeregt und Sam hat den Eindruck, als ob es um die Frau von vorhin ginge. Er schüttelt immer wieder den Kopf, sagt, dass er nichts versteht und versucht schliesslich energisch, an den beiden vorbeizugelangen. Aber der Mann streckt seine Hand aus und hält Sam am Ärmel fest und die schrille Stimme der Frau dringt aus allernächster Nähe in Sam‘ Ohr. Er hebt die Hand und streicht behutsam über die Beule auf seiner Stirn. ‚Ich verstehe nichts‘‚ sagt er immer wieder und schliesslich sehen die beiden ein, dass sie sich vergeblich bemühen. In der Folge öffnet die Frau ihre Handtasche und nimmt einen Bleistift und einen Zettel heraus. Sie schreibt eine Adresse und eine Uhrzeit auf den Zettel und drückt ihn Sam in die Hand. Dann geben die beiden endlich den Weg frei. Sie gehen eilends die Hauptstrasse hinunter und Sam registriert, dass sie in dieselbe Gasse einbiegen wie die Frau vorhin. Sam betrachtet den Zettel in seiner Hand und steckt ihn schliesslich in seine Manteltasche. ‚Télésiége‘ hört er jemanden neben sich sagen und richtet seine Augen auf den stillstehenden Sessellift. Die Sessel hängen jetzt wieder starr an ihren Stangen und bewegen sich nur bei plötzlichen Windstössen kaum merklich. Von den Arbeitern ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Sam sieht ihr Werkzeug, darunter die Schaufeln und Spaten, kreuz und quer auf der Erde liegen und kann plötzlich nicht mehr an sich halten. Er überquert die Strasse und hebt eine der Schaufeln auf. Er begutachtet das metallene Schaufelblatt und den starken glatten Stiel. Ausgezeichnet gearbeitet, denkt er sich und sieht einen unversehrten Fleck Erde neben einer der Liftstützen. Mit geübtem Griff nimmt er die Schaufel und sticht sie probeweise neben der Liftstütze ins Erdreich. Körperliche Arbeit im Freien ist ihm lieber als alles andere. Er muss daran denken, wie lange er seiner Arbeit beim Stadtgartenamt nachgetrauert hat und sticht die Schaufel wieder und wieder so tief wie möglich ins Erdreich. Im Grunde ist alles Paulas Schuld, denkt er sich und schleudert die Erde auf den Hügel daneben. Eine Schaufel Erde nach der anderen befördert er nach oben, während er sich Paula und ihren Vater, den gestrengen Herrn Bürgermeister, in Erinnerung ruft. Herumtreiber, dahergelaufener Habenichts, andere Namen hat Paulas Vater für Sam nicht gehabt. Sam hat seine Stimme noch deutlich im Ohr. Und er muss daran denken, wie rücksichtslos Paula ihm in den Rücken gefallen ist. Zwar hat sie ihn, Sam, gegen den Willen ihrer Familie geheiratet, das ist schon wahr. Aber dann hat sie sich in allem auf die Seite ihrer Familie geschlagen und Sams Wünsche und Vorstellungen mit einer Handbewegung zur Seite geschoben. Während Sam an seine Zeit mit Paula und Paulas Familie denken muss, merkt er gar nicht, dass er allmählich in Schweiss gerät. Er ist an harte körperliche Arbeit nicht mehr gewöhnt, das ist eine Tatsache. Trotzdem steigert er sein Arbeitstempo noch ein wenig. Ein Loch von, sagen wir, einen Meter Tiefe zu graben, ist harte Arbeit, Sam weiss da aufs genaueste Bescheid. Immer wieder sticht er die Schaufel in die harte Erde, lockert sie mit einer gekonnten Bewegung und schleudet sie auf den Erdhügel daneben. Er versucht, weitere Gedanken an Paula und ihre Familie aus seinem Kopf zu vertreiben, aber das gelingt ihm nicht. Paulas Familie hat über seine Arbeit beim Stadtgartenamt die Nase gerümpft und ihm unverblümt zu verstehen gegeben, dass er keinesfalls weiter dort bleiben kann. Laub rechen und verblühte Blumen aus den Parkanlagen entfernen mag deinem Sam ja den allergrössten Spass bereiten, hat Paulas Vater zu ihr gesagt und ihn mit hochgezogenen Brauen gemustert, kommt aber leider nicht in Frage für den Schwiegersohn des Bürgermeisters. Anfangs hat sich Sam auf das heftigste gesträubt und seine Arbeit keinesfalls aufgeben wollen. Er hat auf Paulas Unterstützung gehofft, aber sie hat sich selbstredend sogleich auf die Seite ihres Vaters geschlagen. Papa besorgt dir einen Posten beim Magistrat, hat sie gesagt und ihm vorgerechnet, dass er so und soviel mehr verdienen wird. Schliesslich hat Sam klein beigegeben, hat einen von Paulas Vater eigens für ihn geschaffenen Posten beim Magistrat angenommen und die Schreibtischarbeit vom ersten Moment an gehasst. Anfangs hat er seine Arbeitsstunden resigniert abgesessen und sich dabei zu Tode gelangweilt. Dann hat er sich immer öfter fortgeschlichen. Über die Hintertreppe ist er aus dem Haus gelangt und stundenlang durch die Stadt gestreunt. Bei Kälte oder Regen hat er sich in billigen Lokalen aufgehalten und alle Illustrierten von Anfang bis Ende durchgelesen. Anfangs hat er sich Kaffee oder Tee dazu bestellt, dann, allmählich, ist er zu Schnaps und Wodka übergegangen. Kurz vor Dienstschluss hat er sich dann wieder an seinem Arbeitsplatz eingefunden. Seine Eskapaden sind unentdeckt geblieben, da ist sich Sam ziemlich sicher. Hätte noch ewig so weitergehen können, denkt er sich und lässt die Schaufel sinken. Dann richtet sich auf und lehnt sie vorsichtig an die Liftstütze. Er geht ein paar Schritte auf und ab und wischt sich den Schweiss von der Stirn. Jetzt kann er sich guten Gewissens eine kleine Pause gönnen. Das von ihm gegrabene Loch hat bereits eine respektable Tiefe erreicht und Sam stellt sich die Verwirrung der Arbeiter vor. Sie werden nicht wissen, was es damit auf sich hat, denkt er sich und lässt seine Blicke schweifen. Als ihm eine Pflanze mit kleinen weissgelben Blüten ins Auge fällt, bückt er sich und reisst ein paar Blütenköpfe von den Stengeln. Sogleich steigt ihm der allervertrauteste Geruch in die Nase. Er sieht Paula vor sich, wie sie in der Küche steht und einen ihrer Kräutertees trinkt. Er hält sich die Hand mit den Blüten ganz nah vors Gesicht, schliesst die Augen dabei und ermannt sich erst nach einer Weile. Dann macht er ein paar Schritte nach vorne und steht nun ganz am Rand des von ihm gegrabenen Lochs. Er öffnet langsam die Hand, lässt die Blüten in die Grube fallen und folgt ihren langsam kreiselnden Bewegungen in die Tiefe mit den Augen. Schliesslich kommt eine nach der anderen auf der dunklen Erde zu liegen und zusammen bilden sie das komplizerteste Muster, das man sich denken kann. Eine Schrift, die keiner lesen kann, denkt sich Sam und kann seine Augen lange nicht abwenden. Schliesslich schüttelt er resigniert den Kopf und bückt sich nach der Schaufel. Er legt sie zu den anderen Werkzeugen und fährt sich ordnend durch seine Haare. Dann wendet er seinen Blick zur Hauptstrasse, sieht, dass jetzt nicht mehr so viele Leute unterwegs sind und auch das Cafe mittlerweile geschlossen hat. Als er aber einen Blick auf seine Armbanduhr wirft, wundert er sich, wie wenig Zeit vergangen ist. Er setzt sich langsam in Bewegung und geht die Lifttrasse entlang. Manchmal hebt er den Kopf und betrachtet die Sesselreihen über sich. Sie hängen starr an ihren Stangen und bewegen sich nur bei plötzlichen Windstössen ein klein wenig. Die Lifttrasse selbst ist von Unkraut überwuchert und es riecht intensiv nach den verschiedensten Pflanzen. Mitunter stehen sie so dicht, dass er sich nur mit Mühe einen Weg bahnen kann. Die Pflanze mit den kleinen weissgelben Blüten reicht Sam an manchen Stellen beinahe bis zur Hüfte. Kamille, denkt er sich und erneut fällt ihm Paula ein. Er streckt die Hand aus, reisst die Blütenköpfe von den Stengeln und zerquetscht die Blüten zwischen den Fingern. Der intensive Geruch steigt ihm direkt in die Nase und er geht eine ganze Weile gedankenverloren dahin. Er achtet nicht auf den Weg und gerät unversehens ins freie Gelände. Als er endlich stehenbleibt und um sich schaut, liegt die Lifttrasse schon weit hinter ihm. Erneut sieht er auf seine Armbanduhr und sagt sich, dass es jetzt an der Zeit wäre, umzukehren. Bis jetzt hat er immer darauf geachtet, noch vor Einbruch der Dunkelheit in seiner Wohnung zu sein. Sich die Nächte im Freien um die Ohren zu schlagen, davon hat er fürs erste genug. Auf seiner Reise hierher ist es mehr als einmal dazu gekommen, dass er kein Quartier für die Nacht gehabt hat. Er ist bis in die Morgenstunden durch die Strassen geirrt und hat sich nichts mehr gewünscht als einen Platz, den ihm keiner streitig machen kann. So gesehen, ist es wirklich der allerglücklichste Zufall gewesen, dass ihm sein Quartiergeber über den Weg gelaufen ist. Sam weiss es wirklich zu schätzen, dass er jetzt ein Dach über dem Kopf hat. Heute allerdings möchte er den Zeitpunkt, an dem er in seine Wohnung zurückkehrt, noch ein wenig hinausschieben. Er betrachtet den grasbewachsenen Hügel, der sich gerade vor ihm erhebt und folgt dem bequemen, in Serpentinen angelegten Pfad mit den Augen. Dann sieht nochmals auf seine Uhr und rechnet aus, dass es frühestens in einer Stunde dunkel werden wird. Wenn er sich beeilt, kann er den Hügel ohne weiteres besteigen und trotzdem zeitgerecht in seiner Wohnung sein. Er schüttelt den Kopf und muss sich ein wenig über sich selbst wundern. Bis jetzt hat er noch kein einziges Mal den Wunsch gehabt, sich mit der Umgebung des Ortes vertraut zu machen. Nicht im entferntesten ist er auf den Gedanken gekommen, auf einen der umliegenden Hügel zu steigen. Obwohl sie natürlich beliebte Ziele für alle Wanderer und Spaziergänger sind. Von morgens bis abends sieht man Leute den in Serpentinen angelegten Weg hinauf- und wieder heruntersteigen, das ist ein Anblick, an den sich auch Sam inzwischen gewöhnt hat. Sam folgt dem Weg ein letztes Mal mit den Augen, dann setzt er sich kurz entschlossen in Bewegung. Er steigt Kehre um Kehre hinauf und erreicht rasch eine beträchtliche Höhe. Erst als er gänzlich ausser Atem ist, erlaubt er sich die erste Pause und lässt seine Blicke schweifen. Sogleich fällt ihm die Station der Gondelbahn ins Auge und er sieht, wie eine Gondel gerade die Station verlässt. Sie sinkt rasch in die Tiefe und ist nach kurzer Zeit schon nicht mehr zu sehen. Sam holt tief Atem, erneuert seinen Vorsatz, demnächst selbst hinunter ins Tal zu fahren und nimmt das letzte Wegstück in Angriff. Je höher er kommt, desto kälter wird es. Der Wind weht und es fröstelt ihn, sodass er seine Jacke bis obenhin zuknöpft. Er versucht, die Jackenärmel über seine Hände zu ziehen, beschleunigt seine Schritte und als nur mehr eine Kehre vor ihm liegt, beschleunigt er seine Schritte. Dann tut sich mit einem Mal eine weite, grasbewachsene Fläche vor ihm auf und Sam registriert erleichtert, dass die Aussicht nach Norden begrenzt ist. Der Blick fällt nur auf die nächsten noch etwas höheren Hügel. Das ist gänzlich harmlos und erschreckt Sam nicht im mindesten. Was den Blick nach Süden betrifft, ist allerdings höchste Vorsicht geboten. Sam hat den Verdacht, dass sich nach Süden die gewaltigste Aussicht auftut, die man sich denken kann, dreht vorsichtig den Kopf und muss sogleich die Augen schliessen. In der Folge achtet Sam sorgsam darauf, der spektakulären Aussicht den Rücken zuzukehren und macht sich daran, die ebene Rasenfläche zu überqueren. Aber er entdeckt sogleich, dass sie bei näherem Hinsehen alles andere als eben ist. Sie weist viele grasbewachsene Mulden auf und dann muss Sam zweimal hinsehen und traut seinen Augen doch noch nicht. In einigen der Mulden liegen Männer, sie liegen sehr starr und langgestreckt da und halten ihre Augen nach oben gerichtet. Sam macht Halt und betrachtet den Mann in der Mulde vor ihm. Der nimmt seinerseits nicht die geringste Notiz von Sam, folgt mit seinen Augen den ziehenden Wolken und liegt gänzlich ruhig da. Als ein plötzlicher Windstoss Sam durch Mark und Bein fährt, verkriecht er sich tiefer in seine Jacke, fröstelt aber trotzdem. In den Mulden ist man zumindest notdürftig vorm Wind geschützt, denkt er sich und lässt seine Blicke schweifen. Schliesslich kauert er sich an den Rand der Mulde und versucht den Mann darin in ein Gespräch zu ziehen. Aber der Mann hält seine Augen immer nur auf die Wolken gerichtet und nimmt nicht die geringste Notiz von Sam. Sam zermartert sich das Hirn nach einem passenden Wort in der hiesigen Sprache, aber es fällt ihm partout keines ein. Schliesslich fragt er den Mann in seiner eigenen Sprache, ob er vorhat, hier heroben die Nacht zu verbringen und erhält selbstredend keine Antwort. Er wiederholt seine Frage mehrmals und neigt sich gefährlich weit vor. „Demnächst wird es dunkel“ sagt er in seiner Sprache, „Sie frieren sich hier oben doch zu Tode“, setzt er hinzu und balanciert am äussersten Rand der Grasmulde und ist nahe daran, das Gleichgewicht zu verlieren. Erschrocken zieht er sich ein wenig zurück, versucht dann aber erneut, dem Mann eine Reaktion zu entlocken. Dazu geht er in die Knie, stützt sich mit den Händen ab und beugt sich so weit wie möglich vor. Das gibt ihm die Möglichkeit, den Mann aus nächster Nähe zu betrachten. Erneut fragt er ihn, wie lange er noch hierbleiben will. „Sie verstehen mich doch“, sagt er mit lauterer Stimme als gewöhnlich, „wieso antworten Sie mir nicht, ich frage Sie, ob Sie die Nacht über hierbleiben wollen?“ Daraufhin macht der bis dahin reglos daliegende Mann eine kleine Bewegung mit seiner rechten Hand. Sam kann sie nicht deuten, ‚Was meinen Sie‘ fragt er und beugt sich erneut gefährlich weit vor, ‚Reden Sie mit mir, vielleicht verstehe ich Sie‘. Aber der Mann bleibt weiterhin stumm, hält seine Augen nach oben gerichtet und wiederholt bloss die Handbewegung. ‚Sie möchten, dass ich weggehe‘, sagt Sam schliesslich versuchsweise und da senkt der Mann in der Mulde für einen Moment seine Lider. Dann richtet er seine Augen wieder auf die rasch vorüberziehenden Wolken. Sam wartet noch ein wenig und als der Mann keine weitere Regung zeigt, zuckt er resigniert die Achseln. Er kommt, ein wenig schwankend, wieder auf die Beine, putzt die Grashalme von seinen Hosenbeinen und steht noch eine Weile unschlüssig da. „Na schön“, sagt er schliesslich und wirft dem Mann einen letzten neugierigen Blick zu, „dann gehe ich eben‚ ganz wie Sie wollen, ich dränge mich nirgendwo auf“. Er wendet sich ab und geht quer über die Grasfläche auf den abwärts führenden Pfad zu. Dabei hält er seinen Kopf nach Möglichkeit gesenkt, damit ihm das atemberaubende Panorama, das sich nach Süden hin öffnet, nicht allzusehr ins Auge fällt. Als er schliesslich den abwärts führenden Pfad erreicht, wendet er sich ein letztes Mal um. Er betrachtet ein letztes Mal die Grasfläche, die von hier aus vollkommen eben und gänzlich verlassen aussieht und macht sich dann an den Abstieg. Der aber erweist sich als schwieriger als erwartet. Weil es schon ziemlich dunkel ist, stolpert Sam mehrfach und kann sich gerade noch an Gestrüpp oder verkrüppelten Bäumen am Wegrand festklammern. Einmal strauchelt er, findet nirgendwo Halt und wäre beinahe kopfüber den Berghang hinuntergestürzt. Er zwingt sich zu einem langsameren Tempo, ist aber, als er endlich unten angelangt ist, schweissgebadet und völlig erschöpft. Im gleissenden Licht der grossen Bogenlampen sieht er, dass sich Zweige, Gräser und verdorrte Blätter an seine Kleider geheftet haben und er über die Maßen unordentlich aussieht. Nicht auszudenken, wenn ich in diesem Zustand die grellerleuchtete Halle betrete und an den Rezeptionisten vorbeigehe, denkt er sich und stellt sich direkt unter die nächstgelegene Bogenlampe. Im grellen Licht lässt sich auch noch der kleinste Grashalm auf seiner Hose oder seinen Schuhen erkennen, sodass Sam alles aufs sorgsamste entfernen kann. Zu guter Letzt fährt er sich ordnend durch die Haare, dann schlägt er den Weg zu seinem Wohnhaus ein. In der Dunkelheit erkennt er schon von weitem die grossen gläsernen Eingangstüren und die hellerleuchtete Halle dahinter. Als er näherkommt, sieht er die Rezeptionisten unbeschäftigt herumlungern und muss sich einen kleinen Ruck geben, bevor er die Halle betritt. Er durchquert sie eilends und hält dabei den Kopf gesenkt. Während er geradewegs auf die Lifte zugeht, spürt er die Blicke der Rezeptionisten auf das unangenehmste in seinem Rücken. Während er auf den Lift wartet, den er aus dem obersten Stockwerk nach unten holen muss, hört er ihre leisen Stimmen und einmal lachen alle zugleich. Er zieht den Kopf tiefer zwischen die Schultern und atmet erleichtert auf, als sich die Lifttüren endlich hinter ihm schliessen. Er fährt ohne Unterbrechung nach oben, betritt seine Wohnung, macht alle Lichter an und bemerkt auf einmal, wie hungrig er ist. Sogleich holt er alles Essbare aus dem Kühlschrank und und legt es auf ein Tablett, das er ins Wohnzimmer trägt. Dann lässt er sich mit einem Aufseufzen in die weiche Couch sinken. Er schaltet das Fernsehgerät ein, beginnt zu essen und hält dabei seine Augen immer auf den Bildschirm geheftet. Er schaut gebannt auf Gesichter der Nachrichtensprecher, die ihm mittlerweile alle vertraut sind. Obwohl er kein Wort versteht, hört er ihnen genau zu, während er sein Tablett leerisst. Dann, während der Werbeeinschaltungen, muss er an Paula denken, denn er sieht modisch gekleidete Leute in einer modischen Küche. Was liegt da näher, als an Paula und ihre arrogante Freunde zu denken, die ihn nie akzeptiert haben. Des öfteren haben sie Paula in seiner Gegenwart gefragt, wie lange sie ihr Eheexperiment denn noch fortsetzen will und sich über ihn lustig gemacht. Abend für Abend hat er mit Paula und ihren Freuden durch die Stadt ziehen müssen, von einem Lokal ins nächste und sich dabei über die Maßen gelangweilt. Sooft er aber einen gemütlichen Fernsehabend zu Haus vorgeschlagen hat, hat Paula ihn einen Spiesser genannt. Fernsehen macht dumm, hat sie gesagt und seine Einwände, dass es ihm keinen Spass macht, Nacht für Nacht diselben Lokale zu besuchen, mit einer Handbewegung beiseite geschoben. Sie hat ihn einen Spielverderber geheissen, mit dem nichts anzufangen ist und ihre Freunde haben ihr eifrig beigepflichtet. In der letzten Zeit ist sie immer öfter alleine losgezogen und mehr als einmal völlig betrunken nach Hause gekommen. Sie hat Sam mit den absurdesten Vorwürfen konfrontiert und sich dann haltlos schluchzend im Schlafzimmer verbarrikadiert. So gesehen verlaufen seine Abende jetzt weitaus harmonischer. Meist schaltet er das Fernsehgerät erst gegen Mitternacht aus, kontrolliert dann nochmals, ob die Tür auch sicher versperrt ist und geht dann zu Bett. Natürlich weiss er, dass jetzt noch mehrere schlaflose Stunden vor ihm liegen, aber da er sich mittlerweile daran gewöhnt hat, macht ihm das nicht allzu viel aus. Die Hauptsache ist, dass er still liegenbleibt, lang ausgestreckt auf dem Rücken und die Augen nicht krampfhaft geschlossen hält. Oft richtet er sich gegen die dunkle Decke, regt sich möglichst wenig in dem durchgelegenen Bett und lässt seine Gedanken nach Belieben schweifen. Die Matraze weist eine tiefe Mulde auf, die Sam dazu zwingt, ganz gerade zu liegen. Er lässt die vergangenen Wochen und Monate Revue passieren und kommt dabei vom Hundertsten ins Tausendste. Natürlich spart er dabei auch den Überfall nicht aus. Manchmal hebt er im Dunkeln den Arm und betastet die Schwellung auf seiner Stirn. Nach wie vor ist er der Meinung, dass er einer Verwechslung zum Opfer gefallen ist und sagt sich, dass alles bloss eine Verkettung unglücklicher Umstände war. Begonnen hat der Tag wie jeder andere, Sam hat sich wie gewohnt in den Vormittagsstunden aus seinem Büro geschlichen und ist über die Hintertreppe ungesehen aus dem Haus gelangt. Er hat sich, weil das Wetter leidlich war, eine ganze Weile im nahegelegenen Park aufgehalten und seine ehemaligen Kollegen vom Stadtgartenamt aus der Ferne beobachtet. Natürlich hätte er sich gerne zu ihnen gesellt und mit ihnen ein wenig über die alten Zeiten geplaudert, gleichzeitig aber gewusst, dass er gut daran tut, sich von ihnen fernzuhalten. Anfangs hat er sich ihnen ganz unbefangen genähert, hat er sie in einem der städtischen Parks arbeiten sehen, ist er zu ihnen gegangen, hat ihnen Zigaretten angeboten und den alten vertraulichen Ton von früher angeschlagen. Dass seine Kollegen ihn auf Abstand gehalten haben, hat Sam anfangs gar nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Immer wieder hat er sich ihnen genähert, aber sie haben jedesmal dringende Arbeiten vorgeschützt und Sam nach ein paar flüchtigen Worten den Rücken gekehrt. Und dann hat ihn eines Tages der Vorarbeiter beiseite genommen, hat seinen Spaten geschultert und hat Sam ein paar Schritte zur Seite geführt. Er hat ihm zu verstehen gegeben, dass er mit seinem Herumlungern bloss ein schlechtes Beispiel abgibt und andere Leute von der Arbeit abhält. Sam hat gefügig genickt und sich von da an stets abseits gehalten. Aber es kann ihn keiner davon abhalten, die Arbeit seiner Kollegen zu begutachten und er begutachtet den Zustand der Blumenbeete stets fachmännisch. Das Muster, in dem je nach Jahreszeit die passenden Blumen in die Beete gesetzt werden, ist zwar vorgeschrieben, wird aber von seinen Kollegen oft nicht genau angehalten. Sam registriert kopfschüttelnd, dass es überall an Genauigkeit fehlt und würde oft gern nochmals Hand anlegen. Dass ihm dabei die Zeit wie im Flug vergeht, versteht sich. Ist das Wetter schlecht, weiss er sich anders zu helfen, denn er hat mittlerweile eine Reihe von Lokalen entdeckt, in denen er vor zufälligen Begegnungen sicher ist. Dort verschanzt er sich im Hinterzimmer und liest alle Illustrierten von der ersten bis zur letzten Seite durch. Von Zeit zu Zeit wirft er einen Blick auf seine Armbanduhr, damit er sich rechtzeitig vor Dienstschluss wieder in seinem Büro einfinden kann. Punkt fünf verlässt er das Haus erneut, diesmal über die Haupttreppe. Das ist im Grossen und Ganzen Sams Tagesablauf während des letzten ganzen Jahres gewesen. Seine Eskapaden sind unbemerkt geblieben und dass es dann zu diesem Überfall gekommen ist, sozusagen aus heiterem Himmel, ist ein Unglück gewesen. Sams Erinnerung daran ist ein wenig getrübt. Er weiss nur, dass er bereits auf dem Rückweg ins Amtsgebäude war, als sich ihm zwei Männer in den Weg gestellt haben. Weil Sam in Gedanken war, hat er erstaunt aufgeschaut und dann ausweichen wollen. Aber die Männer haben ihm den Weg erneut versperrt und Sam hat erneut einen Schritt zur Seite gemacht. Sam geht allen Konfrontationen so gut wie möglich aus dem Weg und hat versucht, an den beiden vorbeizugelangen. Sie haben ihre Mützen tief in die Stirn gezogen gehabt und ihre Gesichter verborgen gehalten und der eine, der grössere der beiden, hat seine Hand ausgestreckt und Sams Arm gepackt. ‚Name‘, hat er gefragt, und als Sam verwundert seinen Namen genannt hat, haben sie ihn in den nächsten Hauseingang gezerrt und auf das schlimmste bedrängt. Sam hat vergeblich versucht, sich zu befreien. „Loslassen sofort, “, hat er gerufen und um sich geschlagen. Aber er ist chancenlos gewesen. Die Männer haben ihn durch einen dunklen Flur gezerrt und ihn hinten, nahe der Kellerstiege, gegen die Wand gestossen. Dann hat ihn der eine der beiden, der grössere, mit der Faust ins Gesicht geschlagen und Sam hat sich gesagt, dass er vor allem Ruhe bewahren muss. „Sie verwechseln mich“ hat er gerufen und vergeblich versucht, sein Gesicht vor den Schlägen zu schützen. „Maul halten“ hat der eine, der grössere der beiden aber gesagt und Sam mehrere schmerzhafte Schläge versetzt. Ihm ist nicht viel übriggeblieben, als seine Arme schützend über den Kopf zu halten und als er schliesslich am Boden gelegen ist, haben ihm die Männer mehrere Fusstritte versetzt und „Das hätten wir“, zueinander gesagt. Sam hat es genau gehört und sie dann durch den Flur zur Haustür laufen hören. Er hat versucht, sich aufzurichten, was ihm aber nicht gelungen ist. Weil er sich dabei über die Maßen angestrengt hat, hat er das Bewusstsein verloren. Als er wieder zu sich gekommen ist, ist es bereits dunkel gewesen. Eine Weile ist er sich nicht darüber im klaren gewesen, was jetzt eigentlich passiert ist, dann hat er den Kopf gedreht und lange hinaus auf die hellerleuchtete Strasse geschaut. Jetzt kommt alles heraus, hat er sich gedacht, mittlerweile hat man sicher meine Aktentasche und meinen Mantel im Büro gefunden und sich alles zusammengereimt. Er hat den Kopf ein wenig gehoben, die hellerleuchteten Häuser gegenüber ins Auge gefasst und auf die Fenster mit den zugezogenen Vorhängen gestarrt. Das bläuliche Flimmern dahinter hat ihm gesagt, dass in allen Wohnungen bereits die Fernsehapparate laufen und es also schon spät sein muss. Schliesslich hat er sich vorsichtig aufgerichtet. Nach einigen Versuchen ist er auf die Beine gekommen, hat aber sogleich ein starkes Schwindelgefühl gespürt. Eine ganze Weile ist er an die Wand gelehnt dagestanden und hat die Augen geschlossen gehalten. Erst allmählich hat er gemerkt, dass er vollkommen durchfroren ist und mit zitternden Fingern seine Jacke bis obenhin zugeknöpft. Dabei ist er auf das Geldbündel in seiner Brusttasche gestossen. Sonderbarer Zufall, dass ich mir heute mein Gehalt habe auszahlen lassen, hat er sich gedacht und die Geldscheine betastet. Er hat sich gefragt, warum ihm die Männer das Geld nicht abgenommen haben und dafür keine rechte Erkärung gefunden. Erst allmählich ist ihm der Gedanke gekommen, dass er mit dem vielen Geld in der Tasche die verschiedensten Möglichkeiten hat. Auf Nimmerwiedersehen verschwinden und damit allen den Wind aus den Segeln nehmen, hat er sich gedacht und seinen schmerzenden Kopf betastet. Wenn ich hierbleibe, stehen mir die schlimmsten Familienszenen bevor, hat er sich gedacht und an Paulas Vater und ihre hysterische Mutter denken müssen. Er hat das Geldbündel hervorgezogen und mit unsicheren Fingern in der Innentasche seines Pullovers verstaut. Die Innentaschen in allen seinen Pullovern stammen noch aus einer Zeit, in der er und Paula ein Herz und eine Seele gewesen sind. Da haben sie noch gemeinsame Pläne geschmiedet, zum Beispiel wollten sie eines Tages der Stadt gemeinsam den Rücken kehren und kurzerhand auf- und davongehen. Ganz heimlich, hat Paula gesagt und den allergrössten Spass an diesen Plänen gehabt. Aber wir müssen genügend Geld dabeihaben, hat sie gesagt, ich habe keine Lust, von der Hand in den Mund zu leben. Sam hat zu bedenken gegeben, dass dann das Geld aber sicher verwahrt werden muss, Paula hat ihm in allem beigepflichtet und in der Folge in alle seine Pullover praktische Innentaschen genäht. Dass ich solch eine Tasche plötzlich auch alleine sehr gut brauchen kann, ist eigentlich nur logisch, hat sich Sam gedacht, die Geldscheine nochmals betastet und sie dann sicher verwahrt. Dann hat er jeden Gedanken an Paula beiseite geschoben, hat sich den dunklen Flur entlangetastet und ist einen Moment auf der Türschwelle stehengeblieben. Er hat vorsichtig aus der Tür gelugt, gesehen, dass die Luft rein war und dann den Weg zum Bahnhof eingeschlagen. Etwa auf halber Strecke hat er aber bemerkt, dass eine der Wunden auf seiner Stirn zu bluten begonnen hat. Er ist stehengeblieben und hat versucht, die Blutung mit einem Taschentuch zu stillen. Dann hat er sich an das städtische Krankenhaus nur zwei Querstrassen weiter erinnert und den Weg dorthin eingeschlagen. Dort wird man mich fachmännisch verarzten, hat er sich gedacht und manchmal, wenn ihn wieder der Schwindel übermannt hat, ist er stehengeblieben und hat gewartet, dass sein Kopf wieder klar wird. Überlegtes und folgerichtiges Handeln ist das Allerwichtigste, hat er sich gedacht, vor den grossen, gläsernen Türen des Krankenhauses zwar eine Sekunde gezögert, sich dann aber einen Ruck gegeben. Er hat die Halle betreten und die diensthabende Schwester sein Gesicht sehen lassen. Sie hat ihn gefragt, ob er unter die Räuber gefallen ist, aber Sam hat bloss die Achseln gezuckt und versucht, seinen Kopf möglichst ruhig zu halten. Die Schwester hat ihn in einen der Behandlungsräume geführt und der diensthabende Arzt hat sich sogleich an Sams Wunden zu schaffen gemacht. Sam hat die Schmerzen mannhaft ertragen und der Krankenschwester einen falschen Namen und eine falsche Adresse genannt. Den richtigen Namen anzugeben, wäre das allerfalscheste, hat er sich gedacht und den Verhaltensmassregeln des Arztes ungeduldig zugehört. Dann hat er sich wieder auf den Weg zum Bahnhof gemacht, sorgsam einen Fuss vor den anderen gesetzt und öfters eine Ruhepause einlegen müssen. Sehnsüchtig hat er den Taxis hinterhergesehen und war mehrmals nahe daran, eines herbeizuwinken. Aber das wäre das Allerfalscheste gewesen, davon ist Sam noch heute überzeugt. Der Taxifahrer hätte sich auf jeden Fall an ihn erinnert und so eventuelle Nachforschungen erleichtert. So muss sich seine Spur schon bald verloren haben, Sam ist diesbezüglich ganz sicher. Alles in allem hat er überlegt und vollkommen richtig gehandelt. Das sagt er sich jedesmal, auch wenn Paula sich in seine Gedanken drängt. Der Zeitpunkt, ihr eine Nachricht zu schicken, ist noch nicht gekommen, da ist sich Sam völlig sicher. Erst muss Gras über die Sache wachsen, denkt er sich und muss sich immer wieder ein wenig über sich selbst wundern. In allem und jedem legt er grosse Umsicht an den Tag, der Unterschied zu früher könnte grösser nicht sein. Da sind ihm in einem fort die dümmsten Fehler passiert. Oft hat er Paula vorgeschlagen, dass sie doch gemeinsam eine Wohnung nehmen könnten, nur sie beide. Aber davon hat sie nichts hören wollen. Ist hier doch viel schöner, hat sie gesagt und auf die weite Rasenfläche vor der gepflegten Villa gewiesen. Zu Sams Aufgaben hat es gehört, den Rasen zu mähen und den Garten zu pflegen. Damit du dich nicht allzu sehr nach deiner Arbeit beim Stadtgartenamt sehnen musst, hat Paulas Vater gesagt und Sam einen verächtlichen Blick zugeworfen. Es versteht sich, dass Sam sich in der Folge mit dem Rasen und den Blumenrabatten nur wenig Mühe gegeben hat und es zu endlosen Streitigkeiten mit Paulas Eltern gekommen ist. Sam hätte viel dafür gegeben, mit Paula allein wohnen zu können. Etwa in einer Wohnung wie dieser hier, denkt er sich manchmal, wenn er im Dunklen liegt und mit weit geöffneten Augen zur Decke starrt. Wenn er so im Dunkeln liegt und darauf wartet, dass der Schlaf kommt, gerät er mit seinen Gedanken naturgemäss vom Hundertsten ins Tausendste. Er sagt sich, dass bis jetzt alles wunderbar geklappt hat und er wie ferngesteuert, immer nur das absolut Richtige getan hat. Dabei hat er anfangs gar nicht gewusst, wohin er sich wenden soll. Er ist in der grellerleuchteten Bahnhofshalle gestanden und hat sich nicht entscheiden können. Geradewegs in die Hauptstadt oder auf Umwegen zur Grenze, hat er sich gefragt und gemerkt, dass alle Leute ihn anstarren. Er wäre beinahe in Panik geraten, hat sich dann aber gesagt, dass er durch die Verbände um seinen Kopf vollkommen unkenntlich ist. Einmal hat er sich im Waschraum im Spiegel besehen und ist vor seinem mumienartigen Anblick selbst ein wenig erschrocken. Aber dann hat er sich gesagt, dass er so seine Pläne ungehindert verfolgen kann und sich eine Fahrkarte in die Hauptstadt gekauft. Er hat auf eine ungestörte Fahrt gehofft, aber der Schaffner hat ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er war äusserst redselig, ist immer wieder in Sams Abteil gekommen und hat sich besorgt nach seinem Befinden erkundigt. Wissen Sie, wie Sie aussehen, hat er gefragt, sich vorgebeugt und Sam auf das Allerneugierigste betrachtet. Sie sehen aus, als ob Sie unter die Räuber gefallen wären. Sam hat die Achseln gezuckt und beteuert, dass es ihm blendend geht. Aber der Schaffner war nicht so ohne weiteres abzuschütteln und ist immer wieder in Sams Abteil gekommen. Er hat Sam teilnehmend betrachtet und in einem fort von Überfällen, Wirtshausschlägereien und Unfällen geredet. Sam hat sich schliesslich gesagt, dass Vorsicht am Platz ist und nur einsilbig geantwortet. Wir haben uns schon zu lange miteinander unterhalten, hat er sich gedacht, auf Nachfragen wird er sich später an mich erinnern, wird erzählen, dass ich eine Fahrtkarte bis in die Hauptstadt gehabt habe und mit nichts hinter dem Berg halten. Um weiteren Gesprächen mit dem Schaffner zu entgehen, hat er sich in die Ecke gedrückt und sich schlafend gestellt. Als der Schaffner erneut sein Abteil betreten hat, hat er die Augen fest geschlossen gehalten. Er hat gemerkt, dass sich der Schaffner über ihn gebeugt und ihn aus nächster Nähe betrachtet hat, Paulas Familie wird nichts unversucht lassen, um mich wieder aufzustöbern, hat Sam sich gedacht, sie werden das Land in alle Richtungen durchkämmen und jeden Hinweis nutzen. Jetzt schläft er, hat er den Schaffner enttäuscht sagen hören und absichtlich tief und langsam geatmet. Dann hat sich die Abteiltür hinter dem Schaffner geschlossen und Sam hat erleichtert die Augen geöffnet. In der Folge ist er daran gegangen, seine Spuren systematisch zu verwischen. Er ist an der nächsten Station ausgestiegen, hat darauf geachtet, dass ihn keiner sieht und das Stationsgebäude gar nicht erst betreten. Er hat sich gleich auf den Weg gemacht, ist lange auf einer schmalen, wenig befahrenen Landstrasse dahingegangen und hat sich keine Pause gegönnt. Erst als die Sonne über dem nächstgelegenen Waldstück aufgegangen ist, hat er sich nach einem Unterschlupf umgesehen. Besser, sich tagsüber nicht sehen zu lassen, hat er sich gedacht und die Tür eines leerstehenden Schuppens aufgebrochen. Er hat sich auf die durchgelegene Matraze gleich neben der Tür fallen lassen und ist sogleich vom Schlaf übermannt worden. Erst als er gegen Abend Hunger verspürt hat, hat er sich wieder auf den Weg gemacht. Um die Dörfer, die auf seinem Weg gelegen sind, hat er einen weiten Bogen gemacht und sich von Beeren und Pilzen ernährt. Auf wenig befahrenen Landstrassen hat er sich der Landesgrenze genähert und ist, alles in allem, ausgezeichnet vorangekommen. Die Grenze selbst hat er mit dem Zug passiert und ist unbehelligt hinübergelangt. Dann hat er sich in der nächstgelegenen Stadt ein paar Tage Ruhe gegönnt. Er hat sich in einem billigen Hotel einquartiert, aber die Wirtin ist ihm des öfteren mit ihrem Mitgefühl lästig gefallen. Sie hat neugierige Blicke auf seinen verbundenen Kopf geworfen und Genaueres wissen wollen. Wie ist denn das passiert, hat sie gefragt und sich neugierig vorgebeugt, Sie sind in eine Schlägerei geraten, stimmts? Sozusagen, hat Sam gesagt und die Neugier der Wirtin mit einer haarsträubenden Geschichte zufriedengestellt. Er hat sich gesagt, dass allergrösste Vorsicht am Platz ist und das Hotel schon am nächsten Tag wieder verlassen. Weil es in der Grenzstadt viele Hotels und Gasthöfe gegeben hat, ist er in der Folge von einem billigen Gasthof in den anderen gezogen. Schon bald hat er die Verbände von seinem Kopf nehmen können. Alles war soweit tadellos verheilt, nur eine Schwellung über dem rechten Auge, gelegentliche Sehstörungen und Kopfschmerzen haben ihn noch ein wenig beinträchtigt. Er hat beschlossen, noch ein paar Tage in der Grenzstadt zu bleiben und es sich für eine Weile gut gehen lassen. Dann aber, eines Tages, hat er sein restliches Geld gezählt und sich zu einem rigorosen Sparkurs entschlossen. Er hat sich gesagt, dass er nicht länger in Hotels und Gasthöfen wohnen kann und in der Folge nur mehr die allerbilligsten Absteigen am Stadtrand aufgesucht. Zuguterletzt hat die Nächte sogar manchmal unter freiem Himmel verbracht. Es ist zu ein paar unangenehmen Begegnungen mit Dieben und herumziehenden Räuberbanden gekommen und Sam hat sich gesagt, dass er sich keinesfalls mutwillig in Gefahr bringen darf. In der Folge hat die Suche nach einer sicheren, aber möglichst kostenlosen Unterkunft für die Nacht viel von Sams Zeit beansprucht. Des öfteren ist er in einem abgelegenen Schuppen oder einem ausrangierten Eisenbahnwaggon untergekommen und hat sich nur einen leichten und oberflächlichen Schlaf erlaubt. Oft ist er mit weit offenen Augen lang ausgestreckt im Dunkeln gelegen, hat seine Ohren geschärft und auf jedes Geräusch geachtet. Jetzt, in der Wohnung seines Quartiergebers, verlaufen seine Nächte oftmals ähnlich, obwohl von Gefahr hier wohl keine Rede sein kann. Dringt aber das geringste Geräusch an sein Ohr, erwacht er sogleich, liegt in der Folge hellwach da und starrt mit weit offenen Auge gegen die Decke. Manchmal nickt er erst ein, wenn er hinter den Vorhängen einen hellen Schimmer wahrnimmt. Nun sind die Wände in diesem Haus aber papierdünn und sobald die Leute in den anderen Wohnungen aufstehen, ist es mit Sams Nachtruhe schon wieder zu Ende. Manchmal fürchtet Sam, dass sich das Schlafdefizit der vergangenen Wochen bereits negativ auswirkt. Er reagiert gereizt auf alles und jedes und begreift manchmal nicht, was um ihn herum eigentlich vorgeht. Am deutlichsten zeigt sich das an der Sache mit seinem Quartiergeber. Was ihn dazu bewogen hat, Sam diese Wohnung hier heroben zu überlassen, weiss er bis heute nicht. Und dass er sein Kommen für die nächsten Tage angekündigt hat und bis jetzt nicht erschienen ist, kann Sam sich auch nicht erklären. Er hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er demnächst Nachschau halten wird und Sam aufgefordert, stets alles in bester Ordnung zu halten. Aber seither sind Wochen vergangen. Sein Quartiergeber hat sich noch kein einziges Mal sehen lassen und mittlerweile fragt sich Sam des öfteren, ob er überhaupt noch kommen wird. Hat eben auf den ersten Blick gesehen, dass ich der Richtige für diese Wohnung bin, denkt Sam und versucht, in dem durchgelegenen Bett eine etwas bequemere Lage zu finden. Er dreht den Kopf und sieht, dass sich an den Fenstern bereits ein grauer Streifen zeigt und sagt sich, dass diese Nacht doch überraschend schnell vorbeigegangen ist. Zu guter Letzt schläft er doch noch ein und träumt von Paula, wie sie heulend im Wohnzimmer steht und den stummen Telefonhörer in der Hand hält. Er hört den Lärm aus den darunterliegenden Wohnungen, zieht sich die Decke über den Kopf und versucht, noch ein wenig Ruhe zu finden. Aber das gelingt nicht so ohne weiteres und schliesslich dreht er den Kopf zum Fenster und sieht den fahlen Lichtstreifen seitwärts an den Vorhängen. Er zwingt sich, noch eine Weile ganz still im Bett liegenzubleiben. Aber dann steht er auf und erledigt rasch alles, was in der Wohnung zu tun ist. Er bemüht sich um grösstmögliche Eile, erlaubt er sich aber trotzdem keine Nachlässigkeiten und hinterlässt alles in tadelloser Ordnung. Bevor er die Wohnung endgültig verlässt, wirft er noch einen letzten prüfenden Blick auf den sauberen Boden und die blankgeputzte Küche. Er sagt sich, dass sein Quartiergeber jederzeit kommen kann und alles in bester Ordnung vorfinden und sehen wird, dass er mit mir die beste Wahl getroffen hat. Sam wendet sich endgültig zur Tür und als sein Blick auf einen Zettel neben dem Telefon fällt, weiss er einen Moment lang nicht, was es damit auf sich hat. Er nimmt ihn zögernd zur Hand und betrachtet stirnrunzelnd die ungelenke Schrift. Erst nach einer Weile fällt ihm das ältere Ehepaar von gestern ein, die ihm vor dem Kaffeehaus den Zettel zugesteckt hat. Haben mich zu sich eingeladen, denkt er und liest Uhrzeit und Wegbeschreibung. Dann knüllt den Zettel zusammen und wirft ihn in den Papierkorb. Er sagt sich, dass ein Besuch bei fremden Leuten vielleicht ganz interessant gewesen wäre, ihm aber seine Vorsätze nichts dergleichen erlauben. Er lässt die Wohnungstür hinter sich ins Schloss fallen und holt tief Atem. Die Luft in den langen Gängen ist nicht die allerbeste, aber sie ist doch etwas weniger verbraucht als die in Sams Wohnung. Er drückt auf den Liftknopf und während er wartet, tritt er ungeduldig von einem Fuss auf den anderen, weil er es eilig hat, ins Freie zu kommen. Aber die Fahrt hinunter ist wiederum das reinste Spiessrutenlaufen, der Aufzug hält in jedem einzelnen Stockwerk und jedesmal drängen Familien mit zahlreichen Gepäckstücken herein. Sam denkt sich, dass das Haus über kurz oder lang gähnend leer sein wird und er dann womöglich der einzige Bewohner sein wird. Als der Aufzug endlich unten angelangt ist, drängt Sam sich auf das unhöflichste an den anderen vorbei und durchquert eilends die Halle. Von den Rezeptionisten hat er heute nichts zu befürchten, sie sind von Abreisenden umlagert und bemerken ihn nicht einmal. Vor dem Haus streiten sich die Familienväter um die wenigen Transportkarren. Einige sind sich schon aufs schlimmste in die Haare geraten und Sam bleibt einen Moment stehen und sieht ihnen amüsiert zu. Erst nach einer Weile merkt er, dass es heute deutlicher kühler ist als an den vorangegangenen Tagen. Das auch noch, denkt er sich und knöpft seine Jacke bis obenhin zu. Er überlegt einen Augenblick, wohin er sich wenden soll und schlägt dann den Weg zu den Parkplätzen ein. Ihn fröstelt und er muss sich sagen, dass seine Kleidung für kältere Temperaturen nicht geeignet ist. Er geht schneller, zieht den Kopf zwischen die Schultern und steckt seine Hände in die Jackentaschen. Als er die Parkplätze erreicht, bleibt er einen Augenblick stehen und sieht, dass sie mittlerweile beinahe gänzlich leer sind. Zum ersten Mal registriert Sam, wie gross die asphaltierte Fläche eigentlich ist. Beinahe so gross wie die Ansiedlung selbst, denkt er sich, wendet sich um und betrachtet die vielen hochaufragenden Häuser. Eines hässlicher als das andere, denkt er sich und stellt sich vor, was Paula wohl dazu sagen würde. Gewiss würde sie die Nase rümpfen und mich fragen, ob ich nichts Besseres finden kann. Er setzt sich wieder in Bewegung und als er die Einfahrt zum Feuerwehrdepot erreicht, sieht er das Tor weit offen stehen. Er kann seine Neugier nicht bezähmen, nähert sich schrittweise und beobachtet die Feuerwehrmänner in ihren grauen, ölverschmierten Overalls. Selbstvergessen sieht er ihnen eine ganze Weile zu, sieht sie mit ihren Spritzen und Schläuchen hantieren und hört ihre kurzen, ihm unverständlichen Kommandos. Er kann seine Augen lange nicht abwenden und denkt daran, ihnen seine Hilfe anzutragen. Dabei nähert er sich dem grossen Tor Schritt für Schritt. Er spricht sich Mut zu und sagt sich, dass er seine Eignung für alle niedrigen Hilfsdienste schon mehrfach bewiesen hat. Schliesslich hat er seine Arbeit beim Stadtgartenamt zur vollen Zufriedenheit seiner Vorgesetzten ausgeführt, das ist eine Tatsache. Dass das Dienstverhältnis dann ein abruptes Ende genommen hat, muss ja keiner wissen, denkt er sich. Dass Paulas Vater mich in die Stadtverwaltung gehievt hat, steht auf einem anderen Blatt, denkt er sich, macht noch ein paar zögernde Schritte und bleibt knapp vorm Eingang zum Feuerwehrdepot stehen. Als einer der Feuerwehrmänner auf ihn aufmerksam wird und ihm freundlich zunickt, wendet er sich aber sogleich wieder ab. Sein Mut verlässt ihn und er sagt sich, dass das mit den freiwilligen Hilfsdiensten vielleicht doch keine so gute Idee ist. Eilends verlässt die Einfahrt und geht quer über die Parkplätze zur Hauptstrasse zurück. Hätte ohnehin nicht geklappt, sagt er sich und dass die Feuerwehrleute keine Hilfskräfte brauchen, sondern Leute, auf die sie im Ernstfall zählen können. Und ich würde im Ernstfall ja doch weglaufen, denkt sich Sam und schlägt den Weg zum Supermarkt ein. Er schlendert die Hauptstrasse entlang und sieht, dass mittlerweile nahezu alle Geschäfte geschlossen sind. Sam beschleunigt seine Schritte, hat den Supermarkt im Handumdrehen erreicht und sieht, dass nur wenige Leute ihre Einkaufswagen durch die Regalreihen schieben. Sam kann seine Einkäufe im Handumdrehen erledigen und sieht beim Bezahlen grosse, handgeschriebene Hinweisschilder an den Supermarktscheiben kleben. Er registriert, dass ein bestimmtes Datum immer wiederkehrt und kommt nach einigem Nachdenken zum Schluss, dass der Supermarkt ab diesem Datum geschlossen sein wird. Er errechnet, dass das nächsten Montag der Fall sein wird und sagt sich, dass es ja noch andere Supermärkte hier heroben gibt. In der Folge klappert er, rein aus Interesse, einen Supermarkt nach dem anderen ab und entdeckt überall die gleichen Schilder. Auch das Datum ist überall das gleiche, was Sam zu denken gibt. Er betrachtet grübelnd die handgeschriebenen Zettel und kommt zum Schluss, dass er schon ab nächster Woche nirgendwo einkaufen kann. Das ist eine Entwicklung, mit der er nicht gerechnet hat und er steht eine ganze ganze Weile mit hängenden Armen da und denkt über die Entwicklung der Dinge nach. Einmal sieht er auf seine Armbanduhr und registriert, dass noch nicht viel Zeit vergangen ist und er seine Wohnung vor weniger als einer Stunde verlassen hat. Es bleibt noch viel Zeit totzuschlagen und Sam sagt sich, dass es keinen Zweck hat, vor den Supermärkten herumzulungern. In der Folge schlägt er den Weg zu seinem bevorzugten Cafe ein, setzt sich fröstelnd auf seinen gewohnten Platz im Freien und bemerkt, dass ihn die Bedienung vom Lokal aus beobachtet. Durch Gesten gibt sie ihm zu verstehen, dass es weitaus zu kalt ist, um im Freien zu sitzen und winkt ihm, ins Lokal zu kommen. Aber Sam schüttelt den Kopf und schlägt den Kragen seiner Jacke hoch. Damit zwingt er die Bedienung, das Lokal zu verlassen. Sie kommt eilends quer über die leere Terrasse auf ihn zu und sagt etwas in der hiesigen Sprache. Sam versteht sie selbstredend nicht und bestellt Kaffee. Er legt das Geld gleich abgezählt auf den Tisch, die Bedienung nimmt es wortlos auf und macht auf dem Absatz kehrt. Nach wenigen Minuten stellt sie den Pappbecher mit Kaffee vor Sam auf den Tisch und Sam legt vorsichtig seine Hände darum und wärmt seine klammen Finger. Er sieht der Bedienung nach, die eilends ins Lokal zurückkehrt und erinnert sich, dass er noch vorige Woche oft viertelstundenlang auf seinen Kaffee warten müssen. Diesbezüglich hat sich meine Lage verbessert, denkt er sich und führt den Pappbecher vorsichtig zum Mund. Dass alle Supermärkte geschlossen sein werden, damit hat er aber nicht gerechnet. Aber er sagt sich, dass kein Grund zur Panik besteht und es für jedes Problem eine Lösung gibt. Er beschliesst, in Zukunft seine Lebensmittel unten im Tal einzukaufen, dreht den Kopf und fasst das Gebäude der Seilbahnstation ins Auge. Als sich eine Gondel talabwärts in Bewegung setzt, erhebt er sich halb von seinem Sessel und sieht ihr so lange wie möglich nach. Sie sinkt rasch in die Tiefe und gerät beinahe sofort ausser Sichtweite. Sam starrt eine ganze Weile ins Leere, erst als ihn ein plötzlicher Windstoss trifft, verkriecht er sich tiefer in seine Jacke und versucht, die Ärmel über die Hände zu ziehen. In der Folge spricht er sich selber Mut zu und sagt sich, dass kein Grund zur Panik besteht. Er sagt sich, dass die Supermärkte einstweilen ja noch geöffnet haben und beschliesst, sich einen Lebensmittelvorrat anzulegen. Dass er beinahe kein Geld mehr hat, schiebt er fürs erste beiseite. Er zieht Block und Bleistift aus der Tasche und macht sich daran, eine wohlüberlegte Einkaufsliste zu erstellen. Als plötzlich ein Schatten auf den Tisch und auf seinen Notizblock fällt, hebt er irritiert den Kopf und erkennt die Frau, die seine Sprache spricht, gar nicht gleich wieder. Ach, Sie sind, sagt er dann und verschränkt abwehrend die Hände vor der Brust. Wieso sitzen Sie hier im Freien, wieso setzen Sie sich bei diesen Temperaturen nicht ins Lokal, fragt sie, nichts weiter, sagt Sam und steckt Block und Bleistift in die Tasche. Dann lehnt er sich zurück und verschränkt erneut die Arme vor seiner Brust. Wissen Sie, dass die Supermärkte ab nächste Woche geschlossen sein werden, fragt er die Frau, nein, weiss ich nicht, sagt sie und setzt sich dann unaufgefordert an seinen Tisch. Sam rückt seinen Sessel ein wenig zur Seite und fährt sich ordnend durch die Haare. Woher wissen Sie es denn, fragt die Frau und sieht ihm aus nächster Nähe ins Gesicht. Ich habe die Plakate gesehen, sagt Sam und verschränkt die Arme erneut. Ja schon, sagt die Frau, die Plakate habe ich auch gesehen, aber ich kann sie nicht lesen. Sie doch auch nicht, sagt sie und sieht Sam erneut aus nächster Nähe ins Gesicht, sodass er ein nervöses Hüsteln nicht unterdrücken kann. Nein, sagt er, aber ich habs mir zusammengereimt. Er verschränkt die Arme vor der Brust noch ein wenig fester und lässt die Frau in der Folge links liegen. Es entsteht eine lange Gesprächspause, während der Sam die wenigen Leute, die auf der Hauptstrasse unterwegs sind, ins Auge fasst und beobachtet, bis sie ausser Sichtweite sind. Dann betrachtet die geschlossenen Läden und die Schaufenster und Eingänge, die mit Holzplanken gesichert sind und gönnt der Frau keinen Blick. Macht alles einen gänzlich verlassenen Eindruck, denkt er sich und erinnert sich an seine Ankunft vor einigen Wochen. Er sagt sich, dass der Unterschied zu damals grösser nicht sein könnte und bemerkt, dass die Frau neben ihm zunehmend unruhig wird. Schliesslich bückt sie sich nach ihrer Tasche und holt mehrere Bücher hervor. Hab ich Ihnen mitgebracht, sagt sie und legt die Bücher vor Sam auf den Tisch. Damit hat sie Sams Schwachpunkt zielsicher erkannt. Mit Büchern ist Sam ohne weiteres zu ködern und er löst sogleich seine verschränkten Arme und nimmt das zuoberst liegende Buch zur Hand. Natürlich sieht er sofort, dass es in seiner Sprache geschrieben ist, schlägt die erste Seite auf und liest ein paar Zeilen. Er weiss, dass er es irgendwann schon gelesen hat, denkt sich aber, dass das gar nichts macht. Dann wendet er sich zu der Frau und verzieht seine Lippen zu einem Lächeln. Woher haben Sie die Bücher, fragt er, ich habe hier heroben nirgendwo Bücher in meiner Sprache finden können. Aber die Frau zuckt bloss die Achseln und hält sich bedeckt. Sind mir einfach zugefallen, sagt sie dann, und wo die herkommen, gibt’s noch viel mehr. Ich kann ihnen gleich morgen noch welche bringen. Sam nickt geistesabwesend und nimmt ein Buch nach dem anderen zur Hand, blättert vor und zurück und liest hier und dort eine Seite. Er vergisst alles um sich herum und die Zeit vergeht ihm wie im Flug. Erst als die Frau neben ihm ungeduldig mit den Füssen am Boden scharrt, schaut er auf. Für einen Augenblick starrt er sie blicklos an, dann fällt ihm ihr struppiges, glanzloses Haar in die Augen. Sogleich drängt sich Paulas seidenweiches Haar in seine Gedanken und er will sich wieder seinem Buch zuwenden und weiterlesen. Aber die Frau scharrt verstärkt mit den Füssen, solange, bis er das Buch erneut sinken lässt. Er ist ein klein wenig ärgerlich, weil sie nicht stillsitzt, weiss aber andererseits, dass er ihr sehr zu Dank verpflichtet ist. Wie kann ich mich revanchieren, fragt er und deutet auf den Bücherstapel, kann ich Ihnen was zu trinken bestellen? Nein, danke, sagt die Frau und nestelt an den Knöpfen ihres abgeschabten Mantels, Sie müssen sich nicht revanchieren, ich habs für einen Landsmann getan.
„Landsmänner müssen zusammenhalten.“
Dann zögert sie, sichtlich hat sie doch ein Anliegen und Sam sieht sie auffordernd an. Sie räuspert sich ein paarmal, kann sich aber nicht entschliessen, die Katze aus dem Sack zu lassen. Sam will sich schon wieder achselzuckend seinem Buch zuwenden, als die Frau ihre Hand auf seinen rechten Arm legt. Er sieht sie erstaunt an und mit einem Mal fröstelt ihn stark und er versucht, seinem Jackenärmel über die Hände zu ziehen. So kann er seinen Arm ganz unauffällig aus der Reichweite der Frau bringen. Zeigen Sie mir Ihre Wohnung, sagt sie plötzlich und Sam glaubt anfangs, nicht richtig gehört zu hören. Wie bitte, fragt er und neigt sich ein wenig vor, was meinten Sie? Du sollst mir deine Wohnung zeigen, sagt die Frau und duzt Sam mit einem Mal, was ihn nicht wenig verwundert. Fremde Wohnungen interessieren mich, sagt sie und sieht Sam auffordernd an. Aber wieso, fragt Sam und hält mit seiner Verwunderung nicht hinter dem Berg, und wieso ausgerechnet meine Wohnung, es ist eine Wohnung wie jede andere auch. Ausserdem ist es gar nicht meine. Aber die Frau schneidet Sam mit einer Handbewegung das Wort ab und rückt näher. Das macht nichts, sagt sie, aber du wohnst doch darin, oder? Ja schon, sagt Sam und dreht das Buch in seinen Händen unschlüssig hin und her. Nur keine Panik, sagt die Frau und sieht ihn belustigt an, bleib ganz ruhig, ich seh mir einfach zu gern fremde Wohnungen an, das ist alles. Gehen wir, fragt sie, steht auf und bückt sich nach ihrer Tasche. Sams Befremden wächst und er schüttelt energisch den Kopf. Das geht nicht so einfach, sagt er, ich kann nicht einfach jemanden mit in meine Wohnung nehmen, die Rezeptionisten beobachten alles auf das Genaueste, ich kann gar nicht vorsichtig genug sein. Und dann melden sie alles, was ich tue, sogleich meinem Quartiergeber. Aber mit der Frau ist nicht zu reden, sie macht eine wegwerfende Handbewegung und sieht Sam auffordernd an. Du suchst ja bloss nach Ausflüchten, sagt sie, wir gehen beide kurz in deine Wohung, du lässt mich alles ansehen und dann geh ich auch gleich wieder, einverstanden? Aber Sam regt sich nicht, sitzt wie festgenagelt auf seinem Sessel und hat die schroffe Stimme seines Quartiergebers im Ohr. Und dass du mir niemanden sonst in die Wohnung lässt, hört er ihn sagen und hat seinen drohenden Blick ganz deutlich vor Augen. Also gehen wir doch endlich, sagt die Frau erneut und tritt ungeduldig von einem Fuss auf den anderen. Sam steht resigniert auf, klemmt sich die Bücher unter den Arm und dann gehen sie eilends über die leere Kaffeehausterrasse. Sie steigen die Stufen zur Strasse hinunter und Sam wendet sich um und sieht, dass die Bedienung vor der Tür steht und ihnen nachschaut. Dann schlagen sie den Weg zu seiner Wohnung ein. Manchmal versucht die Frau, ein Gespräch in Gang zu bringen, aber Sam antwortet nur einsilbig. Morgen ist allerletzter, grosser Abreisetag, sagt die Frau, dann kann man die Gäste hier heroben an einer Hand abzählen. Aber die Bauarbeiter und Feuerwehrleute sind doch noch da, sagt Sam, ja, das schon, sagt die Frau. Sam sieht in einiger Entfernung einen Bauarbeitertrupp bei einer der Liftstützen stehen und sieht mit Erstaunen, dass die Frau ihren Arm hebt und den Arbeitern zuwinkt. Ja kennen Sie sie denn, fragt er und beobachtet, dass die Bauarbeiter zurückwinken. Ich kenne sie alle, sagt die Frau, die Bauarbeiter, die Feuerwehrleute, einfach alle. Wenn du willst, nehme ich dich nächstens mit zu ihnen. Die Bauarbeiter winken nochmals und einer ruft etwas, was was Sam nicht versteht. Daraufhin muss sich die Frau beinahe ausschütten vor Lachen. Ich denke, Sie verstehen die hiesige Sprache nicht, sagt Sam befremdet, aber die Frau zuckt bloss die Achseln und ruft den Bauarbeitern ihrerseits etwas zu. Tu ich auch nicht, sagt sie, aber ich kann mich trotzdem verständigen. Sam hat nicht die geringste Lust, die Frau mit in seine Wohnung zu nehmen und überlegt fieberhaft, wie er sie vielleicht doch noch loswerden kann. Immer wieder steht ihm das drohende Gesicht seines Quartiergebers vor Augen. Er hat mir ausdrücklich verboten, jemanden mit in die Wohnung zu nehmen, denkt er sich und verlangsamt unwillkürlich seine Schritte. Die Frau sieht ihn fragend an, wieso gehst du denn so langsam, fragt sie, ist das dort vorne nicht das Haus, in dem du wohnst? Doch schon, sagt Sam und sieht sie aufs höchste erstaunt an, aber wieso wissen Sie das? Ich weiss es eben, sagt die Frau und zuckt die Achseln. Das muss dich nicht weiter verwundern, ich beobachtet dich schon seit deiner Ankunft.
„Du bist mir ja auch gleich aufgefallen.“
Aber es dauert eben eine Weile, bis man sich kennenlernt, sagt sie und Sam dreht den Kopf und betrachtet die Frau mit neuen Augen. Er für seinen Teil hat sie gestern das erste Mal gesehen, soviel ist sicher. Aber wir kennen uns doch erst seit gestern, fragt er unsicher, das ist doch richtig? Das alles muss dich nicht weiter aufregen, sagt sie und mustert ihn belustigt. Ich weiss auch, dass du gestern das erste Mal auf den Hügel dort vorne gestiegen bist, sagt sie, streckt den Arm aus und zeigt auf den kahlen Hügel, der sich gleich hinter dem Parkplatz erhebt. Und du hast dich eine ganze Weile auf dem Hochplateau aufgehalten, stimmts? Aber es hat mich doch niemand gesehen, sagt er, schüttelt befremdet den Kopf und ist drauf und dran, die Frau zu fragen, was es mit den Männern in den Mulden auf sich hat. Das glaubst du nur, sagt die Frau, tatsächlich haben dich alle gesehen, du hasts bloss nicht bemerkt. Tut aber nichts weiter zur Sache, sagt sie, ist auch völlig in Ordnung, jeder kann sich am Hochplateau aufhalten, so lange er möchte. Die Frage nach den Männern liegt ihm noch immer auf der Zunge, aber die Frau beschleunigt ihre Schritte und geht geradewegs auf Sams Wohnhaus zu. Da sind wir ja schon, sagt sie und mehrere scharfe Windstösse gehen Sam durch Mark und Bein und er schlägt den Kragen seiner Jacke hoch. Ja schon, sagt er, aber es ist gar nichts Besonderes an meiner Wohnung, glauben Sie mir. Aber die Frau bleibt stehen, dreht sich dann langsam um die eigene Achse und behauptet, dass dieser Strassenzug der vornehmste Teil der ganzen Ansiedlung ist. Sam zuckt die Achseln und denkt sich, dass sie niemals ungesehen an den Rezeptionisten vorbeigelangen werden. Sie werden registrieren, dass ich eine Frau mit in meine Wohnung nehme und umgehend meinen Quartiergeber informieren, denkt er sich und betrachtet die Frau voller Abneigung. Als er eine unbedachte Bewegung macht, lässt er einen Teil der Bücher zu Boden fallen. Vorsicht, sagt die Frau, du musst ein klein wenig achtgeben, was die Bücher betrifft. Es sind nicht meine, sagt sie, ich hab sie selber geborgt und der Besitzer will sie unversehrt zurückhaben. Tut mir leid, sagt Sam betreten, sammelt die Bücher auf und klemmt sie fester unter seinen Arm. Können wir jetzt endlich hineingehen, fragt die Frau, tritt ungeduldig von einem Fuss auf den anderen. Schliesslich betritt, die Frau hinter sich im Schlepptau, die Halle und sieht sogleich, dass von den Rezeptionisten keine Gefahr droht. Sie sind noch immer mit den Abreisenden beschäftigt, werden bis über beide Ohren mit Fragen und Reklamationen eingedeckt und haben kein Auge für ihre Umgebung. Sams Erleichterung ist gross. Los kommen Sie, sagt er und lotst die Frau eilends durch die Halle. Aber sie dreht neugierig den Kopf hin und her und betrachtet alles aufs Genaueste. Einmal bleibt sie sogar stehen und inspiziert den Boden zu ihren Füssen. Ausgezeichneter Teppichboden, sagt sie, bückt sich und bohrt ihren Finger in den dichten, hochstehenden Flor. Sam hält mit seinem Unwillen nicht hinter dem Berg. Kommen Sie doch bitte weiter, sagt er und die Ungeduld ist in seiner Stimme deutlich zu hören.
„Wir haben nicht alle Zeit der Welt.“
Die Frau wirft ihm einen überraschten Blick zu und geht dann rasch weiter. In meinem Haus ist in der Halle bloss ein zerkratzter Dielenboden, sagt sie entschuldigend, legt den Kopf in den Nacken und betrachtet die grossen vielarmigen gläsernen Lampen, die das Foyer hell erleuchten. Sam sieht erleichtert, dass der Lift nicht erst aus dem obersten Stockwerk geholt werden muss, los, steigen Sie ein, sagt er und atmet erst auf, als sich die Lifttüren schliessen. Dann fahren sie ohne weiteren Aufenthalt nach oben. Ist das der oberste Stock, fragt die Frau, als sie den langen Gang hinuntergehen, ja, sagt Sam und schliesst die Wohnungstür auf. Er lässt der Frau den Vortritt, die Luft ist schal und abgestanden wie immer, aber das scheint ihr nichts auszumachen. Wieso hast du die Vorhänge zugezogen, fragt sie, darf ich, fragt sie, und geht, ohne auf Sams Antwort zu warten, geradewegs zum Fenster. Sie zieht die Vorhänge zurück und gleissendes Sonnenlicht fällt durch alle Fenster. Der Raum erhellt sich bis in den letzten Winkel und Sam sieht die Berggipfel, die sich bis zum Horizont erstrecken. Sogleich werden seine Handflächen feucht und er wendet sich eilends ab. So eine schöne Aussicht, hört er die Frau sagen, du bist wirklich ein Glückspilz. Und dein Quartiergeber lässt dich einfach unentgeltlich hier wohnen, fragt sie und stellt sich neben ihn. Ja, sagt Sam, bis auf weiteres, das hat er mir zumindest versprochen. Er denkt, dass es besser ist, sich gastfreundlich zu zeigen und verzieht den Mund zu einem schiefen Lächeln. Ich koch mir was, sagt er, während er sich schon in der Küche zu schaffen macht, wenn Sie möchten, können Sie gern mit mir essen. Dass Sam selber kocht, erstaunt die Frau über die Maßen. Sie tritt einen Schritt zurück und sieht ihn kopfschüttelnd an. Ja gern, sagt sie, aber ich kenn keinen, der sich was kocht, wieso tust dus? Weiss nicht, sagt Sam und macht sich mit seinen Vorräten zu schaffen, wahrscheinlich, weil es billiger ist. Sie können währenddessen gern fernsehen, sagt er und deutet auf den Fernsehapparat. Das lässt sich die Frau nicht zweimal sagen, sie setzt sich sogleich aufs Sofa und greift nach der Fernbedienung. Der Fernseher in meinem Appartment ist schon seit langem kaputt, sagt sie und schaltet durch alle Kanäle. Sam macht sich an die Zubereitung der Mittagsmahlzeit, hantiert mit Lebensmitteln und Küchengeräten und gibt sich mehr Mühe als üblich. Nach einer Weile dreht sich die Frau auf der Couch um und folgt jeder Bewegung Sams mit den Augen. Ich hab noch keinen gesehen, der sich was kocht, sagt sie entschuldigend und dann fragt sie ihn, was er an den Abenden macht. Du musst dich doch zu Tode langweilen an den Abenden, sagt sie, wie schlägst du die Zeit tot? Ich bleibe hier in der Wohnung und sehe fern, sagt Sam, während er das Gemüse putzt. Ich für meinen Teil gehe immer in die Lokale, in denen die Bauarbeiter und Feuerwehrmänner zusammenkommen, sagt die Frau, dort unterhält man sich glänzend. Früher oder später wirst du abends auch rausgehen wollen, sagt sie, du bist bloss noch nicht lange genug da, das ist alles. Nach einer Weile hält mans im Appartment nicht mehr aus, ich weiss, wovon ich rede. Sam zuckt die Achseln und gibt ein genau abgemessenes Stück Butter in die Pfanne. Immer wieder muss er an seinen Quartiergeber denken und dass er plötzlich auftauchen und nach dem Rechten sehen könnte. Er spricht sich selber Mut zu und sagt sich, dass sein Quartiergeber nicht ausgerechnet heute auftauchen muss. Er gibt einen grossen Löffel Würze in den Topf mit Gemüse und füllt zwei Teller bis an den Rand. Essen Sie, bevor es kalt wird, sagt er und sieht ihr zu, wie sie ihren Teller tatsächlich in Windeseile leer isst. Zu allen deinen anderen Vorzügen bist du auch noch ein hervorragender Koch, sagt sie und erzeugt mit der Gabel ein schabendes Geräusch auf ihrem leeren Teller. Ich koch mir nämlich nie was, sagt sie, ich esse bloss immer Brot und die billigste Wurst. Das sollten Sie nicht, sagt Sam und stochert ein wenig in seinem Gemüse, das schadet Ihnen. Manchmal, wenn ich meine Freunde, die Bauarbeiter besuche, esse ich mit ihnen, sagt die Frau und stellt den leergegessenen Teller beiseite. Sam zwingt sich, ein paar Bissen hinunterzuschlucken, dann schiebt er seinen Teller ebenfalls beiseite. Wieso isst du nicht auf, fragt die Frau und sieht ihn verwundert an, schmeckt dir etwa dein eigenes Essen nicht? Sam schüttelt den Kopf, hab keinen Hunger, sagt er und schiebt den Teller noch ein wenig weiter weg. Dann heftet er seine Blicke auf den Bildschirm und denkt, dass sich die Frau eigentlich erkenntlich zeigen und die Teller spülen könnte. Er sieht sie auffordernd an, aber sie bleibt seelenruhig sitzen. Ganz offensichtlich kommt es ihr nicht im entferntesten in den Sinn, ihre Hilfe anzubieten. Sam bleibt schliesslich nichts anderes übrig, als sich selbst an die Arbeit zu machen. Dier Frau setzt sich bequemer auf dem Sofa zurecht und macht keine Anstalten, zu gehen. Sooft Sam den Kopf dreht, sieht er sie unbeweglich auf dem Sofa sitzen und auf den Bildschirm starren. Möchten sie noch was trinken, bevor Sie gehen, sagt er einmal probeweise, aber sie hört ihn nicht. Er räumt die Teller in den Schrank und wirft zuguterletzt einen prüfenden Blick auf den Fussboden. Tadellos sauber, denkt er sich und bleibt unschlüssig im Türrahmen stehen. Es widerstrebt ihm aufs äusserste, sich nochmals neben die Frau aufs Sofa zu setzen, also lehnt er sich schliesslich neben der Küchentür an die Wand. Er verschränkt die Arme vor der Brust, heftet seine Blicke auf den Fernsehschirm und versucht, eine möglichst bequeme Haltung zu finden. Das ruft die Frau aber sogleich auf den Plan. Was soll das, fragt sie, wieso setzt du dich nicht neben mich? Sie klopft einladend neben sich auf die Polster und Sam setzt sich widerstrebend ans äusserste Ende des Sofas. Er richtet die Augen auf den Bildschirm und zwingt sich, ruhig sitzenzubleiben, obwohl die Frau allmählich näherrückt. Hast wieder alles hübsch ordentlich gemacht, sagt sie, bist wirklich ein braver Bursche. Du solltest mal sehen, wies bei mir aussieht. Sie kann ein Lachen nicht unterdrücken, streckt ihren Arm aus und langt nach Sams Haaren. Unwillig biegt er den Kopf zur Seite. Da würden dir deine schönen Haare zu Berge stehen, sagt die Frau und er versucht vergeblich, seinen Kopf aus ihrer Reichweite zu bringen. Bei mir steht alles tagelang herum, sagt sie, solange, bis alles eingetrocknet, verschimmelt, verdorrt ist. Ich bin eben nicht so etepetete wie du, sagt sie und rückt immer noch ein Stück näher. Sam drückt sich so gut wie möglich in seine Sofaecke und denkt über das komische Wort nach. Etepete, nie gehört, denkt er, und wirft einen schnellen Seitenblick auf die Frau. Wenn du jetzt denkst, dass ich eine Schlampe bin, hast du nicht gänzlich unrecht, sagt die Frau und muss erneut ein klein wenig lachen. Dann öffnet sie den obersten Blick ihrer Bluse und rät Sam, sich zu entspannen. Aber Sam dreht bloss indigniert den Kopf weg und drückt sich in die äusserste Sofaecke. Hast du nichts zu trinken da, fragt sie, dein Essen war ausgezeichnet, aber jetzt hätte ich doch gern einen Schluck zu trinken. Dann hebt sie die Hand und fährt Sam erneut mit den Fingern durchs Haar. Richtiges Babyhaar hast du, sagt sie und zupft spielerisch an der einen Haarsträhne, die Sam immer so besonders weit in die Stirn fällt. Sam versucht, ihrer Hand auszuweichen und beugt den Kopf so weit wie möglich zur Seite. Zier dich doch nicht so, sagt die Frau aber und zupft und zerrt weiter auf das unerträglichste an Sams Haaren. Wie hättest dus denn gern, fragt sie, kann ihre Hände nicht von Sams Kopf lassen und berührt dabei aus Versehen die Beule auf seiner Stirn. Mit einem Mal kann er nicht mehr an sich halten und stösst die Frau mit dem Ellbogen zur Seite. Lassen Sie mich um Himmelswillen in Ruhe, sagt er mit erhobener Stimme und weil der Stoss ziemlich heftig ausgefallen ist, rutscht die Frau vom Sofa und bleibt mit verrenkten Gliedern am Boden liegen. Eine ganze Weile rührt sie sich nicht, sondern liegt bloss da und starrt Sam unverwandt an. Sam fühlt sich äusserst unbehaglich und schliesslich springt er auf und stellt sich in die entfernteste Zimmerecke. Das war aber gar nicht nett von dir, sagt die Frau, während sie sich langsam aufrappelt, benimmt man sich so einer Dame gegenüber? Dann zupft sie ihre Kleider zurecht, fährt sich ordnend durch die Haare und nähert sich Sam erneut. Prinzessin, sagt sie und fasst Sam unters Kinn, Prinzessin auf der Erbse. Aber das ist hier heroben nicht so besonders gefragt, sagt sie, da kriegst du nichts als Schwierigkeiten. Sam presst die Lippen aufeinander und verschränkt die Arme über der Brust und verschliesst seine Ohren. Er achtet nicht auf das Gerede der Frau, erst als sie den Namen Paula ins Spiel bringt, horcht er auf. Sags deiner lieben Freundin Paula, hört er die Frau sagen und betrachtet sie mit neuen Augen. Wieso Paula, fragt er und muss sich mehrmals räuspern. Und wie heisst du überhaupt, sagt sie, ich kenn noch nicht einmal deinen Namen. Gute Freunde, wie wir es sind, kennen sich doch mit Namen. Sie sieht ihn auffordernd an, du willst es mir nicht sagen, sagt sie dann und schüttelt betrübt den Kopf. Nicht einmal deinen Namen willst du mir verraten, da hab ichs mir wohl endgültig verdorben mit dir. Ich jedenfalls heisse Paula, sagt sie und als Sam den Kopf schüttelt, betrachtet sie ihn belustigt. Wieso soll ich nicht Paula heissen, fragt sie, so heissen viele. Paula ist der geläufigste Name, den es gibt. Andauernd trifft man auf eine, die Paula heisst. Mag sein, sagt Sam, zuckt die Achseln und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf den Bildschirm. Na wenigstens kriegst du den Mund wieder auf, sagt die Frau, hats dir die Sprache doch nicht zur Gänze verschlagen. Sie entfernt sich ein paar Schritte von Sam, geht unschlüssig im Zimmer hin und her und stellt sich schliesslich vors Fenster. Sam hätte gerne, dass sie die Vorhänge wieder vors Fenster zieht, aber sie tut nichts dergleichen. Na ich geh dann wohl besser, sagt die Frau nach einer Weile und wendet sich zögernd zur Tür. Sam fixiert den Bildschirm und antwortet nicht. Du bist tatsächlich eine Enttäuschung, sagt die Frau, hat dich als Sonderling entpuppt, soviel ist sicher. Dein Quartiergeber hat mit dir keine gute Wahl getroffen, sagt sie und als die Frau seinen Quartiergeber ins Spiel bringt, gibt Sam seine unbeteiligte Haltung sogleich auf. Was wissen Sie von meinem Quartiergeber, fragt er, kennen Sie ihn etwa? Jetzt hast du doch tatsächlich einen vollständigen Satz von dir gegeben, sagt die Frau und schüttelt belustigt den Kopf, alle Achtung. Dann zuckt sie die Achseln und macht eine wegwerfende Handbewegung. Gar nichts weiss ich von deinem Quartiergeber, sagt sie, sei diesbezüglich ganz beruhigt, ich behaupte nur, dass er mit dir eine schlechte Wahl getroffen hat. Sicher weiss er nicht, dass du von morgens bis abends herumstreifst. Du hältst dich ja kaum hier drinnen auf, sagt sie, nur zum Schlafen und Essen kommst du hierher, so hat er sich das bestimmt nicht gedacht. Er wollte jemanden, der immer hübsch hier drinnen bleibt, du aber streifst andauernd draussen herum, überall stolpert man über dich. Alles beschnüffelst du, stundenlang sitzt du im Strassencafe und beobachtest alles mit Argusaugen, redest aber mit keinem, du siehst, ich weiss aufs beste Bescheid. Es wäre klüger, wenn du immer hübsch hier drinnen bleibst und dich nicht andauernd sehen lässt, sagt sie, wendet sich ab und geht mit schnellen Schritten zur Tür. Sam atmet schon erleichtert auf, aber dann bleibt die Frau erneut in der Mitte des Zimmers stehen, weil die geschlossene Schlafzimmertür ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Was ich noch nicht gesehen habe, ist dieses Zimmer, sagt sie, schläfst du da drin etwa? Ja, sagt Sam. In der Folge legt die Frau die grösste Unverfrorenheit an den Tag, öffnet die Tür, betritt das Zimmer ohne Zögern und bleibt eine ganze Weile darin. Sam tritt unruhig von einem Fuss auf den anderen und macht sich die allerschlimmsten Vorwürfe. Er muss sich sagen, dass er sich selber in diese unangenehme Situation gebracht hat, betrachtet den Büchstapel auf den Tisch und fragt sich, was die Frau solange in seinem Schlafzimmer macht. Endlich kommt sie wieder zum Vorschein, lässt ihren spöttischen Blick an Sam auf-und abgleiten und versucht vergebens, ihr struppiges Haar zu glätten. Alles piekfein da drinnen, sagt sie schliesslich und deutet mit dem Kopf auf Sams Schlafzimmer, du solltest deinem Quartiergeber wirklich dankbar sein. Du solltest dich mehr hier drinnen aufhalten, in deinen hübschen vier Wänden, sagt sie, hier hast du doch alles, es fehlt dir an nichts. Sam antwortet nicht und fixiert das Fernsehgerät. Ihm entgeht nicht, dass sein andauerndes Schweigen die Frau allmählich in Rage bringt. Ihr Gesicht ist röter als zuvor und ihre Handbewegung sind fahrig und unkontrolliert. Sie rennt ein paarmal konfus durchs Zimmer und bleibt dann am Tisch mit den Büchern stehen. Sie bringt den Bücherstapel in Unordnung, wirft alles durcheinander und durchblättert das eine oder andere Buch hektisch. Sam hält es für besser, seine abweisende Haltung für einen Augenblick aufzugeben und fragt sich besorgt, ob er den Bogen vielleicht überspannt hat. Keinesfalls darf sie mir die Bücher wieder wegnehmen, denkt er sich und gerät allmählich in die grösste Unruhe. Sie können die Bücher bald wiederhaben, sagt er und legt einen einschmeichelnden Ton in seine Stimme, ich lese sehr schnell, Sie werden sehen. Erleichtert sieht er, dass die Frau von den Büchern ablässt. Der Bücherstapel bleibt in der grössten Unordnung zurück und Sam unterdrückt den Impuls, seinen gesicherten Platz an der Wand zu verlassen und alles wieder fein säuberlich aufeinanderzulegen. Die Frau streicht mit fahrigen Bewegungen ihre Kleider glatt und fährt sich ordnend durch die Haare. Ihr Gesicht ist jetzt dunkelrot, und Sam räuspert sich mehrfach und zwingt sich, der Frau gerade ins Gesicht zu sehen. Möchten Sie noch etwas trinken, bevor Sie gehen, fragt er und wundert sich über sich selber. Seine Stimme klingt kühl und beiläufig, aber die Frau sich nun gar nicht mehr zu fassen, stampft mit dem Fuss auf den Boden und rennt ein paarmal ziellos im Zimmer hin und her. Was bildest du dir eigentlich ein, ruft sie mit überkippender Stimme und stösst eine Reihe von unzusammenhängenden Drohungen aus. Je aufgeregter sie wird, umso ausgeprägter wird ihr Dialekt, sodass Sam so gut wie gar nichts versteht. Es fällt ihm daher nicht schwer, kühl und gelassen zu bleiben. Sie sollten sich zusammennehmen, Paula, sagt er schliesslich. Er findet die Namensgleichheit jetzt ganz amüsant und fragt sich, was Paula dazu wohl sagen würde. Sie würde die Nase rümpfen, und sogleich anmerken, dass sie keine Lust hat, mit irgendjemandem in einen Topf geworfen zu werden, bloss weil er den gleichen Namen trägt, denkt er sich. Und dann würde sie darauf hinweisen, dass ihr zweiter Name Aglaja ist. Er folgt der Frau mit den Augen, sieht, dass sie von einer Ecke des Zimmers in die andere rennt und schüttelt indigniert über ihr Gehabe den Kopf. Sie bemüht sich jetzt, verständlich zu reden und bringt ihre Freunde, die Bauarbeiter und Feuerwehrleute ins Spiel. Die werden dir einen Denkzettel verpassen, der sich gewaschen hat, sagt sie und wirft Sam wütende Blicke zu. Beruhigen Sie sich Paula, sagt Sam und seine Stimme könnte kühler und gelassener nicht sein. Es gibt doch gar keinen Grund, sich derMaßen aufzuregen, sagt er, aber die Frau hört ihn nicht. Sie gestikuliert wild und dann, mit einem Mal, macht sie kehrt und läuft aus der Wohnung. Sam hört die Wohnungstür mit einem lauten Knall zuschlagen und atmet erleichtert auf. Was für ein schrecklicher Auftritt, denkt er sich und muss an ähnliche Szenen mit Paula denken. Manchmal sagt er sich, dass es ihm ohne Paula weitaus besser geht, denn bis auf die Szene vorhin ist er die ganze Zeit, die er hier heroben ist, ungeschoren geblieben. Keine haltlosen Vorwürfe, keine Beschuldigungen, denkt Sam, Ruhe und friedliche Stille die ganze Zeit. Und er sagt sich auch, dass er an dem Auftritt mit der Frau nicht ganz unschuldig war. Ich hätte sie gar nicht hierherbringen dürfen, denkt er, ich hätte mich eisern an meine Vorsätze halten müssen. Das wütende Gesicht der Frau steht ihm auf das unangenehmste vor Augen. Er versucht, sich abzulenken, erinnert sich an den Schnappschuss von Paula, den er immer bei sich trägtund zieht das Bild aus seiner Brusttasche. Lange betrachtet er die ein wenig verschwommenen Züge und beschliesst in der Folge, sie endlich zu benachrichtigen. Sie sollte wissen, wo ich bin, denkt er sich und geht kurz entschlossen in den Vorraum. Er wählt Paulas Nummer, aber noch während er wählt, kommen ihm ernsthafte Zweifel. Sein Quartiergeber hat Sam die Benutzung des Telefons ausdrücklich verboten, Sam hat sei barsche Stimme noch deutlich im Ohr. Bemerke ich, dass du mein Telefon benutzt, kannst du gleich deine Sachen packen, hat er mehrmals gesagt und keinen Zweifel daran gelassen, dass er es ernst meint. Die letzten Zahlen von Paulas Nummer wählt Sam nur noch zögernd und schliesslich legt er den Hörer wieder auf die Gabel zurück. Er beschliesst, Paula vom Postamt aus zu benachrichtigen, dreht den Kopf nach der Wanduhr und sieht, dass es schon ziemlich spät ist. Höchste Zeit, nach draussen zu gehen, denkt er sich und bemerkt erst an der Tür, dass er kein Buch dabei hat. Da es aber zu seinen Vorsätzen gehört, niemals ohne Buch nach draussen zu gehen, macht er nochmals kehrt. Er geht ins Zimmer zurück und entdeckt erst jetzt, dass alles in schlimmster Unordnung ist. Der Teppich ist verschoben, die Sofakissen liegen teilweise am Boden und die Vorhänge sind ohne Sorgfalt beiseite gezogen. Sam sagt sich, dass das keinesfalls so bleiben kann und macht sich sogleich an die Arbeit. Mit dem Auftauchen meines Quartiergebers ist jederzeit zu rechen, nicht auszudenken, wenn er die Wohnung in diesem Zustand vorfindet, sagt er sich und und zieht zuallererst die Vorhänge vor die Fenster. Obwohl das grandiose Panorama mittlerweile hinter dicken Wolken verborgen ist und er gefahrlos aus dem Fenster sehen könnte, hält er die Augen lieber gesenkt. Dann rückt er den Teppich wieder zurecht, arrangiert die Sofapolster neu und stapelt die durcheinandergeworfenen Bücher akkurat aufeinander. Zu guter Letzt nimmt er das Buch, das zuoberst auf dem Stapel liegt und steckt es in seine Jackentasche. Dann verlässt er die Wohnung. Er gelangt ohne Aufenthalt nach unten und durchquert eilends die Halle. Er sieht, dass die Rezeptionisten noch immer beschäftigt sind und kein Auge für ihn übrig haben. An der gläsernen Drehtür gibt es einen kleinen Aufenthalt, weil ein paar Gepäckstücke sich ineinander verkeilt haben und die Tür blockieren. Sam presst sein Gesicht gegen die gläserne Scheibe und tritt ungeduldig von einem Fuss auf den anderen. Als sich die Tür endlich wieder drehen lässt, stürmt er vor allen anderen nach draussen. Vor dem Haus muss er sich erst einen Weg durch die Abreisenden bahnen und stolpert mehrfach über Koffer und Reisetaschen. Um die Transportkarren gibt es wie üblich Streit, aber das registriert Sam nur nebenbei. Er dreht den Kopf wachsam in alle Richtungen und ist in allergrösster Sorge, weil sich die Frau irgendwo versteckt haben könnte und nur darauf wartet, dass Sam das Haus verlässt. Grösste Vorsicht ist angebracht, denkt sich Sam und sieht prüfend in alle Haueingänge. Erst als er sich überzeugt hat, dass die Luft auch wirklich rein ist, schlägt er den Weg zu den Parkplätzen ein. Am Feuerwehrzeughaus und an der Notarztzentrale vorbei zu den Parkplätzen und zurück zur Hauptstrasse und in der Folge zum Postamt, damit ich Paula endlich benachrichtigen kann, denkt sich Sam und geht rasch und mit gesenktem Kopf die Strasse entlang. Erst als er das Feuerwehrhaus passiert, verlangsamt er seine Schritte. Er kann, weil das Tor weit offen steht, bis in den letzten Winkel der grossen Halle sehen. Einer der grossen Löschwagen wird gerade mit neuen Schläuchen versehen und Sam verfolgt das Hantieren der Feuerwehrmänner mit ihren Spritzen und Schläuchen aufs genaueste. Für eine Weile vergisst er alles andere, erst ein plötzlicher Windstoss bringt ihn wieder zu sich. Ihn fröstelt und er knöpft seine Jacke bis obenhin zu und zieht die Jackenärmel über die Hände. Er sagt sich, dass er nicht ewig vor dem Feuerwehrzeughaus herumlungern kann und will sich gerade zum Gehen wenden. Da steigt einer der Feuerwehrmänner in den Löschwagen, startet ihn und fährt ihn zur Seite. Sam Blick fällt auf die Frau, die vorgibt, Paula zu heissen und einen Augenblick weiss er sich vor Schreck nicht zu fassen. Feuerwehrmänner umringen sie, und er sieht sie aufgeregt gestikulieren und das grosse Wort führen. Sogleich macht er kehrt und sieht zu, dass er möglichst rasch ausser Sichtweite gelangt. Er erinnert sich, dass Betriebsfremden der Zutritt zum Feuerwehrhaus ausdrücklich verboten ist und kann sich nicht genug über die Unverfrorenheit der Frau wundern. Er wendet den Kopf nach dem Verbotsschild an den grossen Toren, hat sich den Feuerwehrleuten einfach aufgedrängt, so wie sie sich ja auch mir aufgedrängt hat, denkt er sich und wird von einem plötzlichen Windstoss erfasst. Ihn fröstelt und er stellt den Kragen seiner Jacke hoch und knöpft sie bis obenhin zu. Als er die Notarztzentrale passiert, sieht er den Arzt wie immer reglos an seinem Schreibtisch sitzen. Er hat die Füsse auf dem Tisch liegen und den Kopf weit nach hinten gebeugt. Ruht sich ein klein wenig aus, denkt sich Sam, wenigstens hier ist alles beim Alten. Als er die Parkplätze erreicht, sieht er, dass die riesige asphaltierte Fläche bereits weitgehend leer ist, die letzten Autos gerade vollgeladen werden und es allenthalben Streit gibt. Er beobachtet die gestikulierenden Familienväter und denkt sich, dass er den Anblick satt hat bis obenhin. Dann verkriecht er sich tiefer in seine Jacke, denn der Wind kommt jetzt stossweise und weht Sam einen feinen, alles durchdringenden Staub ins Gesicht. Zwei Leute, die keine Koffer und Taschen dabeihaben, springen ihm ins Auge und er erkennt das ältere Ehepaar von gestern sogleich wieder. Der Zettel mit Adresse und Wegbeschreibung, denkt er sich und sucht in seinen Taschen danach. Dann erinnert er sich, dass er den Zettel ja bereits weggeworfen hat, und sieht sich nach einem Fluchtweg um. Aber die beiden haben ihn bereits entdeckt und kommen geradewegs auf ihn zu. Die Frau hebt den Arm, winkt heftig und ruft etwas, was Sam nicht versteht. Sie will wissen, wieso ich nicht zu ihnen gekommen bin denkt er sich, macht auf dem Absatz kehrt und nimmt den Weg, den er gerade gekommen ist. Aber schon nach wenigen Schritten wird ihm klar, dass er nicht nochmals am Feuerwehrzeughaus vorbeigehen kann. Er sagt sich, dass er damit der Frau geradewegs in die Arme läuft und weiss einen Augenblick lang nicht, wohin er sich wenden soll. Aus den Augenwinkeln sieht er, dass der Mann und die Frau rasch näherkommen und ist nahe daran, den Kopf zu verlieren. Erst in letzter Minute fällt ihm der Berghang ins Auge und er läuft auf den steil bergan führenden Pfad zu. Uneinholbar weit nach oben gelangen, denkt er sich und bei den Männern in die Mulden liegen. Sogleich nimmt er den Aufstieg in Angriff und gönnt sich eine ganze Weile keine einzige Pause. Er bringt eine Kehre nach der anderen hinter sich und gewinnt allmählich an Höhe. Als er einmal einen Blick nach unten wagt, sieht er den Mann und die Frau wie angewurzelt am Fuss des Berghangs stehen. Sie haben ihre Gesichter nach oben gerichtet, wenden keinen Blick von ihm, haben aber offenbar nicht vor, ihrerseits den Berg zu besteigen. Sam atmet erleichtert auf. Uneinholbar weit nach oben gelangen, denkt er sich, kommt aber nur langsam voran und muss des öfteren stehen bleiben, um Atem zu schöpfen. Er sagt sich, dass er gestern abend in weitaus besserer Form gewesen ist, da bin ich ohne eine einzige Pause nach oben gestiegen, denkt er sich, und ruft sich die Männer in den Mulden ins Gedächtnis. Lege ich mich unter sie, bin ich nicht so ohne weiteres herauszufinden, denkt er und nimmt das nächste Wegstück in Angriff. Sooft er einen Blick nach unten wirft, sieht er seine Verfolger am Fuss des Berges stehen. Sie haben die Köpfe in den Nacken gelegt und wenden keinen Blick von ihm. Er sieht sich nach einem Versteck um, aber die Vegetation in dieser Höhe ist spärlich. Er stellt sich probeweise hinter einen Wacholderbusch und entzieht sich so den Blicken seiner Verfolger. Jetzt kann er ein wenig aufatmen, drückt sich eng an den Busch und hat die spitzen Nadeln und blauen Beeren nahe vor seinen Augen. Und wenn er den Kopf ein wenig zur Seite dreht, kann er seine Verfolger am Fuss des Berges stehen sehen. Sam lässt seine Blicke schweifen, von hier oben kann er die Ansiedlung zur Gänze übersehen, alles liegt spielzeughaft klein unter ihm und die metallenen Liftstützen leuchten in der Sonne. Er versucht, herauszufinden, bei welcher der Liftstützen er gestern das Loch gegraben hat, strengt seine Augen aber vergeblich an. Dann fasst er die Station der Gondelbahn ins Auge. Er beobachtet,
wie eine Gondel gerade die Station verlässt und rasch in die Tiefe sinkt. Er erinnert sich an sein Vorhaben, demnächst selbst hinunter in den Talort zu fahren, sobald ich meine Verfolger abgeschüttelt habe, gehe ich unverzüglich zur Station und fahre nach unten, denkt er sich und sieht die beiden wie angewurzelt am Fuss des Berges stehen. Sie haben ihre Gesichter nach oben gewandt, starren auf den Wacholderbusch, hinter dem Sam sich versteckt hat und denken offenbar nicht daran, ihren Platz zu räumen. Sam muss sich sagen, dass allzu grosser Optimismus nicht angebracht ist, die Dinge haben sich eindeutig zum Schlechteren gewendet, denkt er sich, ermannt sich aber und verlässt den schützenden Wacholderbusch. Zu seinem allergrössten Schrecken sieht er aber die Frau, die vorgibt, Paula zu heissen, am Rand des Parkplatzes stehen. Sam sieht, dass sie seinen Verfolgern zuwinkt und geradewegs auf sie zugeht. Er sieht, dass sie aufgeregt gestikuliert und das grosse Wort führt, gerade so wie vorhin bei den Feuerwehrleuten. Spricht die hiesige Sprache also doch, denkt sich Sam, hat mich nach Strich und Faden belogen. Er drückt sich enger an den Wacholderbusch, weiss nicht, was als nächstes zu tun ist, sagt sich aber nach einer Weile, dass er nicht ewig hier stehenbleiben kann. Möglichst schnell nach oben gelangen, denkt er sich, verlässt sein Versteck und nimmt das nächste Wegstück in Angriff. Er weiss, dass er sich auf dem Berghang wie auf einem Präsentierteller hin und herbewegt und fühlt sich äusserst unbehaglich. Einmal wirft einen prüfenden Blick nach unten und sieht seine drei Verfolger eng beieinander stehen. Die Frau, die vorgibt, Paula zu heissen, hat ihren Arm ausgestreckt und zeigt direkt auf ihn. Sam sagt sich, dass seine Lage die allerprekärste ist und beschleunigt seine Schritte. Uneinholbar weit nach oben gelangen, denkt er sich, mich unter die Männer in den Mulden legen und nicht so ohne weiteres auffindbar sein. Aber er gewinnt nur allmählich an Höhe und fragt sich, wieso der Weg heute, ganz anders als gestern, kein Ende nehmen will. Er hat Mühe, sein schnelles Tempo durchzuhalten und einmal, als er schon vollkommen ausser Atem ist, sucht er erneut Schutz hinter einem Wacholderbusch. Er drückt sich eng an den Busch, sodass an manchen Stellen die spitzen Nadeln seine Kleider durchdringen, beugt den Kopf ein wenig zur Seite und beobachtet seine Verfolger. Die Frau, die vorgibt, Paula zu heissen und das ältere Ehepaar stehen wie angewurzelt am Fuss des Berges, haben ihre Gesichter nach oben gerichtet und regen sich nicht. Aus dieser Höhe erinnern sie Sam an kleine Spielzeugfiguren, von denen keine Gefahr droht, im gleichen Atemzug sagt er sich aber, dass er sich keinesfalls täuschen lassen darf. Keinesfalls darf ich mich in Sicherheit wiegen, denkt er sich, verlässt den schützenden Wacholderbusch und nimmt das letzte Wegstück in Angriff. Der Pfad führt jetzt beinahe senkrecht nach oben und Sam ist schweissgebadet, als sich die weite, grasbewachsene Hochfläche endlich vor ihm auftut. Zuallererst bemerkt er, dass hier heroben kein Wind weht. Auch in anderer Hinsicht ist heute alles ganz anders als gestern, hat ihn gestern der Anblick der Männer in den Mulden nicht wenig befremdet, so ist heute alles menschenleer. Sam stellt fest, dass er weit und breit das einzige menschliche Wesen ist und muss seinen Plan, sich unter die Männer zu legen und so unauffindbar zu sein, verwerfen. Eine ganze Weile steht er am Rand der Hochfläche und lässt seine Blicke schweifen. Dann will er ein letztes Mal nach seinen Verfolgern Ausschau halten und sieht die Ansiedlung und den Parkplatz spielzeugklein unter sich liegen. Aber weil er jetzt so weit oben ist, kann er nicht ganz bis zum Fuss des Berges sehen. Er kann nicht sehen, ob Frau, die vorgibt, Paula zu heissen und das ältere Ehepaar noch dastehen oder ob sie vielleicht schon klein beigegeben haben. Er überblickt den Berghang etwa zur Hälfte, und sagt sich, dass er fürs erste in Sicherheit ist. In der Folge geht er leichtfüssig quer übers weiche Gras der Hochfläche, sieht, die grossen Wolkengebirge, die sich auftürmen und sagt sich, dass es demnächst regnen oder vielleicht sogar schneien wird. Auch die grandiose Aussicht ist heute hinter schweren Wolken verborgen, was ihm aber nur recht ist. Einmal, als er nicht auf seine Schritte achtet, stolpert er und fällt der Länge nach in eine der Grasmulden. Nach dem ersten Schreck merkt er, wie weich das Gras in der Mulde ist, rekelt sich ein wenig und gönnt sich eine Pause. Er streckt sich lang aus und richtet seine Blicke auf die tiefhängenden Wolken. Eine ganze Weile liegt er reglos da, erst als ihn der Schlaf zu übermannen droht, rappelt er sich wieder auf. Weil die Wolken beinahe mit Händen zu greifen sind, sagt sich Sam, dass es demnächst regnen oder schneien wird und er möglichst bald einen Unterschlupf finden sollte. In der Folge umrundet er die Hochfläche mehrmals und entdeckt schliesslich an ihrem äussersten Rand eine, wie es scheint, verlassene Hütte. Aber Sam bleibt wachsam und nähert sich nur vorsichtig. Die Hütte ist aus rohen Brettern gefertigt und hat eine schwarze Plastikplane als Dach. Ihre Tür ist sonderbar klein für den weitaus zu grossen Türrahmen. Zwischen Tür und Türrahmen klafft ein breiter Spalt, durch den man sich ins Innere der Hütte zwängen kann. Um sie dennoch zu verschliessen, hat der Besitzer der Hütte einen Nagel in den Türrahmen geschlagen und eine Schnur mehrfach um den Nagel und um die Türklinke gewunden. Will sich also jemand Eintritt verschaffen, muss er erst die Knoten der Schnur lösen. Sam macht sich auch sogleich an den Knoten zu schaffen, bemüht sich aber eine ganze Weile vergebens. Allerkomplizierteste Knoten, denkt er sich ärgerlich und zieht und zerrt an der Schnur. Wenn ich sie zerreisse, bringe ich den Besitzer der Hütte gegen mich auf, denkt er und lässt schliesslich resigniert die Hände sinken. Eine Weile steht er ratlos da, dann beschliesst er, ein letztes Mal nach seinen Verfolgern zu sehen. Er geht quer über die Hochfläche zu dem bergab führenden Pfad zurück und sieht die Ansiedlung spielzeughaft klein daliegen. Sogleich fällt ihm die Station der Gondelbahn ins Auge und er sieht eine Gondel die Station verlassen und rasch in die Tiefe sinken. Trifft sie ein Sonnenstrahl, blinkt sie metallen und Sam muss den Blick abwenden. In der Folge richtet er seine Aufmerksamkeit wieder nach unten, kann aber von seinem Standort aus nur einen Teil des Parkplatzes übersehen. Was sich am Fuss des Berges zuträgt, entzieht sich seinen Blicken und er wüsste zu gern, ob seine Verfolger schon aufgeggeben haben. Er beugt sich gefährlich weit vor, legt sich schliesslich hin und schiebt sich vorsichtig ein Stück für Stück vor. So kann er endlich alles überblicken und tatsächlich sieht er seine drei Verfolger klein wie Spielzeugfiguren am Fuss des Berghangs stehen. Er sieht, dass sie die Köpfe zusammenstecken und sich eingehend beraten, und kommt zum Schluss, dass ihn die Frau aufs schlimmste belogen hat. Er sieht sie das grosse Wort führen und gestikulieren und beobachtet, dass das ältere Ehepaar gebannt an ihren Lippen hängt. Spricht die hiesige Sprache ja doch, denkt sich Sam, sagt sich dann aber, dass er hier heroben fürs erste in Sicherheit ist und geht eilends zu seinem Unterschlupf zurück. Die grossen Wolkengebirge kann er beinahe mit Händen greifen und Sam denkt erneut, dass es nach Regen oder womöglich sogar nach Schnee aussieht. Er ist froh, als er die Hütte erreicht, umrundet sie mehrmals, inspiziert sie aufs genaueste und findet alles in bester Ordnung. Dass die Wände aus rohen, grob aneinandergefügten Brettern bestehen und das Dach aus einer schwarzen Plastikplane, hat er schon vorhin registriert, jetzt entdeckt er an der Rückseite einen grasbewachsenen Pfad, der von der Hütte weg bis zum Rand der Hochfläche führt. Sam folgt ihm sogleich und sieht, dass der Pfad bergab führt, dass er sich in zahllosen Kehren den Berghang hinunterwindet und nickt zufrieden mit dem Kopf. Dass es noch einen Weg gibt, der nach unten führt, beruhigt ihn sehr. Nehme ich diesen Weg, laufe ich meinen Verfolgern nicht in die Arme, denkt er sich und ist einen Augenblick unschlüssig. Theoretisch könnte ich mich auch gleich an den Abstieg machen, denkt er und betrachtet die Wolken über seinem Kopf prüfend. Sie sind zum Greifen nahe und er sagt sich, dass es jeden Augenblick zu regnen beginnen kann. Also kehrt er zur Hütte zurück und verschafft sich energisch Einlass. Er zerreisst die Schnur mit einem Ruck und zwängt sich durch den Türspalt ins Innere, wo ein diffuses Halbdunkel herrscht. Sogleich stösst er sich den Kopf an einem vorstehenden Nagel und spürt einen vagen Schmerz dort, wo noch vor ein paar Tagen die Beule war. Er hält sich schützend die Hand vor die Stirn und als er gleich neben der Tür eine Art Bettstatt entdeckt, lässt er sich vorsichtig darauf nieder. Eine ganze Weile sitzt er reglos da, solange, bis sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt haben. Er entdeckt neben dem Bett steht ein Teller, auf dem sich eine Kerze und Streichhölzer befinden und macht sogleich Licht. Er sieht sich um und findet alles aufs beste geordnet. Die Bettstatt besteht aus grossen Steinen, auf die man mehrere Bretter gelegt hat. Die klumpige Matratze ist feucht und durchgelegen und eine graue Pferdedecke liegt fein säuberlich gefaltet am Fussende. Sam betrachtet die Kochstelle in der Ecke und das Regal mit Lebensmitteln, das an der Wand angebracht ist. An mehreren Nägeln hängen Kleidungsstücke, dass es Frauenkleider sind, wundert Sam. Vielleicht gehört die Hütte einer Schafhirtin oder Kräutersammlerin, denkt er sich und ein starker Geruch nach feuchter Erde steigt ihm in die Nase. Er atmet nur vorsichtig und mustert die dunklen Flecken auf dem lehmigen, festgestampften Boden. Dann richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf die grob aneinandergefügte Bretterwand und auf das Kopfende der Bettstatt. Dort ist eine Ansichtskarte mit einem Reissnagel befestigt, das erregt Sams Interesse. Die Karte zeigt ein barockes Stift, das sich in der Nähe von Sams früheren Wohnort befindet. Gerade dieses Stift hat er oftmals mit Paula besucht. Er ist mir ihr im barocken Stiftsgarten spazierengegangen und hat ihr die Namen der Blumen und Gräser genannt. Sam schüttelt verwundert den Kopf, was für ein Zufall, denkt er sich, streckt die Hand aus, und löst die Karte vorsichtig von der Wand. Er dreht sie um, hält sie ins Kerzenlicht und entdeckt, dass die kurze Mitteilung in seiner Sprache geschrieben ist. Liebe Schwester, der Mutter geht es schlecht, liest er halblaut. Mehr ist nicht zu entziffern, obwohl er seine Augen über die Maßen anstrengt, die ineinandergeronnenen Buchstaben sind unleserlich und Sam bemüht sich eine Weile vergebens. Auch der Poststempel ist nicht viel mehr als ein verschwommener blauer Fleck und schliesslich befestigt Sam die Karte wieder sorgsam an der Wand. Er sitzt eine ganze Weile reglos da und bemerkt allmählich, wie überaus müde er ist. Aber seine drei Verfolger stehen ihm ganz deutlich vor Augen und er sagt sich, dass er sich keinesfalls in Sicherheit wiegen darf. Entschliessen sich die drei, hier heraufzusteigen, ist es ihnen ein Leichtes, mich aufzustöbern, denkt er sich und ist für einen Augenblick in allergrösster Sorge. Er steht auf und versucht, die Tür so gut wie möglich zu schliessen, aber trotz aller Bemühungen bleibt ein handbreiter Spalt offenstehen. Schliesslich hebt Sam die Schnur vom Boden auf und knüpft die zerrissenen Enden aneinander. Er windet die Schnur mehrmals um die Türklinke und den Nagel im Türrahmen und zieht sie möglichst fest an. Dann versucht er probeweise, die Tür zu öffnen, was ihm aber nicht gelingt. Er sagt sich, dass er fürs erste in Sicherheit ist und setzt sich erneut auf die Bettstatt. Jetzt lässt er sich willig von der Müdigkeit übermannen, streckt sich lang aus und legt den Kopf auf die ein wenig feuchten Polster. Als ihn fröstelt, zieht er die Pferdedecke über sich. Im Traum sieht er Paula mit der Gondel nach oben fahren. Er selbst befindet sich in der Station und wartet auf sie. Wenn er den Kopf in den Nacken legt, kann er das Schild mit der Aufschrift ‚Téléphérique‘ sehen. Es befindet sich genau über ihm. Sam ist über die Maßen ungeduldig und verärgert, weiss aber nicht warum. Ein ums andere Mal ballt er die Fäuste und als die Gondel in die Station einfährt und er Paula hinter der grossen Scheibe entdeckt, muss er sich mehrmals räuspern. Über seinem Kopf beginnt das Schild ‚Téléphérique‘ zu blinken. Als sich die Tür der Gondel öffnet, steigt Paula als erste aus. Sam hält sich absichtlich im Hintergrund. Paula sieht sich suchend um, aber er bleibt ganz ruhig in seiner Ecke stehen. Er wartet, bis sie ihn von selber entdeckt. Als sie auf ihn zuläuft, verschränkt er die Arme vor der Brust und zeigt ihr ein finsteres Gesicht. Er betrachtet Paula voller Abneigung, ihr Gesicht ist fleckig und verschwollen und ihre Augen sind rotgerändert. Die Fahrt hierher war furchtbar, sagt sie und stellt ihre Tasche ab.
„Eine wahre Odyssee“.
Dann will sie Sam umarmen, aber er macht sogleich auf dem Absatz kehrt und verlässt die Station. Meine Tasche, ruft sie hinter ihm her, aber er denkt nicht daran, sich mit Paulas Tasche abzuschleppen. Er stürmt vorwärts und als er nach einer Weile den Kopf dreht, sieht er, dass Paula wacker Schritt hält. Die Tasche schlägt bei jedem Schritt gegen ihre Beine und sie bittet ihn mehrmals, ein wenig langsamer zu gehen. Aber Sam kehrt sich nicht dran. Manchmal macht er sich sogar einen Spass daraus, unvermutet in die eine oder andere Gasse zu biegen, sodass Paula ihn gänzlich aus den Augen verliert. Dann hört er ihr Rufen und lässt absichtlich ein wenig Zeit verstreichen, bevor er sich zeigt. So laufen sie kreuz und quer durch die Ansiedlung. Sams Absicht ist es, Paula zu ermüden. Das gelingt am besten, wenn er sie zwingt, lange Strecken zu Fuss zu gehen, soviel weiss er noch von früher. Wo ist denn nun deine Wohnung, ruft ihm Paula manchmal hinterher, aber dann zuckt er bloss die Achseln und deutet vage in die Ferne. Sie durchqueren die Ansiedlung in alle Richtungen und als sie das dritte Mal bei der Hauptstrasse anlangen, dreht Sam den Kopf und wirft Paula einen prüfenden Blick zu. Müsste jetzt eingetlich müde genug sein, denkt er sich und schlägt den Weg zu den Liftstützen ein. Gehen wir jetzt endlich in deine Wohnung, ruft Paula hinter ihm her und versucht ihn einzuholen, aber Sam eilt mit grossen Schritten vorwärts. Als sie endlich bei den Liftstützen angelangt sind, kontrolliert er als erstes das von ihm gegrabene Loch. Er stellt fest, dass die Ränder hier und da eingebrochen sind und sieht sich suchend nach einem Spaten um. Rund um die nächste Liftstütze liegt das Werkzeug der Arbeiter, haben einfach alles fallen lassen, denkt sich Sam und betrachtet die Spaten prüfend. In allen Grössen und Ausführungen liegen sie da und Sam nimmt erst einen, dann wieder einen anderen vom Boden auf und begutachtet sie aufs genaueste. Er überprüft, wie sie in der Hand liegt, wie das Schaufelblatt geformt ist und kann sich gar nicht gleich entscheiden. Währenddessen steht Paula mit hängenden Armen neben ihm und bittet ihn mehrmals, sie doch endlich von hier wegzubringen. Wann gehen wir jetzt endlich in deine Wohnung, fragt sie ein ums andere Mal, ich bin todmüde, ich muss mich ausruhen.
„Immerhin war ich drei Tage und drei Nächte unterwegs.“
Wieso hast du mich überhaupt hierherkommen lassen, fragt sie, wenn du mir die Nachricht nicht geschickt hättest, wäre ich ohnehin nicht gekommen. Ihre Stimme klingt weinerlich, was Sam aber nicht im geringsten bekümmert. Auch ihre Vorhaltungen lassen ihn völlig kalt. Er macht sich weiter an den Spaten zu schaffen und überprüft einen nach dem anderen. Schliesslich entscheidet er sich für einen mit einem besonders breiten Schaufelblatt, der ihm besonders gut in der Hand liegt. Damit lassen sich die Ränder rund um die Grube penibel festklopfen, Sam gibt sich allergrösste Mühe, erst als an den Rändern beim besten Willen nichts mehr zu tun ist, wendet er sich an Paula. Los steig da hinein, sagt er zu ihr und sein Tonfall ist der allerbestimmteste. Paula sieht ihn erschrocken an, seit ihrer Ankunft hat er das erste Mal direkt zu ihr gesprochen. Na los, steig hinein, wiederholt er und macht eine auffordernde Handbewegung. Paula muss sich mehrmals räuspern und hebt ratlos die Hände. Was soll das, fragt sie und sieht ihm direkt ins Gesicht, das ist nicht komisch, Sam, was ist los mit dir, ich erkenne dich gar nicht wieder. Sie stellt sich direkt vor ihn und versucht seinen Blick einzufangen, aber Sam dreht den Kopf zur Seite. Paulas Gesicht so nahe vor sich zu haben, ist ihm über die Maßen unangenehm. Also tritt er ein paar Schritte zurück und fordert sie nochmals auf, ins Loch zu steigen. Das ist nicht komisch, Sam, sagt Paula, was um Himmels Willen ist los mit dir? Sieh mich an, Sam, sagt sie und nähert sich erneut. Sie scheut sich nicht, ihre Hände auszustrecken, sie an seine Wangen zu legen und so seinen Kopf festzuhalten. Damit zwingt sie ihn, ihr direkt ins Gesicht zu sehen, was Sam zu eine heftigen Abwehrbewegung veranlasst. Aber Paula will nicht loslassen. Sie bemüht sich, ihn festzuhalten und berührt dabei auch die allerempfindlichste Stelle auf seiner Stirn. Zwar ist von der Beule mittlerweile nichts mehr zu sehen, aber Sam spürt trotzdem sogleich den allerheftigsten Schmerz. Er stösst Paula wütend beiseite und bringt sich in Sicherheit. Fass mich bloss nicht mehr an, sagt er und sieht Paula das erste Mal direkt ins Gesicht. Er sieht sogleich, dass sie sich sehr zu ihrem Nachteil verändert hat. Die Sommersprossen auf ihrer Nase sind beinahe verschwunden und auch das intensive Grünblau ihrer Augen ist verblasst. Die Wahrheit ist, dass sie grau und müde aussieht und niemand einen weiten Blick für sie übrig hätte, soviel ist sicher. Jetzt kräht kein Hahn mehr nach ihr, denkt er sich und mustert sie vom Kopf bis zu den Füssen Können wir jetzt endlich in deine Wohnung gehen, fragt Paula und tritt unter seinem Blick unbehaglich von einem Fuss auf den anderen. Was ist das überhaupt für eine Begrüssung, sagt sie, du hetzt mich kreuz und quer durch die Strassen, redest kein Wort mir mir und benimmst dich gänzlich unmöglich.
„Wieso hast du mich dann überhaupt hierherkommen lassen?
Sam denkt sich, dass zumindest ihre Stimme noch so wie früher klingt und verschliesst seine Ohren vor dem angriffslustigen und bestimmten Tonfall. Na los, steig hinein, sagt er und als Paula bemerkt, dass es ihm ernst ist, will sich umdrehen und weglaufen. Aber Sam mit wenigen Schritten bei ihr, packt sie an beiden Armen und zerrt sie zur Grube zurück. Paula versucht, sich aus seinem Griff zu befreien und stemmt sich mit beiden Beinen gegen den Boden. Aber sie hat keine Chance gegen Sam. Er stellt zufrieden fest, dass er kräftiger ist als früher. Es ist ihm ein Leichtes, Paulas Widerstand zu überwinden und um ihr klarzumachen, dass es ihm ernst ist, schüttelt er sie ordentlich durch. Ihr Kopf pendelt willenlos hin-und her und Sam hört ihre Zähne aufeinanderschlagen. Mach mir bloss keine Schwierigkeiten, sagt er und hört nicht auf, Paula mit aller Kraft zu schütteln. Wut übermannt ihn, jetzt schlag dich grün und blau, stösst er hinter zusammengebissenen Zähnen hervor., aber dann fällt sein Blick auf eine etwas weiter entfernte Liftstütze. Mehrere Leute haben sich dort versammelt und er erkennt unter ihnen die Frau, die vorgibt, auch Paula zu heissen, das ältere Ehepaar, die Bauarbeiter und die Feuerwehrleute. Sam zuckt verlegen die Achseln und lockert seinen Griff um Paulas Arm. Es versteht sich, dass sie sich sogleich losreisst und weglaufen will. Aber in ihrer Hast stolpert sie, verliert das Gleichgewicht und fällt ganz ohne Sams Zutun in die Grube. Aber sie rappelt sich sogleich wieder auf und versucht, herauszuklettern. Sam sagt sich, dass Eile geboten ist und nimmt den Spaten zur Hand. Er beginnt, Erde in die Grube zu schaufeln, arbeitet schnell und präzise und hat in kurzer Zeit Paula bis zur Hüfte eingegraben. Dass sie wild gestikuliert und laut und ausdauernd um Hilfe ruft, stört ihn nicht weiter. Davon lässt er sich nicht beirren, er arbeitet mit Akkuratesse und klopft zuguterletzt die Erde rund um sie fest. Keinesfalls kann sie sich jetzt selbst noch befreien, denkt er sich, tritt zurück und begutachtet sein Werk. Er findet, dass er seine Sache sehr gut gemacht hat und legt den Spaten beiseite. Als er den Kopf dreht, sieht er, dass sich mittlerweile eine richtige Menschenmenge bei der Liftstütze versammelt hat. Die Frau, die vorgibt, Paula zu heissen, das ältere Ehepaar, die Feuerwehrleute und die Bauarbeiter stehen in der ersten Reihe und die Frau gibt wie immer den Ton an. Sie erteilt den anderen Anweisungen, holt einen handlichen, etwa kinderkopfgrossen Stein aus ihrer Schürzentasche und hebt ihn demonstrativ in die Höhe. Daraufhin zerstreuen sich alle und beginnen nach ebensolchen Steinen zu suchen. Dann wirft sie Sam einen auffordernden Blick zu. Paula muss zur Ruhe gebracht werden, ihr Geschrei ist über die Maßen störend, darüber ist Sam sich vollkommen im klaren. Er beugt sich zu ihr und fordert sie auf, still zu sein. Das Geschrei nützt dir gar nichts, begreif das doch, sagt er, aber Paula ist uneinsichtig. Sie gestikuliert wild, sieht Sam mit hervorquellenden Augen an und ruft mit gellender Stimme weiter um Hilfe. Sam schüttelt den Kopf und kniet sich vorsichtig an den Grubenrand. Dann beugt er sich so gut wie möglich zu ihr und versucht, sie Vernunft zu bringen. Sei doch still, sagt er, das nützt dir gar nichts, begreif das doch.
„Du machst es dir nur schwerer damit.“
Sam spricht mit Engelszungen zu ihr, aber Paula hört nicht. Sie schreit. streckt ihre Arme nach Sam aus und er lässt alle Vorsicht ausser acht und neigt sich gefährlich weit vor. Paula kriegt ihn an den Haaren zu fassen und versucht, ihn in die Grube zu zerren. Gottlob kommt ihm die Frau zu Hilfe. Sie eilt herbei, packt Paulas Handgelenke und presst sie so fest, dass Paula mit einem Schmerzenschrei loslässt. Danke, sagt Sam in seiner Sprache, und richtet sich ein wenig benommen auf. Keine Ursache, sagt die Frau, macht kehrt, und geht wieder zu den anderen zurück. Sie stellt sich zu ihnen und tauscht amüsierte Blicke mit ihnen. Kein Zweifel ist möglich und Sams Zorn auf Paula wächst ins Unermessliche. Tatsache ist, dass sie ihn vor allen Leuten blamiert hat. Er hat gewisserMaßen sein Gesicht verloren, das ist eine Tatsache. Er muss an seinen Quartiergeber denken, der immer noch auf sich warten lässt. Wird nicht ausgerechnet heute hier heroben auftauchen, denkt er sich und hält seine Augen auf Paula gerichtet. Sie ruft unermüdlich um Hilfe, aber ihre Stimme ist jetzt schon deutlich schwächer und hin und wieder verstummt sie für Minuten. Sam sagt sich, dass alles seinen geplanten Gang geht. Um sich die Zeit zu vertreiben, nimmt er den Spaten wieder auf und klopft die Grubenränder erneut fest. Er gibt sich alle Mühe damit und legt den Spaten erst beiseite, als endgültig Stille eingekehrt ist. Die Leute an den Liftstützen halten kinderkopfgrosse Steine in den Händen und treten erwartungsvoll von einem Fuss auf den anderen. Als erste setzt sich die Frau in Bewegung. Im Näherkommen erteilt sie den Leuten neben ihr genaue Anweisungen, die diese sofort weitergeben. Sam bewundert die Selbstverständlichkeit, mit der jeder den ihm zustehenden Platz einnimmt. Alles läuft präzise und ohne die geringste Störung ab und er fragt sich, wer wohl den ersten Stein werfen wird. Dass schliesslich die Frau als erste vortritt, wundert ihn nicht. Versteht sich eigentlich von selber, denkt er sich und tritt ein paar Schritte zurück. Im Grunde ist seine Aufgabe hier beendet und er hat hier nichts mehr zu suchen. Keinesfalls darf er den geregelten Ablauf der Zeremonie stören. Er beobachtet nur noch, wie die Frau mit dem Stein in der Hand weit ausholt und Paula seitlich am Kopf trifft. Er hört, dass Paula aufschreit und sieht ein schmales, blutiges Rinnsal an ihrer Wange. Sam nickt zufrieden und wendet sich ab. Mit raschen Schritten verlässt er den Bereich rund um die Liftstützen und sieht zu, dass er zurück zur Hauptstrasse gelangt. Jetzt hat er es eilig, zurück in seine Wohnung zu kommen. Er nimmt den kürzesten Weg quer durch die Ansiedlung und registriert, dass die Strassen vollkommen leer sind. Alle sind bei den den Liftstützen, so ein Ereignis lässt sich keiner entgehen, denkt er sich und beschleunigt seine Schritte. Der Weg zu seinem Wohnhaus kommt ihm heute länger als normal vor. Als es endlich in Sicht kommt, atmet er erleichtert auf. Er durchquert die Halle, ohne sich um die Rezeptionisten zu kümmern und sieht den Aufzug schon mit geöffneten Türen bereitstehen. Ohne weiteren Aufenthalt gelangt er nach oben. Während er eilends den langen Gang entlanggeht, tastet er schon nach dem Schlüssel in seiner Tasche. Er öffnet die Wohnungstür und sogleich dringt ihm ein fremder Geruch in die Nase. Alarmiert bleibt er auf der Türschwelle stehen. Er sieht er sich um, kann aber keine Veränderung entdecken und überlegt, was als nächstes zu tun ist. Dann geht er auf Zehenspitzen zur Tür, die in den Wohnraum führt und stösst sie vorsichtig auf. Der Anblick seines Quartiergebers, der auf dem Sofa sitzt und den Kopf nach ihm dreht, lässt ihn zurückschrecken. Sie hier, sagt er stammelnd, was für eine Überraschung. Sind Sie also doch noch gekommen, sagt er und muss mehrmals schlucken. Sein Quartiergeber mustert ihn eingehend und schüttelt den Kopf. Du bist bleich wie der Tod, sagt er in Sams Sprache, worauf Sam eine gerade Haltung einnimmt und sich um eine freundliche Miene bemüht. Gerade heute habe ich sie nicht erwartet, sagt er, Sie haben mich überrascht, ich gebe es zu.
"Aber fühlen Sie sich trotzdem wie zu Hause.“
Sam hört seine eigene Stimme im Traum und erwacht schlagartig. Was für ein Unsinn, sowas zu seinem Quartiergeber zu sagen, denkt er sich und sieht mit blicklosen Augen um sich. Lange betrachtet er die Wände mit den nachlässig aneinandergefügten Brettern und den breiten Ritzen dazwischen. Er fragt sich, wie er eigentlich hierhergekommen ist und erinnert sich an die Frau, die vorgibt, Paula zu heissen. Dann fällt ihm das ältere Ehepaar ein und er sagt sich, dass er alles in allem noch Glück gehabt hat. Ich bin ihnen entkommen, denkt er sich und versucht durch eine besonders breite Ritze nach draussen zu sehen. Weil die Bretterwand den Wind nicht zur Gänze abhält, spürt er einen Luftzug im Gesicht. Wenn die Windstösse besonders heftig sind, bewegen sich sogar die Frauenkleider an der Wand. Das erinnert Sam an die rechtmässige Bewohnerin der Hütte und er sagt sich, dass er nicht ewig hier drinnen bleiben kann. Höchste Zeit, mich wieder an den Abstieg zu machen, denkt er und richtet sich langsam auf. Als plötzlich und völlig unerwartet Stimmen an sein Ohr dringen, erstarrt er für einen Moment vor Schreck. Dann legt er sein Gesicht an eine besonders breite Ritze und versucht, nach draussen zu sehen. Er kann aber nichts Befremdliches entdecken. Habs mir wohl nur eingebildet, denkt er sich und entspannt sich ein wenig. Er sagt sich, dass er überreizt ist und kühlen Kopf bewahren muss, als erneut eine Stimme an sein Ohr dringt. Es ist ganz eindeutig die Stimme der Frau, die vorgibt, auch Paula zu heissen, kein Zweifel ist möglich. Sam ringt die Hände und sieht sich in Panik nach einem Versteck um. Er hört die Frau aus nächster Nähe in der hiesigen Sprache reden. Eine Männerstimme antwortet ihr und Sam läuft ein paarmal von einer Hüttenwand zur anderen. Vergebens sieht er sich nach einem Versteck um und versucht schliesslich, sich unter die Bettstatt zu zwängen. Aber der Zwischenraum ist weitaus zu schmal und seine Bemühungen sind gänzlich vergeblich. Der Raum zwischen Bettstatt und Boden ist weitaus zu schmal, also richtet er sich wieder auf und schlüpft unter die Frauenkleider, die an der Wand hängen. Er drapiert die Kleider so gut wie möglich um sich und hört die Frau aus nächster Nähe in seiner Sprache reden. Ich könnte schwören, dass er da drinnen ist, hört er sie sagen und zieht sich die Kleider übers Gesicht. Er steht ganz still und hofft, dass man ihn nicht auf den ersten Blick entdeckt. Er verkriecht sich so gut wie möglich unter den Kleidern, atmet flach und hört, wie die Frau in der hiesigen Sprache mit den beiden anderen redet. Dann hört er die Tür knarren und blinzelt unter den Kleidern hervor. Er sieht die Hände des Mannes vergeblich an der Schnur zerren und schöpft kurzzeitig ein wenig Hoffnung. Sobald die Tür offen ist, stosse ich alle zur Seite und laufe davon, denkt er sich, ich folge dem grasbewachsenen Pfad direkt bis zur Steilkante und mache mich dann sogleich an den Abstieg. Er beobachtet die Hände des Mannes, die wütend an der Schnur zerren und sie schliesslich mit grober Gewalt entzweireissen. Die Tür wird weit aufgestossen und Sams Verfolger drängen alle zugleich in die Hütte. Er lässt seinen Plan, einfach wegzulaufen, fürs erste fallen und presst sich eng an die Wand. Da ist er ja, hört er die Frau aber sogleich sagen. Sie zieht die Kleider von seinem Gesicht und betrachtet ihn mit belustigten Blicken. Was soll das Theater, fragt sie, du machst uns über Gebühr viel Mühe, weisst du das? Meine beiden Freunde hier sind gar nicht gut zu sprechen auf dich. Sie weist auf ihre Begleiter, die Sam tatsächlich die allerfinsterste Miene zeigen. Sie fürchten, dass du sie für dumm verkaufen willst, sagt die Frau und sieht ihn auffordernd an. Aber Sam hält die Augen auf den Boden gerichtet, presst die Lippen aufeinander und antwortet nicht. Das missfällt der Frau über die Maßen, sie versetzt Sam mehrere grobe Stösse und fordert ihn auf, sie anzusehen. Sieh mich an, wenn ich mit dir rede, sagt sie und mustert ihn vom Kopf bis zu den Füssen. Weisst du eigentlich, wo du dich hier eingenistet hast, fragt sie und lässt ihr unangenehmes Lachen hören, das Sam einen Schauer über den Rücken jagt. Er schüttelt den Kopf und hält seine Blicke weiter auf den Boden gerichtet. Wie es der Zufall will, bist du hier in meiner Hütte gelandet, gewisserMaßen in der Höhle des Löwen, sagt sie. Der Löwin natürlich, setzt sie nach einer Weile hinzu und lacht erneut. In der Folge kehrt sie Sam den Rücken und spricht mit ihren beiden Begleitern in der hiesigen Sprache. Sam stellt fest, dass der Tonfall zwischen den dreien gereizt ist und schöpft ein klein wenig Hoffnung. ‚Mens sana in corpore sano‘ sagt der Mann einmal, was Sam sogleich aufhorchen lässt. Er hebt seine Augen vom Boden und heftet sie auf den Mann. Verstehst du die hiesige Sprache etwa doch, fragt die Frau aber sogleich, ich denke, du verstehst nichts? Sam will ihr in lockerem Ton antworten, aber seine Kehle ist wie zugeschnürt. Ich verstehe gar nichts, sagt er, nachdem er sich ein paarmal geräuspert hat. Daraufhin lacht die Frau wieder ihr unangenehmes Lachen und stellt sich ganz nahe vor Sam. Aber was ‚Mens sana in corpore sano‘ heisst, weisst du schon, fragt sie, streckt ihre Hand aus und fährt tastend über seine Schultern und Oberarme. Sam ist auf das unangenehmste berührt und versucht, sich ihrer tastenden Hand zu entziehen. Er schiebt sich ein Stück die Bretterwand entlang, worauf die Frau ihm einen derben Stoss versetzt. Komm weg von der Wand, sagt sie, stell dich hierhin. Sie weist auf einen Platz in der Mitte des Raumes und Sam folgt ihrem Befehl sogleich. Während er mit gesenktem Kopf und hängenden Armen dasteht, sagt er sich, dass die Dinge die schlechtestmögliche Wendung genommen haben. Um sich ein wenig abzulenken, legt er sich einen Fluchtplan zurecht und sieht mit verlangenden Blicken zur Tür hin. Er hört die Frau mit den beiden anderen in der hiesigen Sprache reden und erneut fällt ihm der gereizte Tonfall zwischen den dreien auf. Wieder hört er den Mann ‚Mens sana in corpore sano‘ sagen. Sam sieht ihn gestikulieren und schnell in der hiesigen Sprache reden und denkt sich, dass der Mann seinem Quartiergeber ähnelt. Schliesslich wendet sich die Frau wieder zu Sam, zeigt ihm eine finstere Miene und mustert ihn eingehend. Unter ihrem Blick verlässt Sam aller Mut und er tritt verlegen von einem Fuss auf den anderen. Hast du gewusst, dass das meine Hütte ist, ja oder nein, fragt die Frau und Sam schüttelt eifrig den Kopf. Nein, natürlich nicht, sagt er, ich habe bloss einen Unterstand gesucht und bin zufällig hierhergeraten. Bist also sozusagen in die Falle gegangen, sagt die Frau und streckt ihre Hand aus. Sie fasst Sam mit einer vertraulichen Geste unters Kinn und er befreit sich mit einer ruckartigen Kopfbewegung aus ihrem Griff. Das erheitert den Mann über die Maßen, er will sich beinahe ausschütten vor Lachen und nähert sich Sam. ‚Mens sana in corpore sano‘, sagt er und betastet Sams Oberarme und Schenkel. Sam versucht vergebens, ihn abzuwehren. lassen Sie mich in Ruhe, sagt er mehrmals in seiner Sprache und wirft der Frau einen hilfesuchenden Blick zu. Aber sie zuckt bloss die Achseln. Sam sagt sich trotzdem, dass seine Sache noch nicht gänzlich verloren ist. Vielleicht gelingt es mir, einen Keil zwischen sie und ihre Begleiter zu treiben, denkt er sich und bemüht sich um einen gewinnenden Gesichtsausdruck. In der Folge wehrt er sich nicht mehr gegen die tastenden Hände des Mannes und lässt ihn gewähren. Er verhält sich ganz still, hört den Mann mehrmals ‚Mens sana in corpore sano‘ sagen und tauscht einmal einen langen Blick mit der Frau. Das Verhalten des Mannes scheint ihr zu missfallen, ihre Miene ist düster und sie geht mit grossen Schritten von der einen Hüttenwand zur anderen. Sam unterdrückt den Impuls, die tastenden Hände des Mannes wegzuschieben und hält still, bis der Mann endlich von ihm ablässt. Er redet schnell und in überzeugendem Ton in der hiesigen Sprache, aber die Frau schüttelt mehrmals den Kopf. Ihr Tonfall ist schroff und kurz angebunden und einmal stampft sie sogar wütend mit dem Fuss auf. Sam hat den Eindruck, dass es schlimmste Unstimmigkeiten zwischen den beiden gibt und versucht vergebens, herauszufinden, worum es geht. In der Folge kommt es zu einem heftigen Wortwechsel zwischen den beiden und er denkt sich, dass jetzt der Zeitpunkt für einen Fluchtversuch gekommen ist. Er bewegt sich vorsichtig zur Tür hin, ein scharfer Zuruf der Frau stoppt ihn aber sogleich wieder. Schön hiergeblieben, sagt sie und macht sich in der Folge an der Kochstelle zu schaffen. Alles feucht hier drinnen, hört Sam sie in seiner Sprache sagen und beobachtet ihr Hantieren mit Streichhölzern und Kartonstücken. Sie bemüht sich eine ganze Weile, aber es gelingt ihr nicht, ein Feuer zu entfachen. Schliesslich richtet sie sich wieder auf, läuft nervös von einer Hüttenwand zur anderen und bedenkt ihre Begleiter mit bösen Blicken. Die beiden sitzen nebeneinander auf der Bettstatt, stecken die Köpfe zusammen und beraten sich leise. Unerhört, das alles, hört Sam die Frau in seiner Sprache sagen und versucht, ihren Blick einzufangen. Er verzieht den Mund zu einem Lächeln und als sie ihn im Vorübergehen streift, zwingt er sich, ruhig stehenzubleiben. In der Folge lässt er es zu, dass sie mit ihren Armen über seinen Rücken streift und sich manchmal an seine Brust drängt. Sie legt alle Zurückhaltung ab, streift ihn immer wieder auf das Unangenehmste und einmal umarmt sie ihn sogar. Na siehst du, jetzt werden wir doch noch Freunde, sagt sie und sieht ihm aus nächster Nähe ins Gesicht. Sam verzieht die Mundwinkel zu einem Lächeln und zeigt ihr ein freundliches Gesicht. Als die Frau seine Arme betastet und mehrmals ‚Mens sana in corpore sano‘ sagt, macht er nicht die geringste Abwehrbewegung. Daraufhin drängt sie sich noch fester an seine Brust, ich bin hochzufrieden mit dir, sagt sie leise in seiner Sprache und umschlingt ihn mit beiden Armen. Sam dreht den Kopf zur Seite und fragt sich, ob es ihm wohl gelingen wird, die Frau gänzlich auf seine Seite zu ziehen. Er legt sich einen minutiösen Fluchtplan zurecht und sieht verlangend zur Tür hin. Mit ein paar grossen Sätzen aus der Hütte hinaus, dann den grasbewachsenen Pfad entlang bis zur Abbruchkante, denkt er sich und hält seine Arme und Beine so eng wie möglich an sich gepresst. Er weiss, dass er dem Impuls, die Frau einfach wegzustossen, keinesfalls nachgeben darf, atmet flach und heftet seine Augen auf die Ritzen in der Bretterwand. Ich sehe schon, ich darf es nicht übertreiben, sagt die Frau aber ganz plötzlich und zieht sich ein wenig zurück. In der Folge hält sie etwas mehr Abstand und Sam kann ein klein wenig aufatmen. Die beiden auf der Bettstatt langweilen sich sichtlich, stecken hin und wieder die Köpfe zusammen und flüstern miteinander. Einmal will sich der Mann, über etwas, was ihm seine Frau ins Ohr flüstert, beinahe ausschütten vor Lachen, bückt sich und untersucht den schmalen Raum zwischen Bettstatt und Fussboden. Er entfaltet die Pferdedecke, überprüft die Matratze an mehreren Stellen und flüstert erneut mit seiner Frau. Als ihm die Ansichtskarte mit dem barocken Stift ins Auge fällt, streckt er sogleich die Hand danach aus. Er reisst die Karte unachtsam von der Wand und hält sie ins Licht. ‚Liebe Schwester, der Mutter geht es schlecht‘, liest er langsam und die fremden Worte klingen gänzlich falsch in seinem Mund. Sam sieht, dass die Frau unwillig den Kopf schüttelt, sie geht mit ein paar raschen Schritten zur Bettstatt und stellt den Mann in der hiesigen Sprache zur Rede. Ihr Tonfall ist der bestimmteste, aber der Mann kehrt sich nicht dran. ‚Liebe Schwester, der Mutter geht es schlecht‘ liest er und als ihm die Frau die Karte entreissen will, lässt er nicht los. In der Folge entwickelt sich ein erbitterter Kampf und schliesslich reisst die Karte in der Mitte entzwei. Das lässt Sam erneut Hoffnung schöpfen. Ein Streit zwischen der Frau und ihren Begleitern kann seiner Sache nur nützen und tatsächlich gerät die Frau über die entzweigerissene Karte ausser sich. Ihr Schimpfen und Gestikulieren will kein Ende nehmen, aber die zwei auf der Bettstatt kehren sich nicht dran. Sie zeigen ihr bloss ein höhnisches Gesicht, stecken sie die Köpfe zusammen und wollen sich ausschütten vor Lachen. Endlich verstummt die Frau, zuckt resigniert die Achseln und wendet sich ab. Sie versucht, die Teile der Karte wieder zusammenzufügen, was ihr aber selbstredend nicht gelingt. Sam räuspert sich mehrmals, ergreift das Wort und spricht ihr nachdrücklich Mut zu. Das kann man kleben, sagt er und legt einen zuversichtlichen Ton in seine Stimme, ich habe Klebstoff in meiner Wohnung, kommen Sie nächstens mit den Kartenteilen zu mir. Wir machen sie wieder wie neu, sagt er, nickt der Frau zu und bemüht sich um ein gewinnendes Lächeln. Die Frau streckt ihm die Kartenteile entgegen und zeigt ihm die ausgefransten Ränder. Meinst du wirklich, dass sich das kleben lässt, fragt sie, aber ja doch, sagt Sam, seien Sie gänzlich unbesorgt. Bist ein guter Junge, sagt die Frau, dreht die Kartenteile eine Weile unschlüssig hin und her und schiebt sie dann in ihre Jackentasche. Guter Junge, sagt sie nochmals. Sie sieht die beiden auf der Bettstatt hasserfüllt an und tauscht dann einen sprechenden Blick mit Sam. Jetzt verbrüdert sie sich mit mir, denkt Sam und fasst ein klein wenig Mut. Manchmal, bei besonders heftigen Windstössen, streicht der Wind durch die Bretterritzen und durch die offenstehende Tür und wirbelt ein wenig Staub auf. Sam sieht, dass sich die Kleidungsstücke an der Wand im Luftzug bewegen und berechnet die Entfernung bis zur Tür. Mehrmals geht er seinen Fluchtweg in Gedanken durch, sofort bis zur Rückseite der Hütte, dann den grasbewachsenen Pfad entlang und in der Folge den Berghang hinunter, denkt er sich und tritt voller Unruhe von einem Fuss auf den anderen. Er beobachtet die Frau, die sich an den Kleidungsstücken zu schaffen macht. Sie nimmt jedes einzelne vom Nagel, untersucht es auf schadhafte Stellen und schüttelt es durch. Demnächst breche ich hier meine Zelte ab, sagt sie erklärend zu Sam. Noch vor dem Wintereinbruch mache ich hier alles dicht. Die Hütte steht mehr als ein halbes Jahr leer und Leute, die nirgendwoanders unterkommen, lasse ich gerne hier wohnen. Sie sieht Sam beziehungsvoll an und verzieht den Mund zu einem Lächeln. Die Dinge sind mir tatsächlich ein wenig aus dem Ruder gelaufen, sagt sie ein wenig später und hebt die Hände in einer resignierten Geste. Ich könnte dich laufenlassen, sagt sie, während sie sich angelegentlich mit ihren Kleidungsstücken beschäftigt. Meinetwegen müsstest du schon längst nicht mehr hier sein, sagt sie und nickt ihm auffordernd zu. Als Sam aber ein paar zaghafte Schritte Richtung Tür macht, ruft er damit sofort den Mann auf den Plan. Er springt von der Bettstatt auf und zeigt Sam ein drohendes Gesicht. Legen Sie ein gutes Wort für mich ein, sagt Sam in drängendem Ton zu der Frau, er sollte mich laufenlassen, was will er überhaupt von mir? Aber die Frau zögert. Sie ordnet die an den Haken hängenden Kleider aufs penibelste und erklärt Sam, dass sie auf den Mann gar nicht gut zu sprechen ist. Aber er lässt nicht locker. Reden Sie mit ihm, wiederholt er, er soll mich laufenlassen, ich habe nichts zu schaffen mit ihm. Schliesslich lässt sich die Frau breitschlagen und wendet sich die Frau den beiden zu. Sie spricht lange in der hiesigen Sprache mit ihnen, aber Sam erkennt sogleich, dass seine Sache nicht zum Besten steht. Der Mann schüttelt immer wieder den Kopf und gestikuliert abwehrend. Zu guter Letzt stampft er mit dem Fuss auf den Boden und die Frau kehrt sich ab und zuckt resigniert die Achseln. Du siehst es selbst, sagt sie zu Sam, er will nicht mit sich reden lassen. Er findet, dass an dir ein Exempel statuiert werden muss. Aber warum, fragt Sam und sieht die beiden auf der Bettstatt voller Abneigung an, ich habe doch gar nichts mit ihnen zu schaffen. Sie haben mir gestern einen Zettel zugesteckt, den ich dann später weggeworfen habe, das ist alles. Ja, ganz recht, sagt die Frau, und ist auf dem Zettel etwa nicht eine Adresse und eine Uhrzeit gestanden? Also haben sie dich gestern zu sich eingeladen und du bist nicht gekommen. Und wenn schon, sagt Sam und tritt unbehaglich von einem Fuss auf den anderen, ich kann nicht jede Einladung annehmen. Ausserdem habe ich mir vorgenommen, ganz für mich zu bleiben. Erkläre ihnen, warum du nicht zu ihnen gekommen bist, sagt die Frau, vielleicht kannst du das Blatt dann noch zum Besseren wenden. Aber Sam zeigt den beiden auf der Bettstatt bloss eine arrogante Miene. Als aber der Mann plötzlich aufspringt, weicht er erschrocken zurück. Mit wenigen Schritten ist er bei Sam und hebt den Arm gegen ihn. Sam muss mehrere äusserst schmerzhafte Schläge einstecken und hört, wie die Frau auf der Bettstatt mehrmals‚Mens sana in corpore sano‘ ruft. Er hebt schützend die Arme über den Kopf und hält still unter den Schlägen des Mannes. Meiner Sache keinesfalls schaden, denkt er sich und setzt sich erst zur Wehr, als der Mann an die so besonders empfindliche Stelle auf Sams Stirn gerät. Er versetzt dem Mann einen heftigen Stoss und bringt ihn damit zu Fall. Die Frau auf der Bettstatt will sich erst darüber ausschütten vor Lachen, steht dann aber doch auf und hilft ihrem Mann wieder auf die Beine. Der Mann schwankt benommen hin und her und die Frau, die vorgibt, Paula zu heissen, kehrt allen den Rücken und macht sich an ihren Kleidern zu schaffen. Mit einem Mal ist Sam so gut wie unbeobachtet, er wendet den Kopf zur halb offenstehenden Tür hin und ergreift seine Chance sogleich. Im Handumdrehen läuft er zur Hütte hinaus, gelangt auf schnellsten Weg zum grasbewachsenen Pfad, der bis zur Abbruchkante führt und kommt in der Folge sehr gut voran. Als er nur wenig später Stimmen hinter sich hört, lässt er sich davon nicht mehr beirren. Die Frau wird ihm keine Prügel vor die Füsse werfen, da ist sich Sam völlig sicher. Er hat sie auf seine Seite gezogen, von ihrer Seite droht ihm bis auf weiteres keine Gefahr. Und tatsächlich ruft sie ihm ermutigende Worte in seiner Sprache hinterher. Lauf nur, hört Sam sie rufen, lauf, so schnell du kannst.
„Ich besuche dich dann uns morgen im Laufe des Tages.“
Als Sam die steile Abbruchkante erreicht, zögert er einen Moment und dreht den Kopf nach seinen Verfolgern. Er sieht, dass Eile geboten ist und macht sich sogleich an den Abstieg. Aber schon nach wenigen Schritten erkennt er, dass allergrösste Vorsicht angebracht ist. Die Steine am Weg liegen locker aufeinander und geraten ins Rollen, sobald Sam seinen Fuss falsch aufsetzt. Immer wieder ist er in Gefahr, auszugleiten und dann beginnt es zu allem Überfluss auch noch zu regnen. Weil die Nässe die Steine glatt und schlüpfrig macht, verliert Sam mehr als einmal den Halt und muss sich des öfteren an Zweigen und Gestrüpp am Weg festhalten. Sooft er seinen Blick nach oben wendet, sieht er die Frau und seine beiden Verfolger an der Abbruchkante stehen. Sie beobachten seinen Abstieg aufs genaueste und Sam wünscht sich nichts mehr, als endlich ausser Sichtweite zu gelangen. Er versucht, schneller voranzukommen, gleitet aber immer wieder auf den nassen Steinen aus und kommt mehrfach in die allergefährlichsten Situationen. In der Folge achtet er auf jeden seiner Schritte und sagt sich, dass grösste Vorsicht angebracht ist. Weil es heftig regnet, muss Sam sich immer wieder die Nässe aus dem Gesicht wischen und sieht sich vergebens nach einem Unterstand um. Als ihm endlich ein Schuppen seitlich am Wegrand ins Auge fällt, geht er ohne Zögern darauf zu und stellt sich aufatmend unter das schützende Dach. Dann wendet er den Blick nach oben. Er will nach der Frau und seinen beiden Verfolgern Ausschau halten, aber mittlerweile haben sich Schneeflocken unter den Regen gemischt und Sam sieht die Hand vor Augen nicht mehr. Ob noch jemand an der Abbruchkante steht, ist nicht mehr auszumachen. Sam zuckt die Achseln und zieht sich ins Innere des Unterstands zurück. Als er bemerkt, dass er nicht alleine ist, erschrickt er über die Maßen. Er sieht, dass sich mehrere Männer an der Rückwand der Hütte aneinanderdrängen und ihre glänzenden Augen geradewegs auf ihn gerichtet halten. Sie betrachten ihn stumm und Sam versucht, seinen Schrecken so gut wie möglich zu verbergen, nähert sich und grüsst die Männer freundlich in seiner Sprache. Aber sie drängen sich bloss noch enger aneinander und drehen ihre Gesichter weg. Sam betrachtet sie prüfend. Die Männer kommen ihm sonderbar bekannt vor, wir kennen uns doch, sagt er in seiner Sprache, bekommt aber selbstredend keine Antwort. Als seine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt haben, weiss er mit einem Mal, was es mit ihnen auf sich hat. Kein Zweifel ist möglich, er hat die Männer aus den Mulden vor sich. So ein Zufall, sagt Sam und schüttelt verwundert den Kopf, hier haltet ihr euch also versteckt. Wieso wart ihr heute nicht auf der Hochfläche, fragt er und erzählt ihnen in der Folge, dass er sich unter sie mischen und so seinen Verfolgern entgehen wollte. Die Männer mustern ihn verstohlen und Sam verzieht den Mund zu einem gewinnenden Lächeln. Ihr versteht mich nicht, sagt er und bleibt in einiger Entfernung stehen um die Männer nicht kopfscheu zu machen. Er achtet darauf, dass seine Stimme gelassen und ruhig klingt und rekapituliert die zurückliegenden Ereignisse. Ihr habt euch sicher so wie ich vor dem schlechten Wetter hierhergeflüchtet, sagt er zu guter Letzt, dreht den Kopf und sieht, dass der Regen mittlerweile in Schneefall übergegangen ist. Eine dünne weisse Schneedecke liegt jetzt über dem Berghang und auch der talwärts führende Pfad ist nicht mehr zu sehen. Sam kann ein Seufzen nicht unterdrücken. Möglichst schnell wieder in die Ortschaft gelangen, denkt er sich, strengt seine Augen an und versucht vergebens, den Pfad unter der Schneedecke auszumachen. Er erinnert sich an seinen Plan, Paula so bald wie möglich eine Nachricht zu schicken und schüttelt betrübt den Kopf. Alles schiefgegangen, denkt er sich und verharrt weiter an seinem Platz. Er lässt sich von den Männern nach Belieben mustern und verzieht den Mund zu einem ständigen Lächeln. Er denkt sich, dass er sie so am ehesten handzahm macht und tatsächlich lassen die Männer Sam keinen Moment aus den Augen. Allmählich entspannen sie sich ein wenig und beginnen leise miteinander zu reden. Die Dunkelheit nimmt jetzt mit jeder Minute zu und bald ist im Dämmerlicht ausser den Gesichtern der Männer nichts mehr zu sehen. Zu guter Letzt machen sie einen Platz in ihrer Mitte frei. Sie bedeuten Sam, dass er sich unter sie stellen soll und er folgt der Einladung sogleich. Er stellt sich zwischen die Männer und bemerkt erst jetzt, dass er völlig unterkühlt ist. Er zittert am ganzen Körper, hört, wie seine Zähne aufeinanderschlagen und lächelt entschuldigend. Ich friere, sagt er in seiner Sprache und räuspert sich mehrfach unter den Blicken der Männer. Einer von ihnen weist auf die unversehrte Schneedecke, die sich über den Berghang gelegt hat und sagt laut und vernehmlich ‚Neige’. ‚Neige‘ wiederholt Sam versuchsweise und die Männer nicken und lachen. Sie geben Sam zu verstehen, dass er das fremde Wort ganz richtig ausgesprochen hat und einer fasst in seine Tasche und streckt Sam ein Stück Brot und eine harte Wurst entgegen. Unter anderen Umständen würde Sam selbstredend ablehnen, hier aber ist äusserste Höflichkeit angebracht und er nimmt beides unter Dankesbezeugungen aus den Händen des Mannes entgegen. Vorsichtig beisst er Stück für Stück ab und hat vor allem an der Wurst lange zu kauen. Obwohl ihm das Schlucken über die Maßen schwer fällt, isst er unter den prüfenden Blicken der Männer alles auf und als man ihm eine Flasche reicht, nimmt er einen weitaus zu grossen Schluck. Weil das Getränk über die Maßen scharf ist, steigen ihm sogleich die Tränen in die Augen und er trocknet sie mit seinem Jackenärmel. Dabei bemerkt er, dass seine Kleider gänzlich durchnässt sind, streckt die Hand aus und betastet verstohlen die Kleider der neben ihm Stehenden. Er stellt fest, dass sie trocken und warm sind und fragt die Männer in seiner Sprache, wie lange sie schon hier sind. Selbstredend verstehen sie ihn nicht und fühlt sich mit einem Mal sehr unbehaglich zwischen ihnen. Als er einen Schritt nach vorne tut, hält ihn einer der Männer am Ärmel zurück. Sam befreit sich aus dem Griff des Mannes, bleibt aber an seinem Platz und lenkt seinen Blick ins Freie. Er sieht, dass der Schneefall mittlerweile nachgelassen hat und die Schneedecke über dem Berghang geschlossen und gänzlich unversehrt ist. Den talwärts führenden Pfad kann man nicht einmal erahnen und Sam kann ein Seufzen nicht unterdrücken. In der Folge spricht er sich selber Mut zu und sagt sich, dass er sich in Geduld fassen muss. Er fühlt sich unter den Männern äusserst unbehaglich und versucht immer wieder vergeblich, sich mehr Platz zu schaffen. Aber die Männer umschliessen ihn von allen Seiten, sie drücken sich immer enger an ihn und benehmen ihm schliesslich beinahe den Atem. Sam hat das Gefühl, ersticken zu müssen. Ihr erdrückt mich, sagt er mehrmals, haltet doch bitte ein wenig Abstand. Selbstredend verstehen ihn die Männer nicht und zu guter Letzt wird es Sam zu bunt. Er stösst die neben ihm Stehenden grob beiseite und verlässt seinen Platz. Er entfernt sich so weit wie möglich von den Männern, stellt sich seitlich an die Wand und hält nach einer Sitzgelegenheit Ausschau. Sams ungestümes Verhalten löst grosse Verwunderung unter den Männern aus, sie gestikulieren erregt, stecken die Köpfe zusammen und beraten sich leise. Sam verschränkt die Arme vor der Brust und kehrt ihnen den Rücken. Er registriert, dass der Schneefall bereits nachgelassen hat und überlegt, wann er wohl seinen Weg nach unten fortsetzen kann. Er kann seine Ungeduld nur mit Mühe bezähmen, wendet sich wieder an die Männer und legt einen gewinnenden Ton in seine Stimme. Ihr wollt doch sicher auch so bald wie möglich nach unten gelangen, fragt er sie, wollen wirs gemeinsam probieren? Gemeinsam schaffen wirs bis nach unten, da bin ich ganz sicher, sagt er und verzieht die Lippen zu einem Lächeln. Aber die Männer verstehen ihn natürlich nicht, sie winken Sam bloss zu und bedeuten ihm, dass er sich wieder unter sie stellen soll. Aber Sam schüttelt abwehrend den Kopf. Als er einige Strohballen seitlich an der Wand entdeckt, verlässt er seinen Platz an der Wand und lässt sich vorsichtig darauf nieder. Mittlerweile ist es ein wenig heller geworden. Er kann die Gesichter der Männer ganz deutlich ausmachen und registriert, dass sie ihn unentwegt beobachten und ihre glänzenden Augen keinen Moment von ihm abwenden. Sam bemerkt, dass allmählich Unmut über das sonderbare Gehabe der Männer in ihm hochsteigt. Schliesslich kann er nicht mehr an sich halten. Das Gehabe der Männer reizt ihn über die Maßen. Selber schuld, denkt er sich und nimmt sich in der Folge kein Blatt vor den Mund. Ihr steht einfach nur da und rührt euch nicht, sagt er und hört den angriffslustigen Tonfall in seiner Stimme, was ist los mit euch? Wie kommt ihr überhaupt hierher und worauf wartet ihr eigentlich? Ich werde nicht recht schlau aus euch, sagt er, aber die Männer werfen ihm bloss unsichere Blicke zu. Sie gestikulieren erregt und bedeuten ihm, dass er sich unter sie stellen soll, aber Sam wehrt grossspurig ab. Wozu, fragt er, wozu sollte ich mich unter euch stellen, ich habs hier herüben sehr bequem. Er wendet sich ab, lässt seinen Blick über die geschlossene Schneedecke schweifen und fragt sich, wie lange es wohl noch dauern wird, bis der Pfad wieder sichtbar wird. Plötzlich spürt er eine Berührung an seinem Arm. Einer der Männer hat sich unbemerkt genähert, deutet aufgeregt ins Freie und zerrt an Sams Ärmel. Er will ihn mit sich zu den anderen ziehen, aber Sam befreit sich aus seinem Griff. Er setzt sich bequemer auf dem Strohballen zurecht und verschränkt die Arme vor der Brust. Aber der Mann ist nicht so ohne weiteres abzuschütteln und greift immer wieder nach Sams Arm. Er redet schnell und aufgeregt und deutet ins Freie. Ich verstehe dich nicht, sagt Sam und betrachtet den Mann voller Abneigung, gib dir keine Mühe, brauchst dich gar nicht so anzustrengen.
„Ich spreche deine Sprache nicht.“
Aber er lässt sich durchaus nicht abschütteln und schliesslich muss Sam zu härteren Bandagen greifen und versetzt ihm einen groben Stoss. Der Mann stürzt zu Boden, rappelt sich aber sogleich wieder auf und langt erneut nach Sams Arm. Sam muss ihn mehrmals mit aller Kraft von sich stossen. Endlich gibt er klein bei, geht mit hängendem Kopf zu den anderen zurück und hebt resigniert die Achseln. Sogleich scharren sich seine Freunde um ihn und stecken die Köpfe zusammen. Sie werfen Sam böse Blicke zu, der aber kehrt sich nicht dran. Er setzt sich bequemer auf seinem Strohballen zurecht, lehnt sich gegen die grobe Bretterwand und verschränkt die Arme vor der Brust. Dann wendet er seinen Blick ins Freie. Er sieht, dass der Schneefall fast zur Gänze aufgehört hat, der Pfad talwärts aber immer noch nicht sichtbar ist. Sobald er zum Vorschein kommt, breche ich auf, denkt sich Sam und spricht sich selber Mut zu. Er sagt sich, dass der Pfad bald wieder sichtbar sein wird, streckt die Beine aus und versucht, eine möglichst bequeme Haltung zu finden. Für kurze Zeit schliesst er sogar die Augen, aber letztlich ist an Schlaf nicht zu denken. Die Männer scharren aufgeregt mit den Füssen und flüstern unentwegt miteinander. Sam öffnet schliesslich die Augen wieder, sieht sie strafend an und schüttelt den Kopf über ihr sonderbares Gehabe. Die Männer gestikulieren erregt, Sam soll zu ihnen kommen und sich unter sie stellen, aber er schüttelt entschlossen den Kopf. Er denkt gar nicht daran, seinen bequemen Platz zu verlassen, setzt sich behaglich zurecht und befindet sich, bis auf seine durchnässten Kleider, soweit ganz wohl. Er fragt sich, wie er wohl an trockene Kleider gelangen könnte und fasst die Männer schärfer ins Auge. Tatsächlich sind sie alle der Witterung entsprechend gekleidet. Sie tragen mehrere wollene Jacken übereinander und haben ihre Regenhäute neben sich liegen. Sam beschliesst, ihnen ein Kleidungsstück abzuschwatzen, neigt sich zu ihnen, verzieht den Mund zu einem Lächeln. Aber da verstummen die Männer mit einem Mal und drängen sich enger aneinander. Sie heben die Arme und verbergen ihre Köpfe dahinter. Sam kann sich über dieses hysterische Gehabe nicht genug wundern und betrachtet sie mit hochgezogenen Brauen. Erst schnattert ihr wie die aufgeregten Gänse und dann verschlägts euch plötzlich die Rede, sagt er, was ist los mit euch? Er beugt sich neugierig vor, aber die Männer achten gar nicht auf ihn. Sie halten ihre Köpfe mit den Händen umklammert und drängen sich so gut wie möglich aneinander. Plötzlich dringt ein sausendes Geräusch an Sams Ohr. Er duckt er sich unwillkürlich und hält die Hände, so wie die Männer, schützend über seinen Kopf. Als sich das Geräusch nicht wiederholt, lugt er zwischen den gespreizten Fingern hervor. Ein fremder Mann hat den Unterstand betreten und stampft mehrmals mit den Füssen auf. So befreit er seine Schuhe vom Schnee. Er bringt einen Schwall kalter Luft mit sich und hält eine Peitsche in seiner rechten Hand. In der linken hält er etwas, das wie ein eiserner Helm aussieht, Sam kann es nicht genau erkennen. Als der Mann Sam auf dem Strohballen sitzen sieht, verdüstert sich seine Miene sogleich und er schüttelt erbost den Kopf. Dann holt er aus und lässt die Peitsche knallen. Sam duckt sich und entgeht dem Peitschenhieb nur knapp. In der Folge versucht er, sich mit dem Mann ins Einvernehmen zu setzen und verzieht den Mund zu einem gewinnenden Lächeln. Er beteuert mehrfach, dass er nur zufällig hierhergeraten ist und sich eigentlich auf dem Weg nach unten befindet. Ich sollte ohnehin schon längst wieder unterwegs sein, sagt er und steht von seinem Strohballen auf. Er versucht, aus dem Unterstand hinauszugelangen, aber da holt der fremde Mann mit seiner Peitsche aus und versetzt Sam mehrere äusserst schmerzhafte Hiebe. Sam macht gezwungenerMaßen kehrt und stellt sich erneut unter die Männer. Sie scharren sich stumm um ihn und zufällig kommt Sam neben dem Mann zu stehen, den er vorhin so grob zu Boden gestossen hat. Ich war ein wenig grob zu dir, verzeih, sagt Sam leise zu ihm, aber der Mann versteht ihn selbstredend nicht. Ausserdem ist er sichtlich nicht gut zu sprechen auf Sam. Er dreht seinen Kopf zur Seite und hält einen möglichst grossen Abstand. Der Fremde geht mit grossen Schritten vor ihnen auf und ab, stösst hin und wieder ein paar Worte hervor und stülpt sich dann den Helm über den Kopf. Das Visier klappt er hinauf, sodass sein Gesicht noch zu sehen ist. Der Mann sieht jetzt furchterregend aus und Sam senkt den Kopf und schaudert ein wenig. An der Miene seines Nebenmanns sieht er, dass ihnen schlimme Dinge ins Haus stehen. Der Befehlston in der Stimme des Fremden ist unüberhörbar, offenbar trifft er mehrere Anordnungen und droht bei Nichterfüllung mit den allerschlimmsten Strafen. Manchmal gibt Sams Nebenmann einen unwillkürlichen Schreckenslaut von sich und Sam versucht vergebens, herauszufinden, worum es eigentlich geht. Was will er von uns, fragt er leise, aber keiner der Umstehenden antwortet ihm. Als der fremde Mann erneut mit seiner Peitsche knallt und mit heiserer Stimme einen kurze Anweisung gibt, formieren sich die Männer sogleich. Sie bilden eine tadellose Zweierreihe und weisen auch Sam einen Platz an. Dann knallt die Peitsche über ihren Köpfen, sie verlassen den Unterstand und nehmen den Weg bergan in Angriff. Sam setzt sich mit den anderen in Bewegung und sagt sich, dass er vom Regen in die Traufe geraten ist. Aber er nimmt sich vor, fürs erste gute Miene zum bösten Spiel zu machen und sieht zu, dass er mit den anderen Schritt hält. Weil der Pfad unter der Schneedecke nicht zu sehen ist, gestaltet sich das Fortkommen äusserst schwierig. Immer wieder stolpert jemand und verursacht Verzögerungen, was jedesmal sogleich den fremden Mann auf den Plan ruft. Er eilt herbei und stösst den Gefallenen mit seinem Peitschenstiel in die Seite. Kommt derjenige trotzdem nicht auf die Beine, versetzt ihm der Mann einen schmerzhaften Hieb. Einmal, als jemand an der Spitze des Zuges stolpert und der Fremde ganz vorne zu tun hat, unternimmt Sam einen Fluchtversuch. Aber er hat sich erst ein paar Schritte aus der Kolonne entfernt, als er auch schon das sausende Geräusch der Peitsche hört. Die raue Stimme des Fremden dringt an Sams Ohr und er kehrt eilends an seinen Platz zurück. Es ist noch nicht aller Tage Abend, denkt er sich und kämpft sich in der Folge mit den anderen Männern den Berghang hinauf. Der fremde Mann gönnt ihnen keine einzige Pause, lässt immer wieder die Peitsche über ihren Köpfen knallen und treibt sie unerbittlich vorwärts. Auch Sam muss mehrere äusserst schmerzhafte Hiebe einstecken. Als knapp vor der Abbruchkante die Schwierigkeiten beinahe unüberwindlich werden und an ein Vorankommen kaum mehr zu denken ist, unternimmt er einen erneuten Fluchtversuch. Aber schon nach wenigen Schritten hört er die raue Stimme des Mannes und kehrt eilends in die Kolonne zurück. Er versucht mehrmals, die steile Abbruchkante zu erklimmen, rutscht aber jedesmal das soeben mühsam erkämpfte Wegstück wieder zurück. Sams Weggefährten ergeht es nicht besser, aber der fremde Mann hat nicht das geringste Einsehen. Fortwährend knallt die Peitsche über ihren Köpfen und Sam und die Männer müssen die allerschmerzhaftesten Hiebe einstecken. Endlich erklimmen sie, nach ungeheuren Anstrengungen, die Abbruchkante doch noch und finden sich auf der Hochfläche wieder. Auch Sam überwindet schliesslich das letzte allersteilste Stück und sieht zuallererst, dass eine weisse unversehrte Schneedecke über allem liegt. Er muss seine Augen anstrengen, um die Hütte wiederzufinden und entdeckt sie erst nach längerem Suchen. Unwillkürlich macht er ein paar Schritte darauf zu. Er würde sich jetzt zu gern unter die Fittiche der Frau zu flüchten und erinnert sich, dass sie vorgegeben hat, auch Paula zu heissen. Er ruft mehrmals laut ihren Namen, Paula, ruft er, Paula und spürt im selben Moment einen brennenden Schmerz auf der Stirn. . Der Fremde hat ihm einen besonders heftigen Hieb mit der Peitsche versetzt und ist an die so besonders empfindliche Stelle auf Sams Stirn geraten. Sam kann einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken und hofft, dass die Frau ihn hört. Wenn sie meine Stimme erkennt, kommt sie mir sicher sogleich zu Hilfe, denkt er sich, dann verständigt sie sich mit dem fremden Mann verständigen und macht ihm ihm klar, dass er mich laufen lassen muss. Er heftet seine Augen auf die halb offenstehende Tür, aber es kommt niemand zum Vorschein und Sam muss sich sagen, dass die Frau wohl schon längst wieder aufgebrochen ist. Von ihrer Seite ist keine Hilfe zu erwarten, soviel ist sicher. Sam steht enttäuscht im Schnee und lässt den Kopf hängen und als der Fremde das Zeichen zum Aufbruch gibt, versäumt er es, sich so wie die anderen in Bewegung zu setzen. Damit zieht er erneut den Zorn des Fremden auf sich. Er nähert sich mit grossen Schritten und hebt drohend die Peitsche. Sam duckt sich und lächelt entschuldigend. Aber der Mann stellt sich dicht vor ihn, mustert ihn durchdringend und Sam versucht vergeblich, seinem Blick standzuhalten. Weil ihm der Ausdruck in den Augen des Mannes aber Angst macht, senkt er schliesslich den Kopf und sagt sich, dass noch nicht aller Tage Abend ist. Glücklicherweise geraten sich an der Spitze des Zuges zwei Männer in die Haare und ziehen die Aufmerksamkeit des fremden Mannes auf sich. Er kehrt Sam den Rücken und er läuft erbost zu den Streitenden. Sam atmet erleichtert auf und beobachtet, wie der Fremde versucht, den Streit zu schlichten. Er muss den Männern mehrere Peitschenhiebe versetzen, bevor sie widerwillig voneinander ablassen. Dann gibt der Fremde das Zeichen zum Aufbruch, erhebt seine raue Stimme und erteilt mehrere kurze Anweisungen. Er lässt die Peitsche knallen und sogleich setzen sich alle gehorsam in Bewegung. In der Folge überqueren sie die Hochfläche und machen Halt, sooft sie an eine Mulde gelangen. Dann bestimmt der Fremde einen von ihnen, stösst ihn mit dem Stiel der Peitsche an und zwingt ihn, sich in die Mulde zu legen. Weil die Mulden unter der geschlossenen Schneedecke nur schwer zu erkennen sind, kommt es mehrfach zu Missverständnissen. Als Sam an der Reihe ist, zögert er, sich in die schneebedeckte Mulde zu legen. Er muss einen äusserst schmerzhaften Peitschenhieb hinnehmen und sagt sich, dass es besser ist, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Er streckt sich in seiner Mulde aus und ist für einen Augenblick froh, endlich zur Ruhe gekommen zu sein. Bald aber kriecht ihm die Kälte in alle Knochen. Er versucht vergeblich, eine einigerMaßen erträgliche Lage zu finden, hebt den Kopf und hält nach seinen Gefährten Ausschau. Er sieht, dass ihm der Fremde gerade den Rücken kehrt und denkt sogleich an Flucht. Er rappelt sich auf und will weglaufen, hat aber nicht mit dem Mann in der nächstliegenden Mulde gerechnet. Der wirft ihm einen Knüppel zwischen die Beine und vereitelt Sams Fluchtversuch, indem er ihn festhält. Er umklammert Sams Fussknöchel so fest, dass er ihn beinahe zu Fall bringt und Sam versucht vergeblich, sich loszureissen. Aber der Mann lässt ihn partout nicht los, sodass Sam in Rage gerät und den Mann aufs allerschlimmste beschimpft. Natürlich ist seine aufgeregte Stimme weithin hörbar. Sam bedenkt nicht, dass er damit den Fremden erneut auf den Plan ruft. Er verstummt sogleich, als der Fremde den Kopf nach ihm dreht und drohend seine Peitsche hebt. Sam legt sich eilends wieder in seine Mulde, streckt sich lang aus und heftet seine Augen auf die geschlossene Wolkendecke. Unter den Männern kommt es immer wieder zu Streitereien und der Fremde hat alle Hände voll zu tun. So bleibt Sam fürs erste ungeschoren und einmal, als wütendes Geschrei an seine Ohren dringt, hebt er den Kopf und sieht, dass sich vier Männer um eine einzige Mulde balgen. Der Fremde versucht vergeblich, sie zu trennen und schlägt wütend mit der Peitsche auf sie ein. Sam erkennt sogleich, dass jetzt der Zeitpunkt für einen Fluchtversucht der allergünstigste ist und versucht, sich mit dem Mann neben ihm ins Einvernehmen zu setzen. Er schlägt einen freundlichen Ton an, um ihm mitzuteilen, dass er jetzt wegläuft. Halte mich nicht nochmals auf, sagt Sam, wirf mir nicht nochmals einen Knüppel zwischen die Beine, bitte.
„Tu einfach so, als ob du mich nicht siehst, einverstanden?“
Aber selbstredend versteht der Mann ihn nicht, und als Sam sich aufrappelt und weglaufen will, langt er erneut nach seinem Fussknöchel. Aber diesmal ist Sam darauf vorbereitet. Er weicht der Hand des Mannes geschickt aus und läuft in langen Sprüngen durch den Schnee. Dabei achtet er darauf, nicht ins Blickfeld des Fremden zu geraten. Er bleibt immer in seinem Rücken, erreicht die Hütte in kürzester Zeit und schlüpft aufatmend durch die halb offenstehende Tür. Er findet den Raum leer und verlassen vor, und seine Entttäuschung ist gross. Einen Augenblick lang weiss er nicht, was jetzt weiter zu tun ist und steht mit hängenden Armen in der Mitte des Raumes. Das rasche Laufen durch den Schnee hat ihn über die Maßen angestrengt und er hört sich keuchend atmen. Er lässt seine Blicke schweifen und findet soweit alles unverändert. Nur die Ansichtskarte mit dem barocken Stift ist nicht mehr an ihrem Platz und er erinnert sich an das Gerangel zwischen der Frau und dem Mann. Haben sich um die Karte gestritten und sie dabei entzweigerissen, denkt er sich und entdeckt die Kartenteile auf dem Boden. Er bückt sich und betrachtet sie prüfend und will sie in seine Hosentasche schieben. Aber mit einem Mal fühlt er sich über die Maßen unwohl in seinen nassen Sachen und die Frauenkleider an der Wand fallen ihm ins Auge. Er erinnert sich daran, dass die Frau etwa so gross war wie er und zögert nicht lange. Er zieht seine nassen Sachen aus, nimmt ein hübsch geblümtes Kleid vom Haken und streift es über. Soweit Sam erkennen kann, sitzt es perfekt. Aber der Stoff ist dünn und Sam beginnt sogleich zu frösteln. Er schafft Abhilfe, indem er noch ein zweites und ein drittes Kleid überzieht. Er befindet sich ganz wohl in den trockenen Sachen und als er in einer Ecke eine Schachtel mit Strümpfen entdeckt, zieht er sogleich seine nassen aufgequollenen Schuhe und die ebenfalls nassen Socken aus. Er findet Strümpfe, die perfekt passen, nur für seine Schuhe gibt es leider keinen Ersatz. Zu guter Letzt muss Sam sie widerwillig anziehen, dann vervollkommt er seine neue Garderobe mit einem wollenen Umschlagtuch, das er eng um sich zieht. Er schiebt seine nassen Sachen beiseite, erinnert sich aber noch rechtzeitig an den Geldschein und die Münzen in seiner Hosentasche und beides in die Brusttasche des zuoberst getragenen Kleides. Als ihm die Ansichtskartenteile ins Auge fallen, steckt er sie ebenfalls ein. Als er vorsichtig den Kopf aus der halb offenstehenden Tür steckt, sieht er den Mann mit der Peitsche wachsam dastehen. Eine Gruppe von Männern balgt sich um eine einzige Mulde, vielleicht ist es die letzte, denkt sich Sam. Hin und wieder versucht der Fremde, die Männer zu trennen, bleibt aber erfolglos. Schliesslich trägt doch einer den Sieg davon und streckt sich triumphierend in der Mulde aus. Seine Widersacher müssen klein beigeben. In der Folge versetzt ihnen der Mann mit der Peitsche mehrere schmerzhafte Hiebe, worauf sie sich auf der Hochfläche zerstreuen. Sam wendet sich achselzuckend ab. Er denkt über seine nächsten Schritte nach und beschliesst, den Abstieg demnächst in Angriff nehmen. Paula benachrichtigen, sobald ich unten bin, denkt er sich und rückt seine Kleider ein wenig zurecht. Sie sind warm und leicht und liegen eng an seinen Schultern und Armen und drapiert sein Umschlagtuch neu. Als er erneut aus der Tür sieht, sieht er den Mann mit der Peitsche untätig dastehen. Immer wieder schlägt er den Peitschenstiel unschlüssig an den Stiefelschaft, der Helm macht es ihm schwer, den Kopf nach alle Richtungen zu drehen und Sam wendet sich schliesslich achselzuckend ab. Grosse Müdigkeit übermannt ihn und er setzt sich für einen Moment auf die Bettstatt, lehnt sich an die Bretterwand und zieht die Pferdecke über sich. Er hat vor, sich nur ein klein wenig auszuruhen, ansonsten aber die Augen offenzuhalten. Manchmal dreht er den Kopf und beobachtet durch eine besonders breite Ritze den Mann mit der Peitsche. Als Nebel einfällt, trübt sich das Bild aber und Sam wendet sich schliesslich gelangweilt ab. Sein Auge fällt auf die Feuerstelle in der Ecke und er beschliesst, ein wenig zu heizen. Er schiebt die Pferdedecke beiseite, macht sich an der Feuerstelle zu schaffen und das Anfachen des Feuers geht ihm ganz leicht von der Hand. Das Ungeschick der Frau beim Anfachen den Feueres fällt ihm ein und er kann sich nicht genug wundern. Hat partout kein Feuer zustandegebracht, denkt er sich, legt kleine Hölzer auf die schon munter lodernde Flamme und schon bald steigt ein feiner Rauchfaden zur Decke. Sam befürchtet erst, dass der Rauch den Fremden auf den Plan rufen könnte, beruhigt sich dann aber selber. Er sagt sich, dass die Gefahr nicht allzu gross ist, wärmt seine Hände an der Flamme und befindet sich für kurze Zeit ganz ausserordentlich wohl. Aber plötzlich werden Schritte hörbar und er fährt erschreckt in die Höhe. Vergebens sieht er sich nach einem Versteck um, aber da drängen durch die halb offenstehende Tür auch schon zwei Männer herein. Sie beachten ihn anfangs gar nicht, stellen sich sogleich an das offene Feuer und halten ihre Hände über die Flammen. Sam beobachtet sie verstohlen und zieht sich vorsichtig bis zur Bettstatt zurück. Als die Männer sich leidlich erwärmt haben, wenden sie sich an Sam und stellen ihm mehrere Fragen in der hiesigen Sprache. Er aber schüttelt bloss den Kopf und nestelt an den Perlmuttknöpfen an seinem Ausschnitt. Ich spreche eure Sprache doch nicht, sagt er, und als ihm die Männer durch Gesten verständlich machen, dass sie hungrig sind, hebt er bedauernd die Hände. Gibt nichts zum Essen hier drinnen, sagt er und schüttelt bedauernd den Kopf. Aber die Männer glauben ihm nicht. Sie zeigen ihm eine finstere Miene und schliesslich nähert sich der eine und streckt die Hand nach den Perlmuttknöpfen an Sams Kleid aus. Als Sam seine Hand energisch wegschlägt, wollen sich die beiden ausschütten vor Lachen. Mit einem Mal fühlt Sam sich äusserst unbehaglich. Er hat den Eindruck, dass sich die Dinge zum Schlechteren entwickeln und registriert besorgt die Blicke, die die Männer tauschen. Langsam bewegt er sich zur halb offenstehenden Tür hin und wiegt die Männer mit einem Lächeln in Sicherheit. Von dem Mann mit der Peitsche ist weit und breit nichts mehr zu sehen. Sam denkt, dass es jetzt wirklich an der Zeit ist, die Hochfläche zu verlassen und beobachtet, wie der eine der Männer in die Kiste mit den Holzscheiten langt. Er zieht das allergrösste Scheit hervor und legt es auf die Glut. Sogleich fängt es Feuer und nach kurzem ist es in der Hütte sehr warm. Die Hitze steigt den Männern sogleich zu Kopf und ihre Gesichter röten sich. Sam stösst sich am Anblick ihrer geöffneten feuchten Münder, lächelt aber weiter und wiegt die Männer so in Sicherheit. Er bleibt ruhig stehen, als sich der eine der beiden erneut nähert. Als der Mann die Hand ausstreckt und einen der Perlmuttknöpfe an Sams Ausschnitt zwischen die Finger nimmt, macht Sam nur schwache Abwehrbewegungen. Dann lodert das Feuer mit einem Mal hoch auf. Es entsteht ein Funkenflug und in der Folge entzündet sich der Ärmel des Mannes. Er lässt sogleich von Sam ab und versucht, das Feuer zu ersticken. Es gelingt ihm nicht und er ruft seinen Freund zu Hilfe. Mit einem Mal ist Sam gänzlich unbeobachtet und ergreift seine Chance sogleich. Er läuft aus der Hütte und schlägt den kürzesten Weg zum abwärts führenden Pfad ein. Dann sagt er sich aber, dass allergrösste Vorsicht angebracht ist und macht sich die Nebelschwaden zunutze. In ihrem Schutz kommt er aufs Beste vorwärts. Einmal läuft er dem Mann mit der Peitsche beinahe in die Arme und bleibt erst im letzten Moment abrupt stehen. Gottlob behindert der eiserne Helm den Gesichtskreis des Mannes. Sam sieht, wie der Mann vergebens versucht, den Kopf nach ihm zu drehen, schlägt eilends einen Haken und entkommt ungesehen. Er beeilt sich, ausser Sichtweite zu gelangen und erreicht in kürzester Zeit den talwärts führenden Pfad. Sogleich nimmt er den Abstieg in Angriff und gelangt rasch und sicher nach unten. Ohne weiteren Aufenthalt erreicht er den Parkplatz und sieht, dass die riesige asphaltierte Fläche weitgehend leer ist. Er hält nach der Frau und seinen beiden Verfolgern Ausschau und dreht den Kopf wachsam in alle Richtungen. Aber sie sind nirgendwo zu sehen und Sam atmet erleichtert auf. Er nimmt denselben Weg wie immer und passiert eilends die Notarztstelle. Geradewegs zum Postamt und Paula eine Nachricht schicken, denkt er sich und sieht den Notarzt wie immer mit hochgelagerten Beinen an seinem Schreibtisch sitzen. Am Feuerwehrzeughaus geht er vorbei, ohne den Kopf zu drehen. Frischgefallener Schnee liegt auf der Strasse und Sam ist gezwungen, vorsichtig einen Fuss vor den anderen zu setzen. Einmal, als er ein Schaufenster passiert, dreht er den Kopf und betrachtet sich in der Scheibe. Anfangs erschrickt er ein wenig vor seinem Anblick, sagt sich dann aber, dass die Not die Mittel heiligt und zieht das wollene Umschlagtuch enger um sich. Er geht eilends die Hauptstrasse hinunter, erreicht das Postamt in allerkürzester Zeit, sieht aber schon von weitem, dass es geschlossen ist. Ein Zettel klebt an der Tür, aber Sam kann die Mitteilung naturgemäss nicht lesen und seine Enttäuschung ist gross. Resigniert lässt er den Kopf hängen. Als er auf der anderen Strassenseite einen Mann mit einem Mobiltelefon vorbeigehen sieht, läuft er ihm kurzentschlossen nach. Als er den Mann eingeholt hat, hält er ihn am Arm fest und macht sich mit Gebärden verständlich. Lass mich ein kurzes Gespräch mit deinem Telefon führen, sagt er in seiner Sprache, aber der Mann lehnt Sams Ansinnen kurzerhand ab. Er schüttelt den Kopf, befreit seinen Arm aus Sams Griff und geht eilends weiter. Sam versucht sich zu erinnern, wo und wann ihm sein eigenes Mobiltelefon abhanden gekommen ist, kann sich aber beim besten Willen nicht daran erinnern. Er denkt für einen Augenblick daran, in seine Wohnung zurückzukehren, als er aber weiten unten das Schild über dem Eingang der Gondelbahn blinken sieht, entscheidet er sich für eine Fahrt in den Talort. Paula vom Talort aus benachrichtigen, denkt er sich macht auf dem Absatz kehrt. Er setzt vorsichtig einen Fuss vor den anderen, denn tatsächlich sind seine Schuhe völlig ungeeignet für die rutschige Strasse und er ist immer wieder in Gefahr, den Halt zu verlieren. Bei seinem Versuch, möglichst schnell voranzukommen, gibt er die unglücklichste Figur ab und bemerkt, dass ihn die Ladeninhaber von ihren Geschäften aus beobachten. Einmal ruft ihm einer von ihnen etwas zu, was Sam nicht versteht. ‚Neige‘ ruft Sam seinerseits und deutet auf den frischgefallenen Schnee und der Ladeninhaber nickt und lacht. Er winkt Sam einladend zu, aber Sam schüttelt den Kopf, hebt dankend die Hand und setzt seinen Weg fort. Je näher er der Station der Gondelbahn kommt, umso dünner wird die Schneeschicht und Sam kann seine Schritte ein wenig beschleunigen. Als er die Station der Gondelbahn erreicht, betritt er ohne Zögern die Kassenhalle. Zielsicher geht er zum Schalter und nestelt das Fahrgeld hervor. Er nennt den Namen des Talorts und bekommt seine Fahrkarte mit einem freundlichen Nicken sogleich ausgehändigt. Tatsächlich bedient ihn die Frau hinter dem Schalter auf das zuvorkommendste und Sam kann sich nicht genug darüber wundern. Zu gut erinnert er sich an die Schwierigkeiten, die sie ihm bei seinem ersten Versuch, in den Talort zu gelangen, gemacht hat. Jetzt weiss sie sich vor Freundlichkeit nicht zu fassen und versucht zu guter Letzt sogar, in der hiesigen Sprache ein Gespräch anzufangen. Aber Sam schüttelt bloss den Kopf und wendet sich ab. Er steigt die Stufen zur Plattform hinauf und betritt die Gondel, die schon zur Abfahrt bereit steht. Als er dem Kontrolleur seine Fahrkarte zeigt, erntet er wiederum das allerfreundlichste Lächeln. Alles klappt wie am Schnürche, ausser Sam befindet sich niemand in der Gondel und es sieht beinahe so aus, als hätte man nur auf ihn gewartet. Sofort nach seiner Ankunft schliessen sich die Türen und die Fahrt beginnt. Sam hält seine Augen auf den erst weit entfernten, dann rasch näherkommenden Talort gerichtet und ist überrascht, wie kurz die Fahrt ist. Er erinnert sich an seinen mühseligen Aufstieg und sieht die Talstation rasch näherkommen. Der Fahrkartenkontrolleur versucht, ein Gespräch mit ihm anzufangen, aber Sam schüttelt den Kopf und hebt bedauernd die Hände. Ich spreche deine Sprache nicht, sagt er, tut mir leid, wirklich. Als sich die Gondeltür öffnet, ruft ihm der Kontrolleur einen Gruss in der hiesigen Sprache nach, den Sam selbstredend freundlich erwidert. Dann schlägt er den Weg ins Zentrum ein. Er bemerkt, dass es hier herunten um einige Grade wärmer ist und lockert sein Umschlagtuch ein wenig. Er beglückwünscht sich zu seinem Entschluss, in den Talort zu fahren und ist insgesamt sehr zufrieden mit sich und mit der Entwicklung der Dinge. Sam registriert, dass Talort beinahe wie ausgestorben ist und nur einige wenige Urlauber die Hauptstrasse auf- und abgehen. Auf der Suche nach dem Postamt irrt er ein paarmal durch den ganzen Ort, bevor er es in einer versteckten Seitengasse ausfindig macht. Er betritt es sogleich, bekommt eine Kabine zugewiesen und muss sich erst wieder auf Paulas Nummer besinnen. Anfangs verwählt er sich mehrmals, aber dann hat er plötzlich Paulas Stimme aufs allerdeutlichste im Ohr. Ich bins, sagt er und fällt sozusagen mit der Tür ins Haus. Paula schweigt, er hört sie atmen und wiederholt mehrmals, dass er sie schon längst hätte anrufen wollen. Als Paula weiterhin schweigt, fordert er sie auf, hierherzukommen und Geld und warme Kleider mitzubringen. Endlich räuspert sie sich mehrfach, sagt aber noch immer nichts. Hats dir die Sprache verschlagen, fragt Sam, hörst du überhaupt, was ich sage? Du sollst hierherkommen und Geld und warme Kleider mitbringen, sagt er und registriert, dass sich ein unwirscher Ton in seine Stimme geschlichen hat. Wie stellst du dir das vor, sagt Paula und es sieht ganz so aus, als wäre sie nicht gut zu sprechen auf Sam. Er klopft ungeduldig mit dem Daumennagel gegen den Hörer und sagt, dass er nicht alle Zeit der Welt hat. Er nennt ihr Namen und Lage des Talorts nennt, beschreibt ihr, wie sie am besten hierhergelangt, besinnt sich aber plötzlich eines Besseren. Vergiss es, sagt er. Wir machens ganz anders, wir treffen uns besser im Grenzort, den kannst du mit der Bahn in zwei Tagen erreichen. In der Folge nennt er ihr den Namen des Grenzortes und beschreibt ihr die Gasthöfe direkt neben dem Bahnhof. In einem davon erwarte ich dich, sagt er, frage am besten überall nach mir. Noch während er spricht, kommen ihm aber ernsthafte Zweifel und er betastet die Münzen in seiner Brusttasche. Das Fahrgeld für die Bahnfahrt irgendwie herbeischaffen, denkt er sich und sagt zu Paula, dass er jetzt Schluss machen muss. Da endlich löst sich Paulas Zunge und sie will alles zugleich von ihm wissen. Warum er weggegangen ist und warum er sich solange nicht gemeldet hat und wieso er annimmt, dass sie Gewehr bei Fuss steht und nur auf einen Wink von ihm wartet. Und jetzt soll ich alles fallen lassen und ins Ungewisse aufbrechen, sagt sie, wie stellst du dir das vor? Aber Sam ist mit seiner Geduld am Ende. Er hat Paula alles mitgeteilt, was er sich vorgenommen hat und keine Lust, auf ihre haltlosen Vorwürfe einzugehen. Sieh zu, dass du vorankommst, sagt er, wir treffen uns in zwei Tagen am Grenzort. Dann legt er den Hörer auf, bezahlt das Gespräch, das nicht viel gekostet hat und ist soweit ganz zufrieden mit sich. Jetzt muss er nur mehr irgendwie in den Grenzort gelangen, dann haben seine Sorgen fürs erste ein Ende. Er schlendert entspannt die Hauptstrasse entlang, schiebt in der Folge jeden Gedanken an Paula beiseite und freut sich über den Aufenthalt im Talort und die Abwechslung. Sooft er sein Spiegelbild in einem der Schaufenster sieht, erschrickt er ein wenig. Aber niemand scheint sich an seiner Erscheinung zu stossen, die Blicke der wenigen Passanten streifen ihn bloss und er sagt sich, dass sich die Dinge eigentlich aufs Beste entwickelt haben. Er betritt kurz entschlossen ein Cafe, lässt sich an einem Tisch am Fenster nieder und beobachtet die Spaziergänger. Als er plötzlich seinen Quartiergeber die Strasse entlangkommen sieht, zögert er keine Sekunde. Zahlen, ruft er und als die Bedienung nicht gleich kommt, wirft er ein paar Münzen auf den Tisch und läuft hinaus. Er holt seinen Quartiergeber mit wenigen Schritten ein, packt ihn am Arm und zwingt ihn, stehenzubleiben. Endlich sehe ich Sie, sagt er, wieso haben Sie mich nie besucht, so wie Sies angekündigt haben? Sein Quartiergeber erkennt ihn nicht auf Anhieb und will seinen Arm aus Sams Griff befreien. Er zeigt ihm eine finstere Miene und versucht vergeblich, sich loszureissen. Aber ich bins doch, sagt Sam, stossen Sie sich nicht an den Frauenkleidern, sehen Sie mich an, Sie erkennen mich doch gewiss wieder. Ach du bists, sagt Sams Quartiergeber endlich in Sams Sprache, die er zwar fliessend, aber doch mit starken Akzent spricht. Er lässt seine Augen an Sam auf-und abgleiten und schüttelt den Kopf. Wie siehst du denn aus, fragt er, deutet auf Sams Kleider und betrachtet ihn amüsiert. Steht dir aber gar nicht schlecht, sagt er, du musst schon entschuldigen, dass ich dich nicht gleich erkannt habe. Er tritt einen Schritt zurück und mustert Sam aufs genaueste. Sam lässt es sich gerne gefallen und öffnet sein Umschlagtuch ein wenig. Wieso sind Sie nie gekommen und haben nach dem Rechten gesehen, fragt er, ich habe Sie täglich, beinahe stündlich erwartet und immer alles in in tadelloser Ordnung gehalten. Ich wäre ohnehin demnächst gekommen, sagt Sams Quartiergeber und betrachtet ihn mit zunehmendem Wohlgefallen, aber ich habe einfach zuviel um die Ohren, das ist eine Tatsache. Lass uns gemeinsam was trinken, sagt er, macht auf dem Absatz kehrt und steuert das Cafe an, das Sam gerade vorhin so eilends verlassens hat. Sam folgt ihm zögernd. Die Bedienung steht mit verschränkten Armen hinter der Theke und quittiert Sams Wiedererscheinen mit einem Kopfschütteln. Sie sagt etwas in ihrer Sprache, was Sam naturgemäss nicht versteht. Sein Quartiergeber unterhält sich eine Weile mit ihr und zu guter Letzt will sie sich beinahe ausschütten vor Lachen. Sie nehmen den Tisch am Fenster, an dem Sam schon vorhin gesessen ist und sein Quartiergeber wendet sich aufgeräumt zu ihm. Na wie hats dir dort oben gefallen, fragt er und weist mit der Hand vage den Berg hinauf, hast du dich zu Tode gelangweilt? Keineswegs, sagt Sam und schüttelt entschlossen den Kopf, ich habe mir zu helfen gewusst, einen akribischen Tagesplan erstellt und mich penibel daran gehalten. So war ich von morgens bis abends beschäftigt und Langeweile hat gar nicht aufkommen können. Hast du Bekanntschaften gemacht, fragt Sams Quartiergeber, ja, sagt Sam, eine Frau, die vorgegeben hat, Paula zu heissen. Tatsächlich, sagt Sams Quartiergeber, und was weiter? Sam zögert und sein Quartiergeber schlägt ungeduldig mit der Faust auf den Tisch. Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, sagt er, berichte mir frisch von der Leber weg, wie es dir ergangen ist. Ganz wie sie wollen, sagt Sam eilfertig und repetiert in der Folge die Ereignisse auf das vollständigste. Haarklein erzählt er von der Frau, die vorgegeben hat, Paula zu heissen und von dem älteren, ihm feindselig gesinnten Ehepaar. Er berichtet von den Männern im Unterstand, dort bin ich untergekommen, als das Wetter sich verschlechtert hat, sagt er und versucht sich alles aufs genaueste in Erinnerung zu rufen. Und dann haben sich die Dinge nochmals zum Schlechteren gewendet, sagt er und beschreibt den Mann mit dem Helm und der Peitsche. Er merkt, dass seine Geschichte allmählich ausufert und als er auf die Männer in den Mulden zu sprechen kommt, verliert er sich in Einzelheiten. Die Aufmerksamkeit seines Quartiergebers erlahmt und Sam bemerkt, dass er sich von allem und jedem ablenken lässt. Er hat die Strasse ständig im Auge, beobachtet alle Vorkommnisse aufs genaueste und seine Anteilnahme an Sams unerhörten Erlebnissen ist gering. Tatsächlich, sagt er manchmal, da hast du ja bewegte Tage hinter dir. Nicht zu glauben, sagt er manchmal, wenn er seine Aufmerksamkeit wieder kurzzeitig auf Sam lenkt und ihm die allerfreundlichste Miene zeigt. Du musst das verstehen, sagt er einmal entschuldigend, ich bin gerade in Geschäften unterwegs und meine Geschäfte sind von der Art, dass sie jeden Augenblick höchste Konzentration verlangen. Tatsächlich kann sich jeden Augenblick die Person zeigen, auf die ich nun schon seit Tagen warte, sagt er, aber sprich ruhig weiter, ich höre dir zu. Also fährt Sam mit seiner Geschichte fort und kommt erneut auf die Männer in den Mulden zu sprechen. Aber das Desinteresse seines Quartiergebers ist mit Händen zu greifen. Er behält die Strasse ständig im Auge und hört Sam sichtlich nur mit halbem Ohr zu. Wie stehts dort oben, fragt er einmal geistesabwesend und beobachtet die Vorübergehenden. Sam versichert, dass alles in bester Ordnung ist und seinen gewohnten Gang geht und sein Quartiergeber nickt zufrieden. Schön zu hören, sagt er und hast du dort oben auch Bekanntschaften gemacht? Erzähl mir von den Bekanntschaften, die du dort oben gemacht hast, sagt er und wirft Sam einen auffordernden Blick zu. Aber das ich doch gerade, sagt Sam und ist jetzt ernsthaft gekränkt. Er verschränkt die Arme vor der Brust, lenkt seinen Blick hinaus auf die Strasse und beschliesst, kein Wort mehr zu sagen. Kein Grund, eingeschnappt zu sein, sagt sein Quartiergeber aber sogleich und legt ihm begütigend die Hand auf die Schulter. Glaube nicht, dass ich dir nicht genau zugehört habe, sagt er und repetiert in der Folge alles, was Sam ihm erzählt hat, auf das vollständigste. Du hast ein älteres Ehepaar und eine Frau mit Namen Paula kennengelernt, hast dich vor ihnen auf die Hochfläche gerettet, bist dort aber vom Regen in die Traufe gelangt, sagt er und betrachtet Sam amüsiert. Richtig, fragt er und als Sam nickt, wendet er seine Aufmerksamkeit wieder der Strasse zu. Sam schweigt eine Weile, kann dann aber nicht länger an sich halten. Kennen Sie die Hochfläche, fragt er und beugt sich neugierig vor. Selbstredend, sagt sein Quartiergeber, selbstredend kenne ich die Hochfläche, was denkst du? Tatsächlich kenne ich sie in-und auswendig, wie meine Westentasche sozusagen. Sam schweigt und sein Quartiergeber wirft ihm einen amüsierten Blick zu. Was beunruhigt dich, fragt er, gibt es irgendwas auf der Hochfläche, was dich beunruhigt? Sam sieht keinen Anlass, noch länger an sich zu halten und platzt mit der Frage heraus, die ihm schon lange unter den Nägeln brennt. Allerdings, sagt er, allerdings beunruhigt mich etwas auf der Hochfläche. Lass mich raten, sagt sein Quartiergeber, beunruhigen dich etwa die Männer, die da so gänzlich harmlos in ihren Mulden liegen? Sam nickt eifrig und rückt ein Stück näher zu seinem Quartiergeber. Haben Sie sie schon einmal gesehen, fragt er und sieht seinen Quartiergeber aufs höchste interessiert an. Aber ja, sagt Sams Quartiergeber, natürlich habe ich sie gesehen, sogar schon öfters. Was beunruhigt dich daran, fragt er und fasst Sam schärfer ins Auge. Nichts weiter, sagt Sam, zuckt unbestimmt die Achseln und zieht sein Umschlagtuch enger um sich. Na los, heraus mit der Sprache, sagt sein Quartiergeber und beugt sich näher zu ihm, was beunruhigt dich? Mir gegenüber braucht sich keiner bedeckt halten, mich kann man alles fragen. Na schön, sagt Sam und kann seine Neugierde mit einem Mal nicht länger bezähmen. Was hat es mit den Männern in den Mulden auf sich, fragt er, ich habe keine Erklärung dafür. Ganz einfach, sagt sein Quartiergeber, pass auf, es verhält sich folgenderMaßen. Dann unterbricht er sich mitten im Satz, springt auf und läuft aus dem Lokal. Sam beobachtet, wie er hinter einem älteren Mann herläuft, ihn einholt, am Arm packt und derb schüttelt. Der Auftritt auf der Strasse erregt auch das Interesse der Bedienung und sie verlässt ihren Platz hinter der Theke. Sie stellt sich neben Sam und sagt etwas in der hiesigen Sprache zu ihm. Sam versteht sie selbstredend nicht, schüttelt bloss den Kopf und beobachtet die Vorgänge auf der Strasse. Nach einer Weile wendet sich die Bedienung ab und kehrt mit schlurfenden Schritten zur Theke zurück. Sam sieht, dass der ältere Mann seinem Quartiergeber mehrere Scheine aushändigt und dann rasch das Weite sucht. Sams Quartiergeber dreht triumphierend den Kopf nach allen Seiten und als er Sams Blick einfängt, hält er die Geldscheine stolz in die Höhe. Sam winkt ihm zu und denkt, dass ein einziger dieser Geldscheine seine Probleme bis auf weiteres lösen würde. Ich könnte den Zug in den Grenzort nehmen und dort mit Paula im Hotel wohnen, denkt er sich und beobachtet, wie sein Quartiergeber die Scheine in die Hosentasche stopft. Er kehrt wieder ins Lokal zurück, lässt sich auf den Sessel neben Sam fallen und winkt der Bedienung. Kognak, sagt er, für mich und meinen Freund. Dabei klopft er Sam auf die Schulter. Den haben wir uns redlich verdient, sagt er und lehnt sich entspannt zurück. Sie fackeln nicht lange, sondern machen gleich Nägel mit Köpfen, stimmts, sagt Sam und nickt ihm anerkennend zu. Dann lenkt er seinen Blick auf die Hosentasche seines Quartiergebers, in der er die Geldscheine vermutet. Darauf kannst du Gift nehmen, sagt sein Quartiergeber und trinkt seinen Kognak in einem Zug aus. In der Folge fordert er Sam auf, ihm noch mehr von seinen Erlebnissen zu erzählen. Erzähl mir mehr von deinen Erlebnissen dort oben, sagt er und weist vage mit der Hand den Berg hinauf, hast du dort oben auch Bekanntschaften gemacht? Aber ja doch, sagt Sam genervt, ich habs Ihnen doch schon mehrmals erzählt. Ich habe eine Frau kennengelernt, die vorgegegeben hat, Paula zu heissen. Ja, richtig, sagt sein Quartiergeber, das hast du mir schon erzählt, ist mir nur vorübergehend entfallen, verzeih. Aber wie habt ihr euch verständigt, fragt er, wenn du doch die hiesige Sprache nicht sprichst. Sie ist eine Landsmännin gewesen, sagt Sam, was das Ganze selbstredend vereinfacht hat. Tatsächlich eine Landsmännin, sagt Sams Quartiergeber geistesabwesend und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf die Strasse, da hast du aber Glück gehabt, weil deine Sprache hier ja kaum jemand spricht. Du hättest ganz vereinsamen können, dort oben, sagt er, wie gut dass du eine Landsmännin getroffen hast. Wieso sprechen Sie eigentlich meine Sprache, fragt Sam und beugt sich neugierig vor. Weil ich eine Ausnahme bin, sagt sein Quartiergeber aber bloss, ich spreche mehrere Sprachen, unter anderen eben auch deine. Dann verstummt er gänzlich und starrt geistesabwesend hinaus auf die Strasse. Einmal klingelt das Mobiltelefon in seiner Hosentasche, er zieht es heraus, und dabei flattert ein Geldschein zu Boden. Er spricht lange in der hiesigen Sprache und Sam wartet auf eine passende Gelegenheit, bei der er den Geldschein an sich bringen kann. Aber sein Quartiergeber vereitelt alle seine Bemühungen und lässt Sam, während er spricht, keinen Moment aus den Augen. Schliesslich bückt er sich und steckt den Schein wieder in seine Tasche. Als er das Gespräch schliesslich beendet, hat sich seine Miene verfinstert und er misst Sam mit kritischen Blicken. Dann fragt er ihn in barschem Ton, was er hier unten überhaupt zu suchen hat und Sam beeilt sich, zu erklären, wie die Dinge liegen. Er kommt erneut auf seine Erlebnisse auf der Hochfläche und den Mann mit der Peitsche zu sprechen, um sich zu rechtfertigen. Ich habe mehrere äusserst schmerzhafte Hiebe einstecken müssen und mich lieber rechtzeitig aus dem Staub gemacht, sagt er und betastet die empfindliche Stelle an seiner Stirn. Na schön, sagt sein Quartiergeber, aber du hättest durchaus in der komfortablen, Wohnung bleiben können, die ich dir zur Verfügung gestellt habe. Ja schon, sagt Sam und erwähnt wohlweislich nichts vom geschlossenen Postamt und seinem Telefonat mit Paula. Er lässt das Umschlagtuch von seinen Schultern gleiten und zupft den Saum seines Kleides zurecht. Und was soll dieser Aufzug, fragt sein Quartiergeber, wieso trägst du drei Kleider übereinander? Wegen der Kälte, sagt Sam und kann nicht verhindern, dass sich ein trotziger Tonfall in seine Stimme schleicht. Es war bitterkalt dort oben und ich habe in meinen nassen Sachen über die Maßen gefroren. Du hättest eben in der komfortablen Wohnung bleiben solle, die ich dir zur Verfügunge gestellt habe, sagt sein Quartiergeber und langt nach den Perlmuttknöpfen an Sams Ausschnitt. Ich behaupte nicht, dass dir die Sachen nicht ausgezeichnet stehen, sagt er und rückt ein wenig näher. Die Bedienung macht sich hinter ihnen an ihren Gläsern und Tassen zu schaffen und erzeugt damit einen ungebührlichen Lärm. Sie wird von Sams Quartiergeber unverzüglich zur Ordnung gerufen. Sam denkt an das Telefongespräch mit Paula und fragt sich, ob es richtig war, sie in den Grenzort zu bestellen. Er sieht zahlreiche Komplikationen voraus und betrachtet die Ausbuchtung an der Hosentasche seines Quartiergebers. So viele Geldscheine, denkt er sich und dass ihm ein einziger Schein aus der Misere helfen würde. Er verzieht die Lippen zu einem Lächeln und als sich sein Quartiergeber erneut an den Perlmuttknöpfen des zuoberst getragenen Kleides zu schaffen macht, hält er still. Nach einer Weile lässt sein Quartiergeber von ihm ab, steht auf und fordert ihn auf, mitzukommen. Sam reagiert nicht, sondern bleibt benommen am Tisch sitzen. Daraufhin zieht ihn sein Quartiergeber am Arm in die Höhe und fordert ihn auf, keine Schwierigkeiten zu machen. Na los komm mit, sagt er, wir beiden unternehmen jetzt einen kleinen Spaziergang. Ich bringe dich an einen Platz, wo du dich ein wenig ausruhen kannst. Er zieht Sam hinter sich her zum Ausgang und Sam versucht vergeblich, seinen Arm zu befreien. Ich kann nicht mit ihnen kommen, sagt er, holt weit aus und führt wichtige Besorgungen ins Treffen. Nur deswegen bin hierhergekommen, sagt er und versucht, einen überzeugenden Ton in seine Stimme zu legen. Aber sein Quartiergeber macht bloss eine wegwerfende Handbewegung, dann zieht er einen der grossen Geldscheine aus der Hosentasche und steckt ihn der Kellnerin beim Hinausgehen zu. Sam heftet seine Augen auf den Schein und sagt sich, dass es vielleicht klüger ist, fürs erste klein beizugeben. Er denkt sich, dass noch nicht aller Tage Abend ist und folgt seinem Quartiergeber willig. Bald hat er in den kreuz und quer verlaufenden Gassen jede Orientierung verloren und kann nur mühsam Schritt halten. Mehrmals bittet er seinen Quartiergeber, ein wenig langsamer zu gehen, aber sie durcheilen sie eine Gasse nach der anderen, queren Hinterhöfe, Strassenkreuzungen und grössere Plätze. Sam wird des öfteren an die Ansiedlung oben auf dem Berg erinnert, manchmal meint er sogar, das eine oder andere Haus wiederzuerkennen, was aber natürlich vollkommener Unsinn ist. Als sein Quartiergeber endlich vor einem vielstöckigen Haus am Stadtrand halt macht, ist Sam gänzlich ausser Atem und lehnt sich erschöpft an die Hauswand. Sein Quartiergeber versucht, die Haustür zu öffnen, findet sie verschlossen und kramt lange in seinen Taschen. Schliesslich fördert er den grössten Schlüsselbund zutage fördert, den Sam je gesehen hat. Kannst dich gleich ein wenig ausruhen, sagt er und nickt Sam aufmunternd zu, nur noch ein paar Treppen, dann hast dus fürs erste geschafft. Ich gebe dir ein Zimmer, wo du gänzlich ungestört bleibst, wird dir sicher gefallen, sagt er, aber Sam schüttelt entschieden den Kopf. Erneut bringt er die Sprache auf wichtige Besorgungen, die anstehen. Er will sich zum Gehen wenden, aber sein Quartiergeber packt ihn erneut am Arm, schliesst die Tür auf und stösst Sam über die Türschwelle. Hinein mit dir, sagt er und zwingt Sam in der Folge, viele Stockwerke nach oben zu steigen. Nur weiter, weiter, sagt er, sooft Sam stehenbleiben möchte und gönnt ihm keinen Augenblick Ruhe. Erst im Dachgeschoss darf Sam endlich Halt machen. Sie bleiben vor einer grossen, zweiflügeligen, gelbbraun gestrichenen Tür stehen. Sam betrachtet den abblätternden Anstrich und wirft seinem Quartiergeber einen fragenden Blick zu. Ja, das sind wir schon, sagt dieser, drückt die Klinke nieder und schiebt Sam kurzerhand über die Türschwelle. Immer geradeaus, das letzte Zimmer ist deines, sagt er zu ihm, aber Sam sträubt sich, bleibt immer wieder stehen und bringt seine dringenden Besorgungen ins Spiel. Die machst du eben ein anderes Mal, sagt sein Quartiergeber aber bloss, nur vowärts, ich habe nicht alle Zeit der Welt. Das letzte Zimmer ist deines, wird dir gefallen, sagt er und führt Sam schiebt Sam den Gang entlang. Er stösst eine Tür auf und als Sam, stösst er ihn über die Türschwelle. Sam sieht sich um und richtet dann einen fragenden Blick auf seinen Quartiergeber. Sie wollen, dass ich bis auf weiteres hier drinnen bleibe, fragt er und gibt sich anstellig und verständig. Aber sein Quartiergeber lässt sich nicht so ohne weiteres täuschen, sei doch froh, dass ich dir eine Zuflucht anbiete, sagt er, demnächst wird es dunkel, wo willst du dann unterkommen? Hier stelle ich dir erneut ein komfortables Quartier zur Verfügung, sagt er und wirft Sam einen bekümmerten Blick zu. Wenn du schon die Wohnung, die ich dir grosszügigerweise zur Verfügung gestellt habe, mutwillig verlässt. Direkt ein Glück, dass du neuerlich auf mich gestossen bist, sagt er, bevor er sich zum Gehen wendet und schlägt Sam ermutigend auf die Schulter. Dann zieht er die Tür hinter sich ins Schloss und Sam hört, wie der Schlüssel mehrmals umgedreht wird. Er sagt sich, dass er jetzt tatsächlich vom Regen in die Traufe geraten ist und bleibt eine Weile mit hängenden Armen in der Mitte des Zimmers stehen. Dann tritt er ans einzige Fenster. Sein Erstaunen ist gross, als sein Blick geradewegs auf die Station der Gondelbahn fällt. Die Leuchtschrift über dem Eingang fällt ihm geradewegs ins Auge und er hält für einen Moment den Atem an. Dass bei einzelnen Buchstaben die Leuchtröhren beinahe zur Gänze ausgefallen sind und vor allem der Anfangsbuchstabe so gut wie unsichtbar ist, stört ihn ein wenig. ‚Téléphérique‘ sagt er leise, folgt dem Schriftzug mit den Augen und schüttelt über die schlechte Wartung den Kopf. In der Folge versucht er, das Fenster zu öffnen und hat dabei ständig die blinkende Leuchtschrift im Auge. Trotz aller Bemühungen bewegen sich die Fensterflügel keinen Millimeter und schliesslich lässt er resigniert die Hände sinken. Er läuft zur Tür, rüttelt an der Klinke und ruft mehrmals nach seinem Quartiergeber. Aber sein Rufen ist gänzlich vergeblich. Keiner kommt und schliesst die Tür auf und Sam verstummt schliesslich. Allmählich übermannt ihn die allergrösste Müdigkeit und er fasst das Bett in der Ecke ins Auge. Er geht darauf zu, lässt sich vorsichtig darauf nieder und findet es über die Maßen bequem. Sogleich streckt er sich der Länge nach darauf aus und schläft beinahe sofort ein. Irgendwann in der Nacht wird er durch das Geräusch des Schlüssels im Schloss geweckt. Er schlägt die Augen auf und weiss einen Moment lang nicht, wo er sich befindet. Als er seine Augen auf die Zimmerdecke richtet, entdeckt er den Widerschein der Leuchtschrift. Sogleich fällt ihm ein, wo er sich befindet und er richtet sich schlaftrunken auf. Als sich die Tür öffnet, fällt ein breiter Lichtstreifen vom Flur direkt auf ihn und er sieht, dass sich die vierschrötige Silhouette seines Gastgebers im Türrahmen abzeichnet. Er hebt geblendet eine Hand vor die Augen. Na los komm mit, hört er seinen Quartiergeber sagen, meine Freunde wollen dich in Augenschein nehmen, dauert nicht lange. Du kannst gleich wieder weiterschlafen, sagt er und als Sam sich nicht regt und einfach auf seinem Bett liegen bleibt, ist sein Quartiergeber mit wenigen Schritten bei ihm. Er packt ihn am Arm und fordert ihn auf, keine Schwierigkeiten zu machen. In der Folge zieht er Sam unnachgiebig mit sich und führt ihn aus dem Zimmer hinaus und den Flur entlang. Dann stösst er eine Tür auf und schiebt Sam in einen hellerleuchteten Raum, in dem sich mehrere Männer aufhalten. Sogleich richten sich alle Augen auf ihn und Sam senkt den Kopf und fühlt sich äusserst unbehaglich. Sein Quartiergeber spricht lange mit den Männern in der hiesigen Sprache und einmal steht einer der Männer auf und fasst Sam unters Kinn. Sogleich tritt Sam einen Schritt zurück und schlägt die aufdringliche Hand weg. Daraufhin wollen sich die Männer ausschütten vor Lachen, unterhalten sich angeregt und lassen Sam links liegen. Als er seinem Quartiergeber einen hilfesuchenden Blick zuwirft, nickt ihm dieser beruhigend zu. Alles ist bestens, sagt er und legt einen beruhigenden Ton in seine Stimme, du kannst dich jetzt wieder hinlegen, dein Zimmer findest du wohl alleine. Sam wendet sich erleichtert zum Gehen und schliesst eilends die Tür hinter sich. Dann bleibt er im Flur stehen und denkt ernsthaft an Flucht. Er versucht, die Eingangstür herauszufinden, geht auf Zehenspitzen den Flur entlang und drückt die einzelnen Türklinken nieder. Aber alle Türen sind versperrt und er sagt sich, dass ein Fluchtversuch unter diesen Umständen von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Bringt mich vom Regen in die Traufe, denkt er sich und kehrt in sein Zimmer zurück. Er stellt sich erneut ans Fenster und betrachtet lange die blinkende Leuchtschrift. Aber die einzelnen dunklen Stellen fallen ihm äusserst störend ins Auge, der ganze schöne Schriftzug ist dadurch entstellt, denkt sich Sam und das ‚T‘ in ‚Téléphérique‘ kaum zu erkennen. Er schüttelt den Kopf über die schlechte Wartung und versucht nochmals, das Fenster zu öffnen. Er müht sich eine Weile vergeblich ab und legt sich schliesslich resigniert wieder zu Bett. An Schlaf ist jetzt natürlich nicht mehr zu denken. Statt dessen liegt Sam mit weit offenen Augen da und schmiedet Fluchtpläne. Als sich die Tür seines Zimmers plötzlich öffnet und ein breiter Lichtkegel ins Zimmer fällt, erschrickt er über die Maßen. Aber er stellt sich schlafend und beobachtet mit halbgeschlossenen Lidern, wie der Eindringling leise die Tür hinter sich schliesst. In der Mitte des Zimmers bleibt er stehen und Sam kann beobachten, wie der Widerschein der Leuchtschrift ein ums andere Mal über ihn läuft. Dann presst Sam die Augenlider aufeinander und stellt sich schlafend. Aber der Mann lässt sich nicht täuschen. Na, mein Hübscher, sagt er und nähert sich Sams Bett, du schläfst doch nicht wirklich, oder? Nur keine Aufregung, sagt er in Sams Sprache, die er gut, aber mit starkem Akzent spricht, ich will mich bloss ein wenig mit dir unterhalten. Sam schlägt die Augen auf und als der Mann ein Knie auf seine Bettkante setzt, weicht er so gut wie möglich zurück. Ganz ruhig, sagt der Mann, bist ein ganz Hübscher, keiner will dir was tun. Dann streckt er seine Hand nach Sams Kopf aus und gerät dabei an die so besonders empfindliche Stelle an Sams Stirn. Sam versucht, seinen Kopf aus der Reichweite des Mannes zu bringen, aber der Mann lässt nicht locker. Schliesslich schlägt er die Hand des Mannes weg. Lassen Sie mich bloss in Ruhe, sagt er und bemerkt selbst, wie schrill und aufgeregt seine Stimme klingt. Aber der Mann hört nicht, sondern fordert Sam auf, kein Spielverderber zu sein und fasst nach seinen Schultern. Er will ihn näher zu sich ziehen, aber Sam setzt sich nach Kräften zur Wehr. Er schlägt mit Händen und Füssen um sich und ruft mehrmals mit überkippender Stimme nach seinem Quartiergeber. Schliesslich lässt der Mann ärgerlich von ihm ab, entfernt sich ein paar Schritte von Sams Bett und fordert ihn auf, den Mund zu halten. Hör auf, hier herumzuschreien, das nützt dir gar nichts, sagt er und bleibt unschlüssig in der Mitte des Zimmers stehen. Als der Widerschein der Leuchtschrift erneut auf ihn fällt, beruhigt sich Sam. Er heftet seine Augen auf die flackernden Buchstaben und achtet nicht länger darauf, was der Mann redet. Erst nach einer Weile dringen einzelne Sätze an sein Ohr. Unser kleines Intermezzo behältst du hoffentlich für dich, hört er den Mann sagen, wir verstehen uns, ja?
„Bringt dir gar nichts, wenn dus an die grosse Glocke hängst.“
Sam hält seine Augen weiter auf die Leuchtschrift auf die Buchstaben auf dem Körper des Mannes gerichtet und antwortet nicht. Was um Himmels willen gibt’s da eigentlich zu glotzen, fragt der Mann und tritt unbehaglich von einem Fuss auf den anderen. Dann sieht er an sich herunter, entdeckt, dass die Buchstaben über ihn wandern und geht ein paar Schritte zur Seite, ins Dunkel. Sogleich wendet Sam seine Augen zur Zimmerdecke, dorthin, wo die Leuchtschrift jetzt auf das allerdeutlichste zu sehen ist. Morgen stehen wichtige Dinge an, die auch dich betreffen, hört er den Mann sagen. Er versucht vergeblich, Sams Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Damit nur ja nichts schiefläuft, solltest du dich morgen zeitgerecht im Cafe an der Hauptstrasse einfinden. In welchem, fragt Sam geistesabwesend und wendet keinen Blick von der Leuchtschrift. Dort, wo du gestern schon mit deinem Quartiergeber warst, sagt der Mann, daran erinnerst du dich hoffentlich noch. Selbstredend erinnere ich mich, sagt Sam. Du solltest wirklich pünktlich sein, sagt der Mann eindringlich, dein Fehlen würde übel vermerkt werden. Denk daran, morgen um zehn Uhr im Cafe an der Hauptstrasse. Dann macht er auf dem Absatz kehrt und verlässt das Zimmer. Er schlägt die Tür hinter sich mit einem lauten Knall zu, aber Sam kehrt sich nicht dran. Auch als in der Folge vom Flur laute Stimmen, Türenschlagen und Schritte zu hören sind, bleibt er ruhig an seinem Platz. Nach einer Weile streckt er sich wieder auf seinem Bett aus, aber an Schlaf ist jetzt natürlich nicht mehr zu denken. Stattdessen liegt er mit weit offenen Augen da und hält seinen Blick weiter auf die Leuchtschrift gerichtet. Erst als es draussen hell wird, verblasst sie allmählich. Sam hat immer grössere Mühe, die einzelnen Schriftzeichen auszumachen, obwohl er seine Augen über die Maßen anstrengt. Bald ist die Schrift endgültig verschwunden. Der erste Sonnenstrahl fällt ins Zimmer und Sam erhebt sich zögernd von seinem Bett. Er schärft seine Ohren, hört aber nichts. Niemand scheint sich im Flur aufzuhalten und Sam streckt versuchsweise die Hand nach der Türklinke aus. Die Tür ist unversperrt und er kann sein Zimmer ohne weiteres verlassen. Auf Zehenspitzen geht er den Flur entlang, öffnet alle Türen und inspiziert die Zimmer. Sie stehen leer, müssen aber bis vor kurzem bewohnt gewesen sein, weil die Betten zerwühlt sind. Jetzt aber scheint sich ausser Sam niemand mehr in der Wohnung zu befinden und er steht eine Weile ratlos im Flur. Als plötzlich das Telefon neben der Eingangstür klingelt, erschrickt er aufs äusserste, weil der Klingelton über die Maßen laut ist. Eilends geht er hin und hebt den Hörer ab. Wen wollen Sie sprechen, fragt er und eine Frauenstimme beginnt sogleich in der hiesigen Sprache zu reden. Die Frauenstimme kommt Sam merkwürdig bekannt vor und nach einer Weile reisst er das Wort an sich. Ich verstehe Sie nicht, sagt er, ich spreche Ihre Sprache nicht, und ausser mir ist niemand da. Verstehen Sie mich, fragt er und hört nichts als rasches Atmen in der Leitung. Du erinnerst dich doch wohl, sagt die Frau schliesslich, ich bins, deine Landsmännin. Sams Überraschung könnte grösser nicht sein und als ihn die Frau fragt, wie er in diese Wohnung gelangt ist und was er dort tut, gibt er umfassend Auskunft. Mein Quartiergeber hat mir erneut unter die Arme gegriffen und mich mit hierher genommen, sagt er, zufällig sind wir gestern aufeinandergetroffen. Unverschämte Eigenmächtigkeit, sagt die Frau aber und wirft Sam vor, dass er sie in Teufels Küche bringt. Du hast in Bills Wohnung nichts zu suchen, sagt sie und fordert ihn auf, sich sofort auf die Socken zu machen. Du kommst sofort hierher, sagt sie und ihr Ton ist der bestimmteste. Sam hat gute Lust, das Gespräch kurzerhand abzubrechen und nimmt den Hörer schon vom Ohr. Aber dann besinnt er sich eines Besseren, weil doch noch zahlreiche Fragen offen sind. Wer ist Bill, fragt er zuallererst. Na wer schon, sagt die Frau, Bill ist dein Quartiergeber. frag nicht so dumm. Als Sam versucht, sich die Frau ins Gedächtnis zu rufen, bemerkt er, dass er sich nur mehr vage an sie erinnern kann. Hat sich auf das aufdringlichste an mich herangemacht, denkt er und ruft sich die Szene mit den Büchern ins Gedächtnis. Unangenehmer Auftritt in der Wohnung meines Quartiergebers, denkt er und dann fällt ihm das Intermezzo auf der Hochfläche denken. Die beiden Älteren wollten mir ans Leder, aber die Frau hat sich schliesslich mit mir verbrüdert und mich weglaufen lassen. Und ihm fällt ein, dass es eigentlich ihre Kleider sind, die er trägt. Er sieht prüfend an sich hinunter und fühlt sich mit einem Mal äusserst unbehaglich. Er registriert, dass sich der weiche Kleiderstoff auf das unangenehmste an seine Beine schmiegt und fasst den Entschluss, sich unverzüglich nach Männerkleidern umzusehen. Sind ja ohnehin jede Menge Kleiderschränke in dieser Wohnung, denkt er sich und hält den Hörer ein Stück von seinem Ohr weg. Die Frau hat sich zunehmend in Rage geredet und der schrille Ton in ihrer Stimme berührt Sam auf das unangenehmste. Du hier unten, sagt die Frau, das wirft alle meine Pläne durcheinander. Ich wüsste nicht, was ich mit Ihren Plänen zu schaffen hätte, sagt Sam ungeschickterweise und bringt die Frau damit endgültig gegen sich auf. Sie fordert ihn auf, den Mund zu halten und beschimpft ihn in der Folge auf das unflätigste. Zu guter Letzt nennt sie ihn einen Tropf und einen einfältigen Tölpel und befiehlt ihm, sich sofort auf den Weg zu machen. Du nimmst deine Beine in die Hand und kommst hierher, sagt sie, und zwar unverzüglich. Wir haben dich als Stellvertreter vorgesehen. Wohin soll ich kommen, fragt Sam und unterdrückt seinen Ärger über den befehlshaberischen Ton der Frau nur mühsam. In das Cafe in der Hauptstrasse, da, wo du gestern schon warst, sagt sie, und zwar sofort. Dann hört Sam am Klicken in der Leitung, dass sie den Hörer aufgelegt hat. Er schüttelt den Kopf und weiss einen Augenblick lang nicht, was jetzt als nächstes zu tun ist. Dann erinnert er sich an seinen Vorsatz, die lächerlichen Frauenkleider endlich wieder loszuwerden und öffnet die Tür des nächstliegenden Zimmers. Tatsächlich findet er darin einen randvoll gefüllten Kleiderschrank und verbringt eine ganze Weile damit, sich neu auszustaffieren. Er besieht sich lange im Spiegel, nickt zufrieden und denkt sich, dass die Strapazen der letzten Zeit so gut wie spurlos am ihm vorübergegangen sind. Er fragt sich, ob er mit den ausgewählten Kleidungsstücken wohl auch Paulas Geschmack getroffen hat, knüllt er die Frauenkleider zusammen und versteckt sie ganz hinten im Schrank. In der Folge kehrt er nochmals in sein eigenes Zimmer zurück. Er stellt sich ans Fenster, richtet seine Aufmerksamkeit auf die Station der Gondelbahn und beobachtet eine gerade einfahrende Gondel. Sehr viele Menschen sind von oben nach unten gekommen und als sich die Tür öffnet, versuchen alle zugleich, ins Freie zu gelangen. Sam registriert, dass alle den Weg stadteinwärts nehmen und dann fällt sein Blick auf die grosse Uhr, die über dem Eingang zur Gondelbahn angebracht ist. Er sieht, dass es bereits kurz vor zehn ist und erinnert sich an die Aufforderung seines nächtlichen Besuchers. Ich muss mich um Punkt zehn im Cafe an der Hauptstrasse einfinden, denkt er sich und macht sich sogleich auf den Weg. Er schlägt die Wohnungstür hinter sich zu, läuft die vielen Treppen hinunter und findet die Strasse vor dem Haus auf das dichteste bevölkert. Alle ziehen stadteinwärts und Sam zögert nicht lange und reiht sich sogleich ein. Die Menschenmenge zieht ihn ganz automatisch mit sich und als die Kirchturmuhr zehn schlägt, erreicht er mit vielen anderen das Cafehaus. Er steigt die Stufen hinauf und drängt mit allen anderen durch die weit geöffnete Tür. Zuerst erkennt er den Raum gar nicht wieder, denn man hat zahlreiche Veränderungen vorgenommen. Unter anderem hat man im Hintergrund eine Schiebewand geöffnet und alle Tische entfernt. So hat man Platz für mehrere hundert Personen geschaffen und ganz vorne ist man noch mit der Errichtung eines Podiums beschäftigt. Sam fragt sich, welche Veranstaltung hier wohl stattfinden wird und sieht sich ratsuchend um. Zu guter Letzt erspäht er seinen Quartiergeber und versucht sogleich, sich bemerkbar zu machen. Hallo Bill, ruft er mehrmals, kann aber mit seiner Stimme den Lärm rundum nicht durchdringen. Sein Quartiergeber erklimmt das Podium und nimmt Platz an einem Tisch, der sichtlich eigens für ihn aufgestellt worden ist. Ein grosser Mann reicht ihm ein umfangreiches Aktenbündel und neigt sich erehrbietig zu ihm. Sam versucht vergebens, sich bemerkbar zu machen, hebt seine Arme und winkt heftig. Aber keiner beachtet ihn und Sam lässt schliesslich die Arme wieder sinken und zuckt resigniert die Achseln. Der grosse Mann kommt ihm merkwürdig bekannt vor und er fasst ihn schärfer ins Auge. Aber beim besten Willen kann er sich nicht erinnern, wann und wo er ihm bereits begegnet ist. Sam lässt seine Blicke erneut schweifen und entdeckt zu seiner grössten Überraschung den Notarzt, wie er zu Füssen des Podiums an einem separierten Tisch sitzt. Er hat seine Notarzttasche geöffnet neben sich stehen, hält seine Blicke auf die unablässig hereinströmenden Leute gerichtet, bewegt seine Lippen und macht sich Notizen. Zählt uns ab, denkt sich Sam und registriert, dass sich der Raum tatsächlich zusehends füllt. Sam entdeckt mehrere bekannte Gesichter und denkt sich dass heute wohl buchstäblich alle von oben nach unten gekommen sind. Fehlen bloss noch die Feuerwehrleute und die Männer aus den Mulden, denkt er und fasst den grossen Mann neben Bill nochmals ins Auge. Die beiden beraten sich ernsthaft, Sams Quartiergeber macht sich fortlaufend Notizen und schlägt immer wieder in seinen Unterlagen nach. Sam reckt den Kopf, um den Raum besser überblicken zu können und steigt dazu schliesslich auf einen Sessel. Hinsetzen, sagt in schroffem Ton aber sein Nebenmann und Sam setzt sich sogleich folgsam auf den nächststehenden Sessel. Erst dann registriert er, dass man ihn in seiner Sprache angeredet hat und fasst seinen Nebenmann schärfer ins Auge. Schön, auf einen Landsmann zu treffen, sagt er und setzt sich bequemer auf seinem Sessel zurecht. Auch sein Nebenmann zeigt sich überrascht und fragt Sam, was ihn hierher verschlagen hat. Ist schon ewig her, dass ich einen Landsmann getroffen habe, sagt er und rückt ein wenig näher. Sam fragt ihn sogleich, welche Veranstaltung hier denn stattfinden soll und wie lange das alles wohl dauern wird. Sein Landsmann wundert sich über Sams Unwissenheit und sagt ihm auf den Kopf zu, dass er vom Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Sam räumt ein, dass er gänzlich uniformiert ist, streckt dann aber die Hand aus und weist auf seinen Quartiergeber. Ich kenne den da oben auf dem Podium, sagt er, tatsächlich stehe ich sogar auf allervertrautestem Fuss mit ihm. Das will nichts heissen, sagt sein Landsmann, das tut jeder hier im Saal.
„ Jeder kennt Bill und steht auf allervertrautestem Fuss mit ihm.“
Dann rückt er noch ein wenig näher und fragt Sam, ob er als Stellvertreter vorgesehen ist. Das befremdet Sam und das Telefongespräch mit der Frau fällt ihm wieder ein. Wir haben dich als Stellvertreter vorgesehen, hat sie gesagt, Sam hat ihre Stimme noch deutlich im Ohr. Ich weiss nicht, sagt Sam vorsichtshalber, was soll das eigentlich sein, ein Stellvertreter? Aber sein Landsmann schüttelt belustigt den Kopf und schlägt ihm dann ermutigend auf die Schulter. Das erfährst du früh genug, sagt er, warts ab. Er fordert Sam auf, sich deswegen keine grauen Haare wachsen zu lassen und nickt Sam beruhigend zu. Dann winkt er der Bedienung und bestellt Getränke für sich und Sam. Als sie sich nähert, setzt Sam ein freundliches Lächeln auf, aber die Blicke der Bedienung gleiten gleichgültig über ihn hin. Erkennt mich nicht mehr, denkt sich Sam und nimmt den Pappbecher mit heissem Kaffee, den sie ihm blicklos aushändigt. Könnte daran liegen, dass ich die Kleider gewechselt habe, denkt er sich und zupft und zerrt an den Ärmeln seines Pullovers, die ihm ein wenig zu kurz sind. Dann richtet er seine Aufmerksamkeit auf das Podium und beobachtet alles aufs Genaueste, kann sich aber keinen Reim darauf machen. Nach einer Weile wendet er sich nochmals ratsuchend an seinen Landsmann. Was ist mit den Stühlen, fragt er und zeigt auf die Stuhlreihe, die von zahlreichen Helfern gerade seitwärts am Podium aufgestellt wird. Sein Landsmann schüttelt über Sams Unwissenheit erneut den Kopf und rückt dann ein wenig näher. Das sind die Stühle der Mandanten, sagt er, sie werden jetzt dann bald ihre Plätze einnehmen und dann geht’s los. Da kommen sie schon, sagt er und weist auf eine kleine Tür im Hintergrund des Lokals. Sam reckt den Kopf, sieht eine Reihe von Leuten hintereinander durch die Tür treten und entdeckt die Frau, die vorgegeben hat, Paula zu heissen, unter ihnen. Paula, sagt er leise und sogleich fällt ihm die richtige Paula ein, die wohl gerade im Zug sitzt und sich dem Grenzort nähert. Die Leute erklimmen einer nach dem anderen das Podium und er entdeckt auch das ältere Ehepaar unter ihnen. Haben sich schlecht benommen mit gegenüber, denkt er sich und folgt ihnen mit den Augen. Er registriert, dass sie ihre Köpfe ständig gesenkt halten, ihre Plätze einnehmen und alles lautlos und präzise vor sich geht. Dann beugt er sich zu seinem Landsmann und fragt, ob das nun die Mandanten sind. Sein Landsmann bedeutet ihm, leise zu sein, rückt dann ein wenig näher und bringt seinen Mund an Sams Ohr. Ja, das sind die Mandanten, flüstert er und es sieht ganz danach aus, als ob das heute ewig dauern würde. Er wirft einen sorgenvollen Blick auf die grosse Uhr an der Wand und redet dann von den Besorgungen, die er sich für heute vorgenommen hat. Ich komme nur selten nach unten, sagt er und weist hinter sich, dahin, wo sich etwa die Gondelbahn und der Berg befinden, ich wohne nämlich oben. Sam misst den jungen Mann von Kopf bis Fuss, kann sich aber nicht erinnern, ihn schon einmal gesehen zu haben. Nur für diesen einen Tag sind Sie nach unten gekommen, fragt er, nur um bei dieser Veranstaltung dabeizusein? Aber ja, sagt sein Landsmann, gleich mit der ersten Gondel, um einen möglichst guten Platz zu ergattern. Er mustert die dicht besetzten Sesselreihen mit finsteren Blicken und als Sam sich zu ihm neigt und ihm noch ein paar Fragen stellen will, schüttelt er den Kopf. Währenddessen hat auf dem Podium der grosse Mann ein paarmal energisch in die Hände geklatscht, um Ruhe gebeten und die Anwesenden in mehreren Sprachen begrüsst. Seine heisere bellende Stimme dringt auf das unangenehmste an Sams Ohr, mustert ihn aufmerksam und ihm scheint, dass ihm der Mann schon irgendwo über den Weg gelaufen ist. Als er endlich in Sams Sprache zu reden beginnt, hört Sam aufmerksam zu bemerkt aber, dass der Grossteil des Publikums gänzlich desinteressiert ist. Er schliesst daraus, dass nicht allzu viele seine Sprache sprechen und fasst die Mandanten, die ruhig auf ihren separierten Stühlen sitzen, schärfer ins Auge. Besonderes Augenmerk legt er auf die Frau und das ältere Ehepaar, die nebeneinander Platz genommen haben und unruhig auf ihren Sesseln hin und her rutschen. Der grosse Mann geht fortwährend von einem Ende des Podiums zum anderen, hat schon wieder in eine andere Sprache gewechselt und Sam fragt sich, wo er ihm wohl schon begegnet ist. Dann neigt er sich zu seinem Landsmann und fragt leise, wie lange das hier wohl noch dauern wird. Der aber schüttelt bloss den Kopf und empfiehlt Sam, sich in Geduld zu fassen. Hat noch gar nicht richtig begonnen, sagt er und dass er das nun schon zum dritten Mal mitmacht. Hat noch immer ewig lang gedauert, sagt er, und die Mandanten sehen nicht so aus, als ob das heute einfach abginge. Der grosse Mann gibt offenbar genaueste Anweisungen, die den Ablauf der Veranstaltung betreffen und Sam registriert, dass alle rundum aufmerksam zuhören. Er wartet begierig darauf, dass endlich seine Sprache wieder an die Reihe kommt und hört den grossen Mann mehrmals das Wort „Stellvertreter“ in den Mund nehmen. Dann aber spricht er wieder in einer anderen Sprache weiter, sodass Sam nicht das geringste versteht und wendet sich erneut an seinen Landsmann. Wieso spricht er nie in unserer Sprache, fragt er, ich verstehe nichts, nichts das Geringste. Aber sein Landsmann zuckt die Achseln und empfiehlt Sam, sich in Geduld zu fassen. Pass auf, flüstert er, ich erklärs dir, es ist ganz einfach, du siehst die Leute, die da so separiert auf ihren Stühlen sitzen, die sogenannten Mandanten? Aber ja, sagt Sam, natürlich sehe ich sie. Ruhe da hinten, hören sie den grossen Mann auf dem Podium in scharfem Ton sagen und ziehen schuldbewusst die Köpfe ein. Was ist mit ihnen, flüstert Sam und rückt ein wenig näher an seinen Landsmann, was ist mit den Mandaten? Sie holen sich Stellvertreter aus dem Publikum, flüstert sein Landsmann,und das kann noch eine ganze Weile dauern, denn erst wenn alle Stellvertreter auf dem Podium sind, geht’s los. Was geht los, fragt Sam, aber sein Landsmann schüttelt den Kopf und wendet seine Aufmerksamkeit wieder dem Podium zu. In der Folge hört auch Sam resigniert den endlos langen Erörterungen des grossen Mannes zu, bemüht sich um allergrösste Aufmerksamkeit, kann aber nicht verhindern, dass seine Gedanken immer wieder abschweifen. Dann, ganz plötzlich, wird die Langeweile unerträglich und er misst mit Blicken die Entfernung zum Ausgang. Ich geh kurz raus, sagt er leise zu seinem Landsmann, erhebt sich halb von seinem Sitz, wird aber von seinem Landsmann zurückgehalten. Damit bringst du dich in Teufels Küche, flüstert er Sam zu und fasst nach seinem Arm, wenn du einfach rausgehst, ziehst du unter Garantie Bills Zorn auf dich.
„Und dann bist du persona non grata.“
Das ist kein Spass, ich warne dich, flüstert er und zeigt Sam ein sorgenvolles Gesicht. Aber Sam zuckt bloss die Achseln und versucht, seinen Arm zu befreien. Grossspurig behauptet er, dass er von Bill nichts zu befürchten hat. Ganz im Gegenteil, sagt er, ich habe bei ihm einen Stein im Brett. Er zieht und zerrt an seinem Ärmel und aber sein Landsmann will ihn partout nicht loslassen. Loslassen, sofort, sagt Sam mehrmals laut und bemerkt sogleich, dass er damit die Aufmerksamkeit des grossen Mannes auf sich gezogen hat. Zu einem allergrössten Erschrecken bemerkt er die Peitsche in der Hand des grossen Mannes und weiss mit einem Mal, wo er ihm schon begegnet ist. Der Mann lässt die Peitsche mehrfach über den Köpfen des Publikums knallen, tritt an den Rand des Podiums und heftet seine Blicke auf Sam. Augenblicklich kehrt dort hinten Ruhe ein, ruft er mit seiner misstönenden Stimme und Sam muss an das unangenehme Intermezzo im Unterstand denken und wie grob der Mann mit ihnen allen war. Hat uns mit Peitschenhieben auf die Hochfläche getrieben, denkt er sich und dass ihm hier keiner was anhaben kann. Hier, unter den vielen Leuten, fühlt er sich sicher, befreit sich aus dem Griff seines Landsmanns und versucht, den Ausgang zu erreichen. Aber man lässt ihn nicht durch. Jetzt halten ihn die neben ihm Sitzenden fest, aber Sam gibt nicht so schnell klein bei. Stattdessen schlägt er mit Armen und Beinen um sich und versucht vergebens, den Ausgang zu erreichen. Aus den Augenwinkeln registriert er, dass der grosse Mann vom Podium heruntersteigt und geradewegs auf Sam zukommt. Er schlägt mit der Peitsche gegen den Schaft seiner Stiefel und Sam muss an die Episode auf der Hochfläche denken und setzt sich rasch wieder auf seinen Sessel. Aber da hat der grosse Mann schon Sams Sesselreihe erreicht und holt mit der Peitsche weit aus. Du schon wieder, hört Sam ihn in seiner Sprache sagen und verspürt dann den allerschmerzhaftesten Hieb. Zu spät hebt er die Arme über den Kopf, um die empfindliche Stelle an seiner Stirn zu schützen. Er kann einen Schmerzenslaut nicht unterdrücken und sagt sich wieder einmal, dass er vom Regen in die Traufe geraten ist. Er registriert den drohenden Blick des grossen Mannes, duckt sich unter der erhobenen Peitsche und atmet erleichtert auf, als der Mann schliesslich doch wieder kehrtmacht und zum Podium zurückgeht. In der Folge verhält er sich eine ganze Weile ruhig. Er lässt seine Blicke schweifen und beobachtet die Mandanten aufs genaueste. Einmal kreuzen sich seine Blicke mit denen der Frau, die vorgibt, auch Paula zu heissen und Sam sieht sogleich verlegen zur Seite. Er richtet seine Aufmerksameit auf Bill und den grossen Mann und betastet die empfindliche, nun aufs neue schmerzende Stelle auf seiner Stirn. Er sagt sich, dass sich die Dinge eindeutig zum Schlechteren entwickelt haben und richtet seine Gedanken dann auf das bevorstehende Wiedersehen mit Paula. Er sieht zahlreiche Komplikationen voraus und erinnert sich, dass Paula oft bei den einfachsten Dingen grosses Ungeschick an den Tag legt. Könnte falsch gewesen sein, Paula kurzerhand herbeizuzitieren, denkt er sich und als der grosse Mann endlich in seine Sprache wechselt, richtet Sam sich auf und bemüht sich um einen aufmerksamen Gesichtsausdruck. Einmal, Sam sieht auf der grossen Wanduhr, dass bereits Stunden vergangen sind , wird ein kleiner Imbiss serviert. Sam verschlingt das vertrocknete Brot mit ein paar grossen Bissen und will nach einem zweiten langen, aber die Bedienung geht blicklos an ihm vorbei. Sam greift ins Leere und kann ein Seufzen nicht unterdrücken. Er wendet sich mit freundlicher Miene an seinen Landsmann und möchte das gute Einvernehmen, das vor dem kleinen Zwischenfall zwischen ihnen geherrscht hat, wieder herstellen. Aber sein Landsmann kehrt ihm sogleich den Rücken und will ganz offensichtlich nichts mehr mit ihm zu tun haben. Sam schüttelt den Kopf über dieses lächerliche Gehabe und hat gute Lust, seinem Landsmann ein wenig lästig zu fallen. Ich habe den Peitschenhieb einstecken müssen, nicht du, sagt er und rückt ein wenig näher, hat höllisch weh getan, tatsächlich hätte ich allen Grund, dir böse zu sein. Halt den Mund, du bringst uns noch in Teufels Küche, sagt sein Landsmann und kehrt ihm erst recht den Rücken. Sam setzt sich achselzuckend wieder auf seinem Sessel zurecht und richtet seine Aufmerksamkeit wieder aufs Podium. Dort hat sich in der Zwischenzeit dort einiges getan. Der grosse Mann hat seine Aufgabe fürs erste beendet, ist zur Seite getreten und hat sich einen Platz am Rand des Podiums gesucht. Dort steht er ganz still, nur manchmal schlägt er mit dem Schaft der Peitsche gegen seine Stiefel. Einer der Mandanten hat seinen Platz verlassen und steht ein wenig verloren in der Mitte des Podiums. Sam beobachtet, dass Bill ihn mit einer jovialen Geste zu sich winkt und ihm in der hiesigen Sprache mehrere Fragen stellt. Sam beobachtet, dass der Mandant nur zögernd antwortet und dabei den Kopf stets gesenkt hält, die Hände ineinander verknotet und manchmal, wenn ihm eine Frage besonders unangenehm ist, ein wenig mit den Füssen am Boden scharrt. Er antwortet leise und unbestimmt, aber manchmal schüttelt er auch bloss den Kopf und presst die Lippen aufeinander. Das bringt Bill dazu, seine Fragen in immer grösserer Lautstärke zu stellen. Sam würde für sein Leben gern wissen, worum es eigentlich geht und sieht sich ratsuchend um. Aber sein Landsmann kehrt ihm nach wie vor den Rücken und auch alle anderen halten ihre Augen starr auf die Bühne gerichtet. Es ist jetzt mucksmäuschenstill im Publikum und Sam misst erneut mit den Augen die Entfernung zum Ausgang. Als der Mandant auf eine Frage Bills seine Hand hebt und wie es scheint, in Sams Richtung zeigt, springt Sam sogleich erfreut auf. Er will sich an den rundum Sitzenden vorbei nach draussen zwängen, wird aber von seinem Nebenmann wieder auf seinen Sessel gezwungen. Aber man holt mich nach vor auf die Bühne, ruft Sam und versucht vergeblich, sich zu befreien. Selbstredend versteht man ihn nicht und hält ihn weiterhin fest. Was Sam zutiefst erbittert, ist, dass ihm sein Landsmann in den Rücken fällt. Er springt auf und drängt sich an den Sitzenden vorbei hinaus auf den Gang und geht eilends nach vor zum Podium. Sam muss beobachten, wie er das Podium ersteigt und Bill ihn auf das allerfreundlichste empfängt. Auch der Mandant nickt ihm freundlich zu und in der Folge wird viel Zeit darauf verwandt, Sams Landsmann an einem geeigneten Platz aufzustellen. Er muss sich einmal hierhin, dann wieder dorthin stellen, aber es dauert lange, bis der Mandant endlich zufriedengestellt ist. Er scheucht Sams Landsmann auf der Bühne hin und her und Sam kann sich beim besten Willen keinen Reim darauf machen. Er beobachtet die Vorgänge auf dem Podium mit halboffenem Mund und sieht seinen Landsmann zu guter Letzt sitzend auf der Bühne, zusammengekauert und mit den Armen schützend über dem Kopf. Der Mandant nickt zufrieden und holt sich den nächsten Stellvertreter aus dem Publikum. Wieder beginnt alles von neuem, Bill begrüsst den Neuankömmling aufs allerfreundlichste und führt ihn hierhin und dorthin, kann aber lange keinen passenden Platz für ihn finden. Bald beginnt Sam sich zu langweilen. Er kann den Gedanken an einen Fluchtversuch nicht mehr beiseite schieben und misst mit den Augen den kürzesten Weg bis zur Tür. Das Stillsitzen fällt ihm zunehmend schwer, seine Unruhe ist die allergrösste und er rutscht unruhig auf seinem Sessel hin und her. Einmal dreht der den Kopf zu den Fenstern und sieht, dass es draussen bereits dämmert und demnächst völlig dunkel sein wird. Er richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf das Podium und registriert, dass der Mandant nun schon eine ganze Reihe von Stellvertretern ausgewählt hat. Es herrscht ein grosses Durcheinander dort oben und Sam wundert sich, dass Bill nicht für mehr Ordnung sorgt. Aber alles ist offenbar so, wie es sein soll. Sam sieht Bill mehrmals zufrieden mit dem Kopf nicken, als er dem Mandanten eine offenbar besonders wichtige Frage stellt und dieser zu schluchzen beginnt. Sam schüttelt indigniert den Kopf, kann sich keinen Reim darauf machen und wendet sich ratsuchend an seinen Sitznachbarn. Worum geht’s eigentlich, fragt er, stösst aber bloss auf verständnislose Blicke. Selbstredend spricht sein Nebenmann nur die hiesige Sprache. Sam richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf das Podium und stellt befremdet fest, dass dort oben chaotische Zustände herrschen. Alle Stellvertreter weinen und lassen ihren Gefühlen freien Lauf, auch Sams Landsmann windet sich schluchzend am Boden und Sam wendet unangenehm berührt den Blick ab. Er fasst den grossen Mann ins Auge, der nach wie vor völlig ungerührt am Rand des Podiums steht und nur manchmal mit der Peitsche gegen den Schaft seiner Stiefel schlägt. Sam lässt seine Blicke schweifen und als ihm die Tür ins Auge fällt, sieht er zu seiner grössten Überraschung einen Feuerwehrmann auf der Schwelle stehen. Sam erkennt ihn sogleich wieder. Wenn ihn seine täglichen Spaziergänge am Feuerwehrzeughaus vorbeigeführt haben, ist ihm gerade dieser Feuerwehrmann immer wieder ins Auge gefallen. Muss wohl der Hauptmann sein, denkt er sich und betrachtet die schmucke Uniform und den blankpolierten Helm mit Wohlgefallen. Er heftet seine Augen auf den Spritzenkopf in den Händen des Hauptmanns und kann sich keinen Reim darauf machen. Dann, als er sich ein wenig von seinem Sessel erhebt, dass sich hinter dem Hauptmann die andere Feuerwehrleute drängen. Sind alle von oben nach unten gekommen, denkt er sich und schüttelt verwundert den Kopf. Er beobachtet, wie der Feuerwehrhauptmann den Raum betritt und ihn seine Kollegen auf dem Fuss folgen. Sam sieht, dass sie den allerdicksten Schlauch in den Händen halten, den Sam je gesehen hat. Sie halten den Schlauch sorgsam hoch, folgen ihrem Hauptmann und bilden zu guter Letzt eine Reihe vom Podium bis zum Spritzenwagen vor der Tür. Sam verfolgt alles, was die Feuerwehrleute tun, mit dem grössten Interesse, aber auch allen anderen sind mittlerweile auf sie aufmerksam geworden, sie stossen sich gegenseitig an und recken die Köpfe, um besser sehen zu können. Nur der Mandant und seine Stellvertreter oben auf dem Podium nehmen keine Notiz von den Vorgängen im Saal. Stattdessen schreien und weinen sie und wälzen sich am Boden, Sam findet den Lärm unerträglich und hält sich versuchsweise die Ohren zu. Das aber missfällt seinem Nebenmann auf das Äusserste, er zieht Sam die Hände wieder von den Ohren und flüstert ihm in der hiesigen Sprache etwas zu. Sam versteht ihn selbstredend nicht, lässt aber die Hände resigniert sinken. Dann lenkt er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Feuerwehrhauptmann. Er bewundert erneut die straff sitzenden Uniform und den blanken Helm und beobachtet, wie sorgam er den Spritzenkopf in seinen Händen hält. Alles wartet jetzt auf sein Kommando. Seine Männer stehen in genau bemessenen Abständen hinter ihm, halten den prall gefüllten Schlauch in den Händen und zeigen eine tadellose Haltung. Sam fasst einen nach dem anderen ins Auge und erkennt sie alle wieder. Oft genug hat er sie im Spritzenhaus mit ihren Schläuchen hantieren sehen und als er sich ein wenig von seinem Sessel erhebt, kann durch die weit geöffnete Tür direkt auf den Spritzenwagen sehen. Aber nur die Umrisse sind in der Dämmerung sichtbar. Dort, wo Licht durch die geöffnete Tür fällt, glänzen die blank polierten Metallteile und fallen Sam aufs deutlichste ins Auge. Sam sieht, dass die Dämmerung schon weit fortgeschritten ist und es demnächst vollkommen dunkel sein wird. Er kann ein Seufzen nicht unterdrücken, richtet seine Gedanken auf Paula und stellt sich vor, wie sie sich dem Grenzort nähert. Könnte schon demnächst dort eintreffen, denkt er sich und sieht zahlreiche Schwierigkeiten voraus. Paula legt in Alltagsdingen manchmal ein erstaunliches Ungeschick an den Tag, daran erinnert er sich nur zu gut. Wird mir ein Klotz am Bein sein, denkt er sich. War voreilig, sie hierher kommen zu lassen, denkt er und beobachtet, dass die Feuerwehrmänner Haltung annehmen. Ihr Hauptmann hat den Spritzenkopf mittlerweile in Position gebracht und ihn geradewegs aufs Podium gerichtet. Dort herrscht mittlerweile das totale Chaos, alle schreien und weinen durcheinander und es kommt zu Übergriffen und Tätlichkeiten. Sam beobachtet, dass einer der Stellvertreter dem Mandanten eine Bisswunde beifügt und Bill vergeblich versucht, die beiden zu trennen. Es scheint Sam, als ob er ein wenig die Kontrolle verloren hätte, denn er wirkt aufgeregt und fahrig und lässt seine gewohnte Ruhe gänzlich vermissen. Trotz aller Bemühungen gelingt es ihm nicht, den Mandanten vor seinen Stellvertretern zu schützen. In der Folge kommt es zu unschönen Szenen, bei denen Sams Landsmann sich ganz besonders hervortut. Er stürzt sich mit gefletschten Zähnen und Schaum vor dem Mund auf den Mandanten und schlägt ihm die Zähne in die Hand. Sam fragt sich, ob er sich als Stellvertreter wohl auch so benommen hätte und kann sich nicht genug über seinen Landsmann wundern. Der legt ganz allgemein die allergrösste Aggressivität an den Tag und Bills Versuche, ihn zur Räson zu bringen, nützen rein gar nichts. Erst als der grosse Mann herbeieilt und seine Peitsche hebt, lässt Sams Landsmann von dem Mandanten ab und kommt schwankend auf die Beine. Sein Gesicht ist blutverschmiert und Sam wendet unangenehm berührt den Kopf den Kopf ab. Er lässt seine Blicke schweifen, begegnet dabei den Augen seiner Landsmännin und sieht sogleich angelegentlich zur Seite. Er richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf die Bühne und beobachtet mit Interesse, dass Bill sich jetzt um den Mandanten kümmert und seine verletzte Hand untersucht. Für einen kurzen Augenblick kehrt Ruhe auf dem Podium ein, aber als Bill dem Mandanten den Rücken kehrt, an den Rand des Podiums tritt und den Notarzt zu sich winkt, nützt sogleich einer der Stellvertreter die Chance. Er springt unversehens in die Höhe, krallt sich am Rücken des Mandanten fest und will ihm die Zähne in den Nacken schlagen. Der Mandant macht schwächliche Abwehrbewegungen und Bill eilt sogleich herbei, um Ordnung zu schaffen. Er bleibt aber gänzlich erfolglos und verständigt sich schliesslich mit dem Feuerwehrhauptmann durch einen Blick. Der Hauptmann gibt seinen Leuten eine kurze Anweisung, hebt den Spritzenkopf an und richtet ihn direkt auf das Podium. Er lässt einen mächtigen Wasserstrahl aus dem Spritzenkopf hervorschiessen, der im Handumdrehen alle vom Podium fegt. Für einen Augenblick sieht Sam nichts als zappelnde Arme und Beine und hört das Aufprallen der Körper hinter dem Podium. Mit Bewunderung betrachtet er den Feuerwehrhauptmann, der jetzt ein wenig an seinem Spritzenkopf dreht und das Wasser abstellt. Für einen kurzen Moment ist es völlig still in der Halle, nur das Stöhnen und Jammern des Mandanten und seiner Stellvertreter dringt hinter dem Podium hervor. Bill und der grosse Mann haben sich rechtzeitig vor dem Wasserstrahl in Sicherheit gebracht und sich ganz an den Rand gestellt. So sind sie gänzlich unversehrt geblieben. Sam erhebt sich halb von seinem Sessel, und versucht, einen Blick hinter das Podium zu werfen, aber es gelingt ihm nicht. Aber er hört ganz deutlich die Stimme seines Landsmanns, der nach dem Notarzt verlangt. Der Hauptmann hat mittlerweile den Spritzenkopf gesenkt und seinen Männern einen kurzen Befehl gegeben. Alle bücken sich und legen den dicken Wasserschlauch auf den Boden und in der Folge tritt der grosse Mann bis an den Rand des Podiums. Er verkündet in mehreren Sprachen, dass alles bestens verlaufen ist und dass der erste Mandant abgewickelt ist. Dann ordnet er eine kurze Pause an und sogleich springen alle erleichtert auf, dehnen und strecken sich und reden aufgeregt durcheinander. Auch Sam verlässt seinen Platz und drängt sich rücksichtslos durch die Umstehenden, um in die Nähe der Feuerwehrleute zu gelangen. Aber als er sich endlich bis zum Hauptmann vorgearbeitet hat, sieht er, dass ihm seine Landsmännin zuvorgekommen ist. Sie hat den Hauptmann mit Beschlagt belegt, plaudert angeregt mit ihm wirft Sam einen triumphierenden Blick zu. Sam bleibt in einiger Entfernung stehen und tritt unschlüssig von einem Fuss auf den anderen. Zu guter Letzt beschliesst er, hinter dem Podium nach dem Rechten zu sehen. Vielleicht braucht mein Landsmann ja Hilfe, denkt er sich, drängt sich erneut durch die Umstehenden und versucht, hinter das Podium zu gelangen. Einmal stolpert er über den Wasserschlauch am Boden, aber einer der Feuerwehrmänner hält ihn am Arm fest und bewahrt ihn so vor einem Sturz. Sam bedankt sich, nickt dem Feuerwehrmann freundlich zu und will ihn sogleich in ein Gespräch ziehen. Wir kennen uns doch, sagt er, zumindest ich kenne dich, hab dir öfters bei der Arbeit zugesehen, du hast meist bei den Spritzenwägen zu tun gehabt. Aber der Feuerwehrmann sieht ihn nur verständnislos an, zuckt die Achseln und wendet sich ein wenig zur Seite. Sam nickt verständig mit dem Kopf, alles klar, du verstehst mich nicht, sagt er und versetzt dem Feuerwehrmann einen kameradschaftlichen Schlag auf den Rücken. Dann senkt er den Blick und betrachtet den dicken Schlauch zu seinen Füssen. Er bückt sich und will die Hand auf die glatte, kühle Schlauchoberfläche legen, wird aber vom Feuerwehrmann daran gehindert. Er schiebt unnachgiebig zur Seite und sagt etwas in der hiesigen Sprache. Aber Sam gibt sich nicht so schnell geschlagen, ich will ihn bloss kurz anfassen, sagt er und bückt sich erneut. Aber neuerlich lässt der Feuerwehrmann nicht zu, dass Sam den Schlauch anfasst und er muss schliesslich klein beigeben. Er zuckt die Achseln und wendet sich ab. Er sieht den Hauptmann vertraut mit der Frau sprechen, drängt sich durch die Umstehenden und gelangt schliesslich hinters Podium. Dort liegen die vollkommen durchnässten, erschöpften Stellvertreter kreuz und quer auf dem Boden, jammern und ihre GliedMaßen befühlen. Sam sieht sich kopfschüttelnd um und registriert, dass der grosse Mann den Mandanten unter seine Fittiche genommen hat. Er stützt ihn und führt ihn zu einer kleiner Tür im Hintergrund. Der Mandant humpelt und blutet aus mehreren Wunden und befindet sich ganz allgemein in einem kläglichen Zustand. Schliesslich entdeckt Sam seinen Landsmann, er findet ihm halb unter dem Podium liegend und geht sogleich auf ihn zu. Steh auf, sagt er und will ihn in die Höhe ziehen, stütz dich auf mich, ich bringe dich zu deinem Platz. Ich helfe dir, wir Landsleute müssen doch zusammenhalten, sagt er, stösst aber auf taube Ohren. Es ist nicht wirklich zu reden mit seinem Landsmann, er sieht durch Sam hindurch, streicht mechanisch die tropfnassen Kleider an seinem Körper glatt und schüttelt den Kopf. Als Sam sich zu ihm neigt und ihn in die Höhe ziehen will, setzt er sich entschlossen zur Wehr und schlägt einmal sogar nach Sam. Aber Sam bleibt hartnäckig. Er spricht ermutigend auf seinen Landsmann ein, bleibt unnachgiebig und zieht ihn schliesslich in die Höhe. Dabei bemerkt er die Platzwwunde der Stirn seines Landsmanns, das muss behandelt werden, sagt er, stütz dich auf mich, ich bringe dich zum Notarzt. Aber in diesem Augenblick öffnet sich die kleine Tür im Hintergrund des Lokals. Sam sieht, dass der grosse Mann über die Schwelle tritt, seine Peitsche knallen lässt und hört, dass er alle Stellvertreter zu sich ruft. Sams Landsmann folgt diesem Ruf sogleich und schüttelt Sams helfende Hand ab. Er strebt wie alle anderen sogleich zur der kleinen Türe hin und will sich mit seinen Leidensgenossen hindurchdrängen. Natürlich kommt es in der Folge zu Stockungen und aggressiven Übergriffen, aber dem grossen Mann gelingt es in kürzester Zeit, Ordnung zu schaffen. Er lässt seine Peitsche knallen und schlägt blindlings auf die Stellvertreter ein, solange, bis sie eine einigerMaßen geordnete Reihe bilden und gesittet durch die Türe gehen. Sobald der letzte die Schwelle überschritten hat, fällt sie ins Schloss und Sam befindet sich mit einem Mal ganz alleine hinter dem Podium. Er steht eine ganze Weile mit hängendem Armen da und heftet seine Augen auf die geschlossene Tür. Er macht ein ein paar zögernde Schritte und ist drauf und dran, seinem Landsmann zu folgen. Aber andererseits hat er nicht die geringste Lust, erneut die Aufmerksamkeit des grosses Mannes auf sich lenken und erinnert sich an den schmerzhaften Peitschenhieb, den er einstecken hat müssen. Er betastet die empfindliche Stelle an seiner Stirn und beschliesst, seinen Landsmann fürs erste verlorenzugeben. In der Folge kehrt er in den Saal zurück, der sich jetzt geleert hat. Viele sind für einen Augenblick ins Freie gegangen, um frische Luft zu schöpfen, auch die Feuerwehrleute halten sich jetzt gruppenweise in der Nähe der Tür auf. Der Hauptmann hat sogar seinen Helm abgenommen und den obersten Knopf an seiner Uniform geöffnet. Noch immer wird er von Sams Landsmännin mit Beschlag belegt, zeigt aber schon leise Zeichen von Ungeduld. Sam kehrt den beiden den Rücken und steht eine Weile unschlüssig in der Mitte des Raumes. Einmal, als er ein paar Schritte Richtung Tür macht, stösst er sogleich mit dem Fuss an den Schlauch auf dem Boden. Er bückt sich und legt vorsichtig die Hand auf die pralle kühle Oberfläche und denkt, dass er das Wasser darunter pulsieren spürt. Einmal dreht er den Kopf und durch die weit offenstehende Tür fällt ihm der Spritzenwagen direkt ins Auge. Seine blankpolierten Metallteile funkeln im Licht der Strassenbeleuchtung und Sam schüttelt den Kopf und denkt sich, dass die Feuerwehrleute übermäßig viel Zeit auf das Polieren und Herausputzen der Spritzenwägen verwenden. Zumindest hat er das bei seinen Gängen, die ihn am Feuerwehrzeughaus vorbeigeführt haben, immer wieder beobachten können. Das Funkeln der Metallteile schmerzt Sam in den Augen und er dreht den Kopf weg. Sein Blick fällt auf Frauenbeine in braunen Strümpfen und er weiss sogleich, mit wem er es zu tun hat. Er richtet sich aus seiner kauernden Stellung auf und versucht, den Ausgang zu erreichen. Er hat nicht die geringste Lust, seiner Landsmännin Rede und Antwort zu stehen und drängt sich rücksichtslos durch die Umstehenden. Aber die Frau folgt ihm und schliesslich stellt sie sich vor ihn und schneidet Sam den Weg ab. Sie hält ein unförmiges Paket im Arm und Sam erkennt die Kleider, die er in der Hütte zurückgelassen hat, sogleich wieder. Hab dir was mitgebracht, sagt sie und streckt ihm das Paket entgegen. Danke, sagt Sam, tastet nach der Innentasche seiner Jacke und findet Paulas Bild mit einem Griff. Er versucht, an der Frau vorbeizugelangen und den Ausgang zu erreichen, aber sie fasst ihn am Ärmel und hält ihn unnachgiebig fest. Hiergeblieben, sagt sie, wir beide werden und jetzt ein wenig unterhalten. Sam versucht, seinen Arm zu befreien, lassen Sie mich, sagt er und strebt vergeblich zur Tür hin. Wie störrisch du bist, sagt die Frau, du machst es mir ganz und gar nicht leicht, weisst du das eigentlich? Habe ich dir etwa nicht deine Kleider mitgebracht?
„Und habe ich dir nicht schon einmal zur Flucht verholfen?“
Sie weist mit dem Kopf auf das ältere Ehepaar, das reglos auf seinen Stühlen sitzt und vor sich hin starrt. Sam gibt zu, dass alles seine Richtigkeit hat und er der Frau zu Dank verpflichtet ist und sieht sehnsuchtsvoll zum Ausgang hin. Ist doch alles Schnee von gestern, sagt er, als ihn die Frau partout nicht loslassen will, danach kräht heute kein Hahn mehr. Wieso hast du die Kleider eigentlich in meiner Hütte zurückgelassen, fragt sie, und dafür eines meiner Kleider genommen? Es war übrigens mein schönstes, sagt sie, ich möchte es wiederhaben, wo ist es? Mit Fragen wie dieser treibt sie Sam allmählich in die Defensive, ich gebs Ihnen zurück, sagt er lahm, nur ein wenig Geduld, dann kriegen Sies wieder. Währenddessen steckt er das Bild von Paula verstohlen in seine Hosentasche. Ich habe dir alles vollständig wiedergebracht, sagt die Frau, ja danke, sagt Sam, ich weiss das wirklich zu schätzen. Dann versucht er erneut, an der Frau vorbeizugelangen, aber es gelingt ihm nicht. Du musst dableiben, sagt sie, du kannst jetzt nicht einfach weglaufen, ich habe dich als meinen Stellvertreter vorgesehen. Alles ist bereits mit Bill abgesprochen, sobald ich an die Reihe komme, hole ich dich aufs Podium, so ists geplant. Sam schüttelt entschlossen den Kopf und setzt der Frau jetzt offenen Widerstand entgegen. Ausgeschlossen, sagt er und sieht sich nach einem Platz für das Kleiderbündel um, ich habe gänzlich andere Pläne, suchen Sie sich jemand anderes. Ich möchte nicht ihr Stellvertreter sein, sagt er und legt das Kleiderbündel auf einen der Stühle, ich muss zusehen, dass ich in den Grenzort gelange, dort wartet Paula auf mich. Sam beobachtet, wie sich die Miene seiner Landsmännin verdüstert, macht einen Schritt zur Seite und versucht, den Ausgang zu erreichen. Aber die Frau streckt ihre Hand aus, krallt ihre Finger in Sams Arm und hält ihn eisern fest. Deine Pläne interessieren hier keinen, sagt sie so laut, dass alle Umstehenden aufmerksam werden und ihre Köpfe drehen, und deine Paula lockt hier keinen einzigen Hund hinterm Ofen hervor. Ausserdem, sagt sie und nähert ihr wütendes Gesicht Sam, sodass er ein wenig zurückweicht, ich bin Paula, wann geht das endlich in deinen Kopf? Sam zuckt die Achseln und reisst sich los. Er hat das Gehabe der Frau jetzt endgültig satt und drängt sich rücksichtslos durch die Umstehenden. Aber die Frau gibt sich nicht geschlagen, sie läuft ihm nach, kriegt ihn wieder zu fassen und ruft zwei Feuerwehrleute zu Hilfe. Sam fühlt sich links und rechts an den Armen gepackt, will sich anfangs zur Wehr setzen, sagt sich dann aber, dass noch nicht aller Tage Abend ist. Er hält ganz still und sogleich macht sich die Frau Sams Wehrlosigkeit zunutze. Na also, warum nicht gleich, sagt sie, nestelt an seinen Kleidern und versucht, seine Haare in Ordnung zu bringen. Dabei gerät sie auch an die so besonders empfindliche Stelle an seiner Stirn, obwohl Sam versucht, seinen Kopf ausser Reichweite zu bringen. Ich muss doch darauf achten, dass sich mein Stellvertreter in einem ordentlichen Zustand präsentiert, sagt die Frau und lässt nicht ab von Sam. Während sie sich weiter an seinen Kleidern zu schaffen macht, gelingt es Sam, den Blick des Feuerwehrhauptmanns auf sich zu lenken. Kannst jetzt doch nicht einfach weglaufen, sagt die Frau, ist eine ehrenvolle Sache, als Stellvertreter ausgewählt zu werden. Es ist gewisserMaßen eine Auszeichnung, sagt sie, und nur der Feuerwehrhauptmann kann mir jetzt noch ins Handwerk pfuschen.
„Wenn er dich für seine Truppe auswählt, müsste ich zurückstehen.“
Aber warum sollte er das tun, sagt sie und bemerkt nicht, dass Sam dem Hauptmann einen hilfesuchenden Blick zuwirft. Der nähert sich auch sogleich mit dienstlicher Miene und verlangt Aufklärung von den Männern, die Sam festhalten. Die Männer erstatten in der hiesigen Sprache Bericht und Sam registriert, dass sich die Miene des Hauptmanns verdüstert. Er gibt seine Sache verloren, senkt resigniert den Kopf und kann ein Seufzen nicht unterdrücken. Als aber die Frau das Wort ergreift, und sich mit schriller Stimme offenbar über Sam beklagt, wendet sich das Blatt erneut. Der Hauptmann schneidet ihr mit einer knappen Handbewegung des Wort ab und sie verstummt sogleich und zieht sich ein wenig zurück. Sam schöpft wieder ein wenig Hoffnung, sucht den Blick des Hauptmanns und verzieht seine Lippen zu einem gewinnenden Lächeln. In der Folge befiehlt der Hauptmann seinen Männern, Sam loszulassen und richtet mehrere Fragen an Sam. Sam zuckt bedauernd die Achseln und sagt in seiner Sprache, dass er leider nichts versteht. Sogleich winkt der Hauptmann Sams Landsmännin mit einer herrischen Geste zu sich. Er befiehlt ihr, seine Fragen und Sams Antworten zu übersetzen, was ihr sichtlich widerstrebt. Sam hat sogleich den Verdacht, dass sie ein falsches Spiel spielen und ihren Vorteil nützen wird und sehnt seinen Landsmann herbei. Sie wird mir das Wort im Mund umdrehen, alles falsch übersetzen und mich so beim Hauptmann in Ungnade bringen, denkt er sich. Er sieht sich vergeblich nach seinem Landsmann um, kann ihn aber nirgendwo entdecken. Hält sich wohl noch immer hinter dem Podium auf, denkt sich Sam, begegnet dem neugierigen Blick des Hauptmann und lächelt gewinnend. Der Herr Hauptmann will wissen, warum du von oben nach unten gekommen bist, fragt die Frau und Sam repetiert sogleich alles auf das ausführlichste. Dann hört er misstrauisch, wie die Frau alles in ein paar knappen Sätzen zusammenfasst und schüttelt erbost den Kopf. Sie übersetzt falsch und schadet mir so beim Hauptmann, denkt er sich und wirft der Frau einen wütenden Blick zu. Der Herr Hauptmann will wissen, wie du überhaupt hierhergekommen bist, fragt sie und Sam bringt die Ereignisse der vergangenen Wochen in aller Ausführlichkeit aufs Tapet. Er holt weit aus und hält mit nichts hinter dem Berg. Das allergrösste Glück war, dass ich meinen Quartiergeber kennegelernt habe, sagt er, dreht sich um und zeigt auf Bill. Bill hat seinen Platz auf der Podium wieder eingenommen, blättert in seinen Unterlagen und wirft manchmal einen prüfenden Blick in den Saal. Ich bin Bill wirklich sehr zu Dank verpflichtet, sagt Sam, er hat mir entscheidend unter die Arme gegriffen, das ist eine Tatsache. Misstrauisch hört er den knappen Sätzen der Frau zu, übersetzt sicher alles falsch, denkt er sich erneut, und enthält dem Hauptmann die wichtigsten Dinge vor. Zu guter Letzt, um die Frau auf die Probe zu stellen, bringt er Paula ins Spiel. Mehrmals nennt er ihren Namen und achtet genau auf die Worte der Frau. Übersetzt sie korrekt, muss jetzt mehrmals der Name Paula fallen, denkt er sich und redet lange von seinem Entschluss, Paula hierherkommen zu lassen. Und jetzt muss ich zusehen, dass ich den Grenzort gelange, weil Paula dort bereits auf mich wartet, sagt er. Aber als die Frau übersetzt, taucht der Name Paula kein einziges Mal auf und Sam findet seinen Verdacht aufs schlimmste bestätigt. Übersetzt tatsächlich alles falsch, denkt er sich, sieht sich um und hält erneut nach seinem Landsmann Ausschau. Sooft seine Blicke sich mit denen des Hauptmanns kreuzen, lächelt er gewinnend. Aber das falsche Spiel der Frau hat Sam augenscheinlich geschadet, ihre Rechnung ist aufgegangen, denn jetzt hat sich die Miene des Hauptmann verdüstert Er betrachtet Sam mit kritischen Blicken und Sam denkt, dass es der Frau doch tatsächlich gelingen ist einen Keil zwischen ihn und den Hauptmann zu treiben. Er sagt ihr auf den Kopf zu, dass sie falsch übersetzt hat, aber sie schüttelt natürlich den Kopf und leugnet rundweg. Fragen Sie den Herrn Hauptmann, ob ich jemand anders herbeiholen kann, der mich besser übersetzt, sagt Sam und achtet genau auf ihre Worte. Als der Hauptmann die Achseln zuckt, nimmt Sam das als Erlaubnis und macht sich auf die Suche nach seinem Landsmann. Aber er kann ihn nirgendwo entdecken, gelangt auf seiner Suche wieder hinter das Podium und geht geradewegs auf die kleine Tür zu. Er öffnet sie einen Spalt, streckt den Kopf hindurch und hat wieder einmal Glück. Sein Landsmann fällt ihm als erstes ins Auge, der Notarzt macht sich gerade an ihm zu schaffen und legt ihm gerade einen fachmännischen Kopfverband an. Sam erinnert sich an seinen eigene Kopfwunde und betastet die empfindliche Stelle an seiner Stirn. Ist schon so gut wie verheilt, denkt er sich und beobachtet, wie sein Landsmann schwankend auf die Beine kommt, sich ratlos umsieht und nicht weiss, wohin er sich wenden soll. Sam stellt eine starke Ähnlichkeit zwischen sich und seinem Landsmann fest, mann könnte uns glatt für Zwillinge halten, denkt er sich, gut, dass er einen Verband trägt und ich nicht mehr. Der Notarzt schlägt seinen Landsmann ermutigend auf die Schulter, zeigt auf die kleine Tür, in der Sam steht und wendet sich dem nächsten Verletzten zu. Sein Landsmann versucht ein paar Schritte, muss sich dann aber haltsuchend an die Wand lehnen und Sam springt ihm sogleich helfend bei. Stütz dich ruhig auf mich, sagt er und fasst seinen Landsmann am Arm, komm mit mir nach draussen. Ich brauche deine Hilfe, sagt er, du musst für mich übersetzen, wir Landsleute müssen doch zusammenhalten. Aber davon will sein Landsmann nichts hören, er schüttelt abwehrend den Kopf und fordert Sam auf, ihn in Ruhe zu lassen. Sollst es nicht bereuen, sagt Sam, ich revanchiere mich, wirst sehen. Er verspricht seinem Landsmann das Blaue vom Himmel und zieht ihn mit sich zurück in den Saal. Dort registriert Sam sogleich, dass mittlerweile alle ihre Plätze wieder eingenommen haben. Der Hauptmann steht jetzt bei seinen Männern und Sam versucht erneut, seinen Blick auf sich zu lenken. Auch die Frau sitzt jetzt wieder auf ihrem Platz, sie trägt die allerdüsterste Miene zur Schau und hält ihre Arme vor der Brust verschränkt. Als es Sam endlich gelingt, den Blick des Hauptmanns auf sich zu ziehen, lächelt er gewinnend und der Hauptmann winkt ihn sogleich zu sich. Sag dem Hauptmann, dass du meine Sprache sprichst und gerne für mich übersetzen möchtest, bittet Sam seinen Landsmann. Er hört genau zu, als dieser das Wort an den Hauptmann richtet und hat den Eindruck, dass alles seine Richtigkeit hat. Dann erzählt er seine Geschichte erneut und der Hauptmann hört mit der grössten Aufmerksamkeit zu. Sam erzählt von seiner langen Reise hierher, beschreibt seine Ankunft und das Zusammentreffen mit seinem Quartiergeber und hält ganz allgemein mit nichts hinter dem Berg. Sein Landsmann übersetzt alles aufs genaueste und als der Hauptmann Näheres über das Sams Zusammentreffen mit seinem Quartiergeber wissen möchte, lässt Sam sich nicht zweimal bitten. Er beschreibt, wie er Bill am Bahnsteig getroffen hat, repetiert ihre Unterredung und berichtet auch noch das kleinste Detail. Dabei wendet er seinen Blick aufs Podium, wo Bill bereits wieder an seinem Platz sitzt, in seinen Unterlagen blättert und sich hin und wieder mit dem grossen Mann mit der Peitsche berät. Dann, zu guter Letzt, bringt Sam die Sprache nochmals auf Paula, ich sollte schon längst im Grenzort sein, Paula wird demnächst dort eintreffen und erwartet, dass ich sie abhole, sagt er und bittet seinen Landsmann um allergrösste Sorgfalt bei der Übersetzung. Der Herr Hauptmann will wissen, ob diese Paula deine Frau ist, fragt sein Landsmann und Sam zuckt die Achseln und macht eine wegwerfende Handbewegung. So was Ähnliches, ja, sagt er, worauf der Hauptmann in schallendes Gelächter ausbricht und Sam einen anerkennenden Schlag auf die Schulter versetzt. Dann wendet er sich an Sams Landsmann und spricht knapp und im Befehlston zu ihm. Sam ist aufs Äusserste beunruhigt, zupft seinen Landsmann am Ärmel und fragt, worum es geht. Der Hauptmann will dich in seiner Truppe haben, sagt Sams Landsmann, denk dir nur, ich glaube, dass ist noch nie vorgekommen. Er hält mit seinem Erstaunen über diese neue Wendung der Dinge nicht hinter dem Berg und nickt Sam anerkennend zu. Du bekommst eine neue Uniform und einen Helm, und hast deinen Dienst sogleich, hier auf der Stelle, anzutreten, sagt er, damit bist du aus dem Schneider und kannst nicht mehr als Stellvertreter auf die Bühne geholt werden. Sobald du die Uniform trägst, gehörst du zu den Feuerwehrleuten und bist fürs erste unantastbar. Dann nennt er Sam einen Glückspilz und kann sich über Sams Aufstieg gar nicht beruhigen. Auch Sams Überraschung ist die allergrösste, ich bei den Feuerwehrleuten, sagt er mehrfach, wirft einen scheuen Blick auf den Hauptmann und erwidert sein aufmunterndes Lächeln. Dann aber drängt sich Paula wieder in seine Gedanken, es geht leider nicht, sagt er, ich muss Paula abholen, die im Grenzort auf mich wartet. Es ist leider unmöglich sagt er, aber da hat der Hauptmann schon einen Feuerwehrmann zu sich gewunken und ihm in Bezug auf Sam mehrere Anweisungen erteilt. Der Feuerwehrmann winkt Sam mit sich, du sollst mit ihm gehen, sagt auch sein Landsmann, sie wollen dir die neue Uniform und den Helm sogleich ausfolgen. Aber Sam zögert, Paula wartet im Grenzort, sagt er erneut, ich muss sie in Empfang nehmen und kann nicht einfach wegbleiben. Er blickt ratlos um sich und ringt die Hände. Sams Landsmann zuckt die Achseln und wendet sich ab und im selben Moment fällt Sam ein, wie das Problem zu lösen ist. Er bittet seinen Landsmann, für ihn einzuspringen, es ist das Naheliegendste und Sam wundert sich, dass er erst jetzt auf diesen Gedanken kommt. Fahr für mich in den Grenzort und nimm Paula in Empfang, bittet er seinen Landsmann, ich revanchiere mich, wirst sehen. Sieh her, das ist sie, sagt er und zieht das abgegriffene Bild von Paula aus seiner Jackentasche. Du erkennst sie sicher sogleich, sie wird beinahe zwangsläufig begegnen, weil der Grenzort nicht gross ist. Anfangs sträubt sich Sams Landsmann und weist dieses Ansinnen weit von sich. Hab keine Lust, in den Grenzort zu fahren, sagt er, streift Sams Hand von seinem Jackenärmel und betastet seinen Kopfverband. Ich bin ein klein wenig angeschlagen und muss mich schonen, sagt er und wendet sich zum Gehen. Aber Sam lässt nicht locker, er fasst erneut nach seinem Arm und hält ihm Paulas Bild unter die Nase. Wir Landsleute sollten doch zusammenhalten, sagt er und zwingt seinen Landsmann, Paulas Bild genau zu betrachten. Aber sie kennt mich doch nicht und könnte glauben, dass ich mit faulen Tricks arbeite, sagt er und sogleich räumt Sam ein, dass dieser Einwand seine Richtigkeit hat. Er zieht einen Bleistiftstummel aus seiner Tasche und schreibt ein paar Zeilen auf die Rückseite des Bildes. Liebe Paula, ich bin leider verhindert, schreibt er. Mein Landsmann hat mein ganzes Vertrauen und wird dich zu mir bringen, schreibt er, bis bald, Sam. Dann gibt er das Bild an seinen Landsmann zurück und fordert ihn auf, sich unverzüglich auf den Weg zu machen. Die Fahrt in den Grenzort ist lang und wir wollen Paula doch nicht allzu lang warten lassen, sagt er und schliesslich lässt sich sein Landsmann breitschlagen. Na schön, ich machs, sagt er schliesslich, schiebt das Bild in seine Brusttasche und trifft mehrere zeitraubende Vorbereitungen. Sams Ungeduld ist mit Händen zu greifen, er steigt nervös von einem Fuss auf den anderen und fordert seinen Landsmann mehrfach auf, sich zu beeilen. Aber sein Landsmann lässt sich nicht hetzen, knöpft seine Jacke sorgfältig bis obenhin zu und zieht sich die Ärmel so gut wie möglich über die Hände. Ich bin nämlich sehr kälteempfindlich, sagt er erklärend und bückt sich, um seine Schuhe fester zu schnüren. Endlich wendet er sich zum Gehen, aber schon nach wenigen Schritten bleibt er wieder stehen, kehrt sich zu Sam um und bringt die Geldfrage aufs Tapet. Sam bleibt nichts anderes übrig, als Farbe zu bekennen, er hebt bedauernd die Hände und bittet seinen Landsmann, das Geld fürs erste vorzustrecken. Ich selbst bin im Augenblick leider nicht flüssig, sagt er und kehrt zum Beweis seine leeren Taschen von innen nach aussen. Aber Paula bringt ja Geld mit, sagt er, ich habs ihr eigens aufgetragen. Sie wird dir alle deine Auslagen ersetzen, sei diesbezüglich ganz unbesorgt. Sein Landsmann zieht das Bild von Paula erneut aus seiner Brusttasche und betrachtet es eingehend. Armes Mädchen, sagt er, hat mit dir wohl nicht gerade das grosse Los gezogen. Sam wirft seinem Landsmann einen verständnislosen Blick zu und bittet ihn dann erneut, sich unverzüglich auf den Weg zu machen. Die Zeit drängt, sagt er, Paula muss mittlerweile schon angekommen sein. Daraufhin setzt sich sein Landsmann erneut in Bewegung und Sam atmet erleichtert auf. Aber nach wenigen Schritten bleibt sein Landsmann nochmals stehen, dreht sich erneut zu Sam um und sieht ihn fragend an. Wirst du überhaupt noch hier sein, wenn wir zurückkommen,sagt er, wo finden wir dich, wie lange wirst du bei den Feuerwehrleuten bleiben? Keine Ahnung, sagt Sam wahrheitsgemäss, ich weiss es nicht und werde entweder hier sein oder woanders. Kann auch sein, dass ich bald wieder nach oben fahre, sagt er und macht eine vage Handbewegung in Richtung der Gondelbahn. Dann bittet er seinen Landsmann erneut, sich zu beeilen. Mach schnell, sagt er, sieh zu, dass du den Zug erreicht. Wenn du den Nachtzug versäumst, wartest du unter Umständen bis zum nächsten Morgen und kommst weitaus zu spät. Daraufhin setzt Sams Landsmann sich nun endgültig in in Bewegung und als er die Tür erreicht, sieht er sich ein letztes Mal nach Sam um. Sam nickt ihm aufmunternd zu und beglückwünscht sich zu seinem Einfall. Immer fügt sich alles aufs Schönste, denkt er sich und gesellt sich zu seinen neuen Kollegen. Einer von ihnen fordert Sam in der hiesigen Sprache sogleich zum Mitkommen auf, Sam folgt ihm und sein neuer Kollege führt ihn aus dem Lokal hinaus auf die Strasse bis vor den Spritzenwagen. Sam hält Ausschau nach seinem Landsmann und dreht den Kopf nach allen Seiten. Er entdeckt ihn erst im letzten Augenblick, kurz bevor er in eine der dunklen Seitengasse einbiegt. Sam sieht ihn eilends und mit gesenktem Kopf dahingehen, er hält sich eng an den Häuserwänden und verschmilzt förmlich mit ihnen. Nur sein weisser Kopfverband ist weithin zu sehen. Der Feuerwehrmann hat die Tür zur Fahrerkabine des Spritzenwagens bereits einladend weit geöffnet und fordert Sam auf, einzusteigen. Das lässt er sich nicht zweimal sagen, klettert sogleich hinein und betrachtet das blankpolierte Armaturenbrett mit Wohlgefallen. Der Feuerwehrmann erklärt ihm dieses und jenes in der hiesigen Sprache und folgt ihm zu guter Letzt eine nagelneue Uniform und einen blankpolierten Helm aus. Sam legt beides sogleich an, hat aber Schwierigkeiten mit den vielen Knöpfen und Schnallen und ist dankbar, dass ihm der Feuerwehrmann ein wenig zur Hand geht. Zu guter Letzt stülpt Sam sich den Helm auf den Kopf. Leider drückt der Rand des Helms auf die so besonders empfindliche Stelle an seiner Stirn und Sam setzt ihn sogleich wieder ab und hebt ratlos die Achseln. Ich kann ihn leider nicht tragen, sagt er in seiner Sprache, der Helm schmerzt mich, da ist nichts zu machen. Aber auch hier weiss der Feuerwehrmann Rat und nimmt aus einem Fach hinter dem Fahrersitz den Kasten mit den Verbänden heraus. Er kramt lange darin, zieht schliesslich den allerweichsten Verband heraus und polstert damit den Helm innen aus. Als Sam ihn erneut aufsetzt, spürt er die empfindliche Stelle an seiner Stirn so gut wie gar nicht mehr. Er wirft einen Blick in den Rückspiegel, bemerkt, wie schön sich das Licht der untergehenden Sonne in dem Helm spiegelt und kann sich lange nicht sattsehen. Als er wieder aus dem Lastwagen steigt, zieht er in seiner neuen Uniform alle Blicke auf sich und sogar der Hauptmann nickt ihm aus der Ferne anerkennend zu. Seine Kollegen umringen ihn, klopfen ihm auf die Schulter und nennen ihre Namen. Gemeinsam mit ihnen betritt Sam wieder den Saal, wo ihm seine Landsmännin sogleich ins Auge fällt. Sie steht ganz nahe bei Bill, gestikuliert wild und stampft einmal sogar mit dem Fuss auf. Immer wieder zeigt sie anklangend auf Sam und den Feuerwehrhauptmann und ist, ganz allgemein, in höchster Erregung. Aber Bill zuckt bloss die Achseln, kehrt der Frau schliesslich den Rücken und vertieft sich erneut in seine Unterlagen. Sam kann ein hämisches Lächeln nicht unterdrücken. In der Folge bemühen sich seine Kollegen, ihm seine Aufgabe in der hiesigen Sprache zu erklären und Sam nickt mehrmals verständig. Er zeigt ihnen ein aufmerksames Gesicht, obwohl er selbstredend nichts versteht. Aber das bemerkt keiner seiner Kollegen und as sie sich sich bücken und den Schlauch anheben, tut Sam es ihnen nach. Sogleich bemerkt er, dass der Schlauch überraschend schwer zu halten ist, umklammert ihn mit beiden Händen und spürt das Wasser unter der dicken Hülle pulsieren. Er richtet seinen Blick wieder nach vorne, aufs Podium, wo die Dinge mittlerweile in Gang gekommen sind. Der grosse Mann steht ganz vorne an der Rampe, erläutert den Ablauf der Veranstaltung in mehreren Sprachen, wendet sich an die Mandanten und macht eine auffordernde Handbewegung. Sam beobachtet, dass das ihm bekannte ältere Ehepaar zugleich aufsteht, die Frau dann aber ihrem Mann den Vortritt lässt. Sogleich muss er an das unangenehme Intermezzo auf der Hochfläche denken und betrachtet die beiden mit äusserster Abneigung. Er bemerkt, dass eine Landsmännin keinen Blick von ihm wendet und wendet unangenehm berührt den Kopf ab. Eine Weile hält er die Augen gesenkt und betrachtet den dicken Schlauch in seinen Händen. Er hört Bills Fragen und die stockenden Antworten des Mannes und kann ein Seufzen nicht unterdrücken. Mehrmals entstehen quälend lange Pausen und Sam lässt seine Blicke erneut schweifen. In einer der vorderen Reihen entdeckt er die Rezeptionisten aus seinem Wohnhaus, er sieht sie einträchtig nebeneinander sitzen und die Vorgänge auf dem Podium mit allergrösstem Interesse verfolgen. Als einer von ihnen als Stellvertreter auf das Podium gerufen wird, ist ihr Erschrecken gross und sie rücken enger zusammen und ziehen die Köpfe ein. Sam betrachtet sie voller Abneigung, denkt sich, dass heute doch tatsächlich alle von oben nach unten gekommen sind und stellt sich die menschenleere Ansiedlung vor. Einmal dreht den Kopf, sieht durchs nächstgelegene Fenster, streckt sich und stellt sich auf die Zehenspitzen. Aber die Station der Gondelbahn ist von seinem Platz aus nicht zu sehen. Sobald hier unten alles zu einem guten Ende gekommen ist, denkt er sich und beobachtet, wie ein Stellvertreter nach dem anderen auf das Podium gerufen wird. Alle geben die unglücklichste Figur ab und Sam ist froh über seinen sicheren Platz unter den Feuerwehrleuten. Er umfasst den dicken Schlauch fester, drückt ihn an sich und spürt das Wasser darin pulsieren. Die Vorgänge auf dem Podium nehmen den altbekannten Verlauf, vereinzelt kommt es bereits wieder zu Tätlichkeiten und der grosse Mann hat alle Mühe, für Ordnung zu sorgen. Sam muss an seinen Landsmann und an Paula denken, er sagt sich, dass bis jetzt alles glänzend verlaufen ist und er im Grossen und Ganzen keine groben Fehler gemacht hat. Er hofft, dass sein Landsmann seiner schwierigen Aufgabe gewachsen ist, Paula in der Grenzstadt ausfindig macht und ohne weitere Verzögerungen hierher bringt. Vielleicht ist es aber auch Paula, die Schwierigkeiten macht, denkt er sich, er erinnert sich nur zu gut an ihre Launen und ihre Unberechenbarkeit. Ohne weiteres möglich, dass sie meinem Landsmann misstraut und sein Ansinnen, mit ihm zu kommen, weit von sich weist. Es wird nur klappen, wenn sie das Bild und meine Nachricht darauf für bare Münze nimmt, denkt sich Sam und registriert, dass die Dinge auf dem Podium unterdessen die unerfreulichste Wendung genommen haben. Der Mandant steht tränenüberströmt am äussersten Rand und einer seiner Stellvertreter windet sich in Krämpfen am Boden. Sam empfindet erneut grosse Dankbarkeit dem Feuerwehrhauptmann gegenüber und umfasst seinen Schlauch fester. Einmal begegnet er ungewollt den Augen seiner Landsmännin und wendet sogleich den Kopf ab. In der Folge vermeidet er jeden Blick in ihre Richtung, beobachtet ausschliesslich die Vorgänge auf dem Podium und sieht, dass der Mann mit der Peitsche ernsthafte Schwierigkeiten hat, sich Respekt zu verschaffen. Der Mandant und seine Stellvertreter sind bereits gänzlich ausser Rand und Band geraten und der grosse Mann lässt seine Peitsche wieder und wieder über ihren Köpfen knallen, aber es gelingt ihm nicht, für Ordnung zu sorgen. Schliesslich übernimmt erneut Bill das Kommando. Er nickt dem Feuerwehrhauptmann auffordernd zu und dieser hebt sogleich den Spritzenkopf an. Sam beobachtet, dass seine Kollegen Haltung annehmen und als der Hauptmann das Ventil am Spritzenkopf öffnet, spürt Sam, wie der Schlauch unter seinen Händen vibriert. Er hat alle Mühe, ihn festzuhalten und sieht, dass der Hauptmann den Spritzenkopf geradewegs auf das Podium gerichtet hält und einen mächtigen Wasserstrahl hervorschiessen lässt. Davon werden der Mandant und seine Stellvertreter sogleich zu Fall gebracht und in einem Wirbel von Armen und Beinen von der Bühne gefegt. Sam hört sie hinter dem Podium auf dem harten Bretterboden aufschlagen und registriert die kurze erschreckte Stille gleich nach dem Aufprallen der Körper. Dann folgt ein vielstimmiges Jammern und Stöhnen und Sam sieht den Notarzt mit seiner Tasche eilends hinter das Podium laufen. Er beobachtet Bill, den Mann mit der Peitsche und die übrigen Mandaten, die sich alle an den äussersten Rand des Podiums geflüchtet haben. Er sieht, wie schön sich das Licht der Deckenlampen in den grossen Wasserpfützen spiegelt und schüttelt de Kopf über seine Landsmännin die am äussersten Rand des Podiums balanciert. Als der grosse Mann eine kurze Pause verkündet, atmet er erleichtert auf, legt den Schlauch, gleichzeitig mit seinen Kollegen, behutsam auf den Boden und dehnt und streckt sich ein wenig. Alles in allem ist er von seiner Aufgabe enttäuscht und denkt ernsthaft daran, sich heimlich aus dem Staub zu machen. Als seine Kollegen sich mit freundlichen Gesichtern nähern, kehrt er ihnen den Rücken zu und überlegt, wie er sich am besten unbehelligt davonmachen kann. Mit einem Mal trägt er die Uniform gar nicht mehr gerne. Er bewegt unbehaglich die Schultern darin und lockert den Gürtel ein wenig. Als ihm das Kleiderbündel einfällt, das ihm seine Landsmännin mitgebracht hat, sieht er sich sogleich suchend um. Er entdeckt es unangetastet in der Fensternische und als sich seine Kollegen erneut freundlich nähern und ihn in der hiesigen Sprache anreden, zeigt er ihnen ein finsteres Gesicht. Aber noch während er versucht, zur Fensternische zu gelangen, verkündet der grosse Mann das Ende der Pause und ersucht alle, ihre Plätze einzunehmen. Sam muss seine Fluchtpläne also bis auf weiteres verschieben, ohnehin ist er mit seinen Plänen noch nicht wirklich zu Rande gekommen. Er stellt sich wieder zwischen seine Kollegen, denkt sich, dass noch nicht aller Tage Abend ist und beobachtet, wie ein neuer Mandant aufgerufen wird. Dann richtet er seine Gedanken erneut auf Paula und seinen Landsmann. Paula könnte mittlerweile bereits im Grenzort eingetroffen sein und mit einem Mal kommen Sam starke Zweifel den Fähigkeiten seines Landsmanns. Kann durchaus sein, dass er Paulas nicht Herr wird, denkt er, wenn sie schlechte Laune hat, steht er auf verlorenem Posten. Er überlegt, wann die beiden frühestens hier eintreffen könnten und dass es sich gut machen würde, wenn er sie am Bahnhof erwartet. Seine Freude auf ein Wiedersehen mit Paula hält sich zwar in Grenzen, denn er sieht zahlreiche Schwierigkeiten voraus und sagt sich, dass es vorschnell war, sie hieher kommen zu lassen. Er kann ein Seufzen nicht unterdrücken und richtet seine Aufmerksamkeit kurzzeitig wieder auf die Bühne. Dort nehmen die Dinge ihren immer gleichen Gang und Sam langweilt sich bald über die Maßen. Für kurze Zeit spielt er mit dem Gedanken, hier alles stehen und liegen zu lassen und das Weite zu suchen. Dann könnte ich meinen Landsmann vielleicht sogar noch einzuholen, denkt er sich und mit ihm gemeinsam in den Grenzort fahren, als Empfangskommittee für Paula, sozusagen. Das müsste ihr eigentlich schmeicheln und sie milde stimmen. Er misst mit den Augen schon die Entfernung zum Ausgang und ist drauf und dran, den Schlauch einfach fallen zu lassen. Aber dann fällt ihm ein, dass er so gut wie kein Geld hat und ihm sein Landsmann diesbezüglich unter die Arme greifen müsste. Womöglich lehnt er solch ein Ansinnen kurzerhand ab, denkt sich Sam und lässt resigniert den Kopf sinken. Er tritt von einem Bein aufs andere, um eine möglichst bequeme Haltung zu finden und fühlt sich in seiner neuen Uniform äusserst unbehaglich. Er spürt, dass der Helmrand auf das unangenehmste gegen die so besonders empfindliche Stelle auf seiner Stirn drückt und dreht den Kopf nach dem Kleiderbündel in der Fensternische. Es liegt unangetastet da und Sam betrachtet es sehnsüchtig. Auf dem Podium nimmt unterdessen alles, wie gehabt, seinen Lauf und der Mandant jetzt einen Rezeptionisten nach dem anderen zu sich. Sam beobachtet mit Schadenfreude, dass sie die Rezeptionisten ihre Plätze nur äusserst widerstrebend verlassen und ruft sich die zahlreichen unangenehmen Begegnungen mit ihnen ins Gedächtnis. Jedes Betreten des Hauses ein Spiessrutenlauf, denkt er sich und beobachtet mit Genugtuung, wie linkisch sich die Rezeptionisten auf dem Podium benehmen. Er umfasst seinen Schlauch fester und freut sich schon auf den Moment, in dem der Feuerwehrhauptmann sein Ventil öffnen und der allerdickste Wasserstrahl hervorschiessen wird. Er verfolgt die Vorgänge auf dem Podium für eine Weile mit grösseren Interesse, sieht, das alles wie gewohnt abläuft und es schon bald zu den ersten Tätlichkeiten kommt. Als es dem grossen Mann nicht mehr gelingt, mit seiner Peitsche für Ordnung zu sorgen überlässt er Bill das Feld, wie schon gehabt. Sam sieht, dass Bill dem Feuerwehrhauptmann zunickt und packt seinen Schlauch fester. Der Feuerwehrhauptmann hebt den Spritzenkopf an, öffnet das Ventil und bringt mit einem mächtigen Wasserstrahl die Rezeptionisten zu Fall. Sam beobachtet, wie sie sich vergeblich zu halten versuchen, aber nicht die geringste Chance haben und in einem grotesken Arm-und Beinwirbel vom Podium gefegt werden. Sam schärft seine Ohren und hört sie mit einem dumpfen Geräusch hinter der Bühne aufschlagen. Er sieht, dass der grosse Mann, Bill und die Mandaten sich zeitgerecht an den Rand gerettet haben und das Licht der Deckenlampen sich in den grossen Wasserpfützen spiegelt. Der Notarzt läuft eilends mit seiner Tasche nach hinten und dann tritt der grossen Mann nach vorne und verkündet eine kurze Pause. Sam beschliesst, jetzt endlich Nägel mit Köpfen zu machen und legt den Schlauch unachtsam auf den Boden zurück. Dann geht er geradewegs auf die Fensternische zu und drängt sich dabei rücksichtslos durch die Umstehenden. Als sich seine Kollegen mit freundlichen Gesichtern nähern, kehrt er ihnen den Rücken, nimmt das Kleiderbündel an sich und erreicht in kürzester Zeit den Ausgang. Auf der Türschwelle bleibt er stehen, wirft einen Blick zurück und begegnet den Augen seiner Landsmännin. Er kann ein Seufzen nicht unterdrücken und weiss, dass sie selbstredend seine Pläne durchschaut. Jetzt bereut er, dass er sie nicht erneut auf seine Seite gezogen hat, sie ist nicht gut zu sprechen auf ihn und Sam weiss, dass sie ihm ganz leicht empfindlich schaden kann. Versuchsweise verzieht er den Mund zu einem Lächeln. Aber das verfängt jetzt nicht bei seiner Landsmännin, sie hält ihre Blicke weiterhin starr auf ihn gerichtet und zeigt ihm die allerfinsterste Miene. Schliesslich zuckt Sam resigniert die Achseln und wendet sich zum Gehen. Aus dem Augenwinkeln beobachtet er noch, wie sie ihren Platz verlässt und sich zu Bill gesellt. Er sagt sich, dass er sich besser beeilen sollte, tritt ins Freie und sieht zu, dass er hinter den Spritzenwagen gelangt. Dort entledigt er sich seiner Uniform, entrollt das Kleiderbündel und zieht seine eigenen Kleider wieder an. Es entgeht ihm nicht, dass sie klamm sind und ein wenig nach Erde riechen und ihn fröstelt sogleich. Zu guter Letzt nimmt er den Helm ab, registriert, wie schön sich die Strassenlampen in der blankpolierten, metallenen Oberfläche spiegeln und weiss einen Augenblick nicht, wie er ihn unauffällig transportieren soll. Schliesslich wickelt er ihn in die Uniform, klemmt sich das Bündel unter den Arm und verlässt seinen geschützten Platz hinter dem Spritzenwagen. Bevor er sich endgültig zum Gehen wendet, wirft er einen letzten Blick durch die weit offenstehende Tür auf das Podium und sieht seine Landsmännin bei Bill stehen. Sie gestikuliert erregt und stampft sogar mehrmals mit dem Fuss auf. Sie duldet nicht, dass ich ungeschoren davonkomme, denkt er sich, kehrt sich um und überquert eilends den hellerleuchteten. Er erreicht aufatmend eine Seitengasse und geht schnell und mit gesenktem Kopf an den Häuserwänden entlang. Einmal bleibt er stehen, um sich zu orientieren und kann in der Ferne die Station der Gondelbahn ganz deutlich ausmachen. Das Schild blinkt über dem Eingang und Sam registriert, dass das ‚T‘ in ‚Téléphérique` beinahe gänzlich verblasst ist. Er schüttelt den Kopf über die schlechte Wartung, versucht sich daran zu erinnern, in welcher Richtung der Bahnhof liegt und geht mehrfach in die Irre. Tatsächlich verläuft er sich heillos in den engen Gassen und kommt, ohne es zu wollen, der Gondelbahn immer näher. Einmal gerät er ganz nahe an den Eingang und wirft einen verlangenden Blick in Abfahrtshalle. Er sieht die Gondel schon zur Abfahrt bereitstehen und ist einen Augenblick drauf und drein, einzusteigen. Kurzerhand wieder nach oben fahren, denkt er sich, ruft sich aber sogleich wieder zur Ordnung. Er ermannt sich, sagt sich, dass er an seinen ursprünglichen Plänen festhalten sollte und wendet sich ab. Aber sein Versuch, den Bahnhof auf kürzestem Weg zu erreichen, scheitert erneut und er verliert schliesslich jede Orientierung. Kopflos läuft er kreuz und quer durch die Stadt und als er in einer der Gassen, einen offenstehenden Laden entdeckt, betritt er ihn sogleich. Er sieht sich um, registriert, dass ihn der Zufall in ein Altkleidergeschäft geführt hat und sagt sich, dass ihn sein Glück doch noch nicht gänzlich verlassen hat. Dicht behängte Kleiderständer und vollgestopfte Regale fallen ihm ins Auge und er versucht eine Weile vergeblich, sich bemerkbar zu machen. Mehrmals ruft er „Hallo, ist da niemand‘, und atmet erleichtert auf, als sich hinter einem der Kleiderständer endlich ein jüngerer Mann bemerkbar macht. Er mustert Sam neugierig und redet ihn in der hiesigen Sprache an. Aber Sam schüttelt ungeduldig den Kopf, sagt dass er die hiesige Sprache nicht spricht und zeigt dem jungen Mann die Uniform und den Helm. Der untersucht die Sachen auf das genaueste und schreibt dann eine Summe auf einen Zettel. Den Zettel schiebt er zu Sam über den Ladentisch und natürlich findet Sam die Summe weitaus zu gering. Er schüttelt entrüstet den Kopf und schreibt eine andere, weitaus höhere auf den Zettel. Der jüngere Mann hebt abwehrend beide Hände, schlägt einen klagenden Tonfall an und kommt, so vermutet es Sam, auf die schlechte Geschäftslage zu sprechen. Er zuckt die Achseln und zeigt sein Desinteresse deutlich. Zu guter Letzt werden sie aber doch noch handelseins und der Ladeninhaber nimmt die Uniform und den Helm an sich und trägt beides ausser Sams Sichtweite. Dann händigt er ihm mehrere Geldscheine, die Sam sorgfältig nachzählt, bevor er sie in seine Hosentasche schiebt. Dann wendet er sich zum Gehen. An der Tür kehrt er sich nochmals um und fragt in seiner Sprache, wo der Bahnhof liegt und wie er ihn am schnellsten Weg erreicht. Der jüngere Mann sieht ihn einen Augenblick ratlos an, ‚Bahnhof‘, sagt Sam, ‚wo liegt der Bahnhof‘. Er ahmt das Geräusch eines fahrendes Zuges nach und erst jetzt versteht ihn der Ladeninhaber. Er tritt mit Sam vor die Tür, zeigt geradewegs nach Norden und nickt Sam aufmunternd zu. ‚Cinq minutes‘ sagt er mehrmals und spreizt die fünf Finger an seiner rechten Hand. Sam bedankt sich in seiner Sprache, macht kehrt und geht in der Folge kein einziges Mal in die Irre. Tatsächlich erreicht er den Bahnhof auf allerkürzestem Weg, betritt die überfüllte Halle und ersteht eine Fahrkarte in den Grenzort. Dann erkundigt er sich nach dem nächsten Zug dorthin und erfährt zu seinem Schrecken, dass der letzte soeben abgefahren ist. Jetzt ist guter Rat teuer. Tatsächlich fährt erst am nächsten Morgen wieder ein Zug in die Grenzstadt und Sam denkt sich, dass seine Unternehmung diesmal unter keinem guten Stern steht. Es sieht aus, als ob alles sich gegen ihn verschworen hätte und er muss befürchten, dass sein Glück ihn gänzlich verlassen hat. Für eine Weile ist er gänzlich ratlos. Er weiss nicht, was jetzt als nächstes zu tun ist, streunt durch die Halle, inspiziert einen Bahnsteig nach dem anderen, sieht Züge in alle Richtungen abfahren, nur nicht in die Grenzstadt und sucht sich schliesslich einen Platz auf einer der dicht besetzten Wartebänke. Dort nimmt er eine möglichst bequeme Haltung ein und bedenkt seine Lage. Er kommt zum Schluss, dass sein letzter Schachzug nicht der allerklügste war und denkt für kurze Zeit sogar daran, alles wieder rückgängig zu machen. Die Uniform und den Helm zurückkaufen und ganz unauffällig meinen Platz unter den Feuerwehrleuten wieder einnehmen, denkt er. Dann fällt ihm ein, dass er ja bereits die Bahnkarte gekauft und seine Barschaft sich also bereits um einiges verringert hat. Er ist sicher, dass der Altkleiderhändler nicht mit sich reden lassen wird und er kann ein Seufzen nicht unterdrücken. Er versucht, sich auf der dicht besetzten Bank einen einigerMaßen erträglichen Platz zu verschaffen und mit einem Mal erfasst ihn die allergrösste Müdigkeit. Sooft er einen Blick auf die grosse Bahnhofsuhr wirft, wundert er sich, wie langsam die Zeit vorwärtsrückt. Mehrmals sinkt ihm der Kopf auf die Brust, dann erschrickt er, richtet sich mit einem Ruck wieder auf und bemüht sich, die Augen wenigstens eine Weile offenzuhalten. Einmal, als er seine müden Augen schweifen lässt, entdeckt er zu seinem allergrössten Schrecken Bill und seine Landsmännin. Sie haben soeben die Bahnhofshalle betreten und sehen sich suchend um. Sam verbirgt sich sogleich hinter dem breiten Rücken seines Nebenmanns, lässt seine Verfolger keinen Moment aus den Augen und hat ganz deutlich das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Er sagt sich, dass er diesmal nicht ungeschoren davonkommen wird und sieht, wie die beiden die Halle durchstreifen und alles aufs genaueste inspizieren. Der breite Rücken seines Nebenmanns bietet fürs erste einen hervorragenden Schutz und Sam zwingt sich, ganz ruhig zu bleiben. Soweit er sehen kann, sind ihm nur Bill und die Frau auf die Fersen, sie haben sich keine Unterstützung mitgebracht und sind offenbar der Ansicht, dass sie es ohne weiteres mit ihm aufnehmen können. Sicherlich wollen sie mich wieder zur Veranstaltung zurückzuschleppen, denkt sich Sam und lässt die beiden keinen Moment aus den Augen. Er beschliesst, sich im Fall des Falles mit Händen und Füssen zu wehren, notfalls lauthals um Hilfe zu rufen und duckt sich noch ein wenig tiefer hinter den breiten Rücken seines Nebenmanns. Als die beiden näherkommen, stellt er sich schlafend. Er zwingt sich, ruhig zu atmen, hält Arme und Beine ganz still und hat in der Folge wieder einmal das Glück auf seiner Seite. Einmal blinzelt er unter geschlossenen Lidern hervor und sieht, dass die beiden nur mehr eine Armlänge entfernt sind, aber da kommt es plötzlich zu Tumulten am anderen Ende der Halle. Sogleich bildet sich ein Menschenauflauf und auch Sams Verfolger drehen die Köpfe und machen dann eilends kehrt. Sam kann fürs erste aufatmen und richtet sich ein wenig auf. Sein Nebenmann betrachtet ihn neugierig und Sam verzieht den Mund zu einem gewinnenden Lächeln. Aber noch während er überlegt, was jetzt als nächstes zu tun ist, zerstreut sich der Menschenauflauf am anderen Ende der Halle und Sam sieht seine Verfolger unschlüssig dastehen. Sie stecken die Köpfe zusammen, beraten sich und Sam beobachtet, dass Bill zu guter Letzt den Kopf schüttelt und sich zum Ausgang wendet. Aber die Frau packt ihn am Arm und hält ihn fest. Sam fällt ein, dass sie vorgibt, Paula zu heissen und er sieht, dass Bill sich energisch aus ihrem Griff befreit. Aber die Frau macht ihm offenbar weiter die schlimmsten Vorhaltungen und erreicht schliesslich, dass er mit ihr zu den Fahrkartenschaltern geht. Es ist ein Unglück, dass sie an den Schalterbeamten geraten, bei dem Sam seine Fahrkarte gekauft hat. Sams Verfolger befragen ihn eingehend und der Schalterbeamte nickt schliesslich und zeigt auf die grosse Tafel mit den Abfahrtszeiten. Sam kann ein Seufzen nicht unterdrücken. Für einen Moment hat er das Gefühl, das jetzt alles verloren ist und duckt sich wieder hinter den breiten Rücken seines Nebenmanns. Er wendet kein Auge von seinen Verfolgern und sieht, dass sie die Tafel mit den Abfahrtszeiten lange studieren. Endlich schüttelt Bill energisch den Kopf und wendet sich zum Ausgang. Die Frau geht resigniert hinter ihm her und Sam atmet ererleichtert auf. In der Tür kehren sich die beiden nochmals um und lassen ein letztes Mal ihre Blicke schweifen. Sam duckt sich sogleich hinter seinen Nebenmann und bleibt so unentdeckt. Dann verlassen seine Verfolger das Bahnhofsgebäude und Sam kann erleichtert aufatmen. Er lächelt seinem Nebenmann dankbar zu und sagt in seiner Sprache, dass er ihm sehr dankbar ist und sich gern revanchieren möchte. Das ist nicht nötig, sagt sein Nebenmann mit starkem Akzent und Sam denkt sich, dass ihn sein Glück doch noch nicht zur Gänze verlassen hat. Ich radebreche, sagt sein Nebenmann, worauf Sam selbstredend höflich den Kopf schüttelt. Sie sprechen ausgezeichnet, sagt er und dann beteuert er nochmals, dass dass er über die Maßen dankbar ist. Nur weil Sie erlaubt haben, dass ich mich hinter Ihrem Rücken verstecke, bin ich meinen Verfolgern entkommen, sagt er und zeigt seinem Nebenmann die allerfreundlichste Miene. Ohne Ihre Unterstützung wäre ich jetzt in grossen Schwierigkeiten, sagt er und behält den Bahnhofseingang ständig im Auge. Es ist durchaus möglich, dass Paula nochmals zurückkommt, Sam weiss, dass sie über die Maßen beharrlich sein kann. Wer waren denn die beiden, fragt sein Nebenmann, flüchtige Bekannte, sagt Sam. Keinesfalls Farbe bekennen, denkt er sich, aber sein Nebenmann lässt nicht locker und will unbedingt mehr und Näheres über Sams Verfolger wissen. Werden sie denn nochmals wiederkommen, fragt er und betrachtet Sam neugierig. Möglich, sagt Sam und zuckt die Achseln, ich wiege mich noch nicht in Sicherheit, das wäre bestimmt das Allerfalscheste. In der Folge erkundigt sich sein neuer Bekannter nach Sams Reiseziel und wechselt damit auf unverfängliches Terrain. Sam gibt bereitwillig Auskunft, mein Reiseziel ist der Grenzort, sagt er, leider habe ich den letzten Zug versäumt und muss bis morgen früh warten. Das trifft sich gut, sagt sein neuer Bekannter, mir ist es ebenso ergangen, am besten, wir bleiben bis auf weiteres beisammen. Falls deine Verfolger nochmals zurückkommen, sagt er und mustert Sam eingehend. Dann fragt er ihn, ob er Geld hat. Sam betastet die Geldscheine in seiner Hosentasche, zögert anfangs, sagt sich dann aber, dass er seinem neuen Bekannten wirklich zu Dank verpflichtet ist und lädt ihn ins Bahnhofsbüffett ein. Während sie die Halle durchqueren, hält Sam sich immer eng an seinen Begleiter und beobachtet alles mit Argusaugen. Auch im Lokal nehmen sie einen Tisch möglichst weit hinten, so kann ich den Eingang immer im Auge behalten, sagt Sam, ich muss auf der Hut sein. Bin ich nicht ständig auf der Hut, zieht man mir früher oder später das Fell über die Ohren, sagt er und lässt die Türe keinen Moment aus den Augen. Du brauchst Schutz, sagt sein neuer Bekannter und rückt ein wenig näher. Ein Glück, dass du gerade an mich geraten bist, sagt er, wir könnten durchaus ins Geschäft kommen, wir beide. Sam sieht ihn verständnislos an, wieso, was meinen Sie, fragt er, ich verstehe nicht. Da rückt Sams neuer Bekannter noch ein wenig näher und senkt seine Stimme. Ich bin Leibwächter, sagt er und sieht Sam geradewegs in die Augen, und der beste, den du für Geld kriegen kannst. Im Augenblick hätte ich gerade eine kleine Vakanz und könnte sozusagen ohne weitere Verzögerungen in deine Dienste treten.
„Der Schutz von Privatpersonen ist mein Spezialgebiet.“
Dann zieht er ein Bündel Papiere aus seiner Tasche und breitet es stolz vor Sam aus. Alles Empfehlungen und Dankschreiben, sagt er und schiebt die Papiere näher zu Sam, sieh dir ruhig alles genau an. Sam täuscht aus Höflichkeit Interesse vor, aber da alles in der hiesigen Sprache geschrieben ist, versteht er so gut wie nichts. Einzig der Name Bill springt ihm immer wieder ins Auge und er kommt zum Schluss, dass das der Name seines neuen Bekannten ist. Er schüttelt verwundert den Kopf, Sie heissen also Bill, fragt er und sein neuer Bekannter nickt, nimmt sein Glas und trinkt es in einem Zug leer. Ja, sagt er dann, ich bin Bill, aber Bill ist der allergebräuchlichste Name hier herum, viele heissen so, das muss dich nicht beunruhigen. Dann sammelt er seine Empfehlungsschreiben wieder ein und steckt sie sorgsam in seine Brusttasche. Will nichts heissen, wenn zwei denselben Namen tragen, sagt er nochmals und beäugt Sam misstrauisch, kommen wir beide jetzt ins Geschäft oder nicht? Leider nein, sagt er, ich kann mir keinen Leibwächter leisten und muss sehen, wie ich selber zurechtkomme, so unbequem das oft ist. Sams neuer Bekannter zieht sich eine Weile enttäuscht zurück, dann bietet er Sam an, zu ermässigten Tarifen für ihn zu arbeiten. Aus reiner Sympathie, sagt er, weil Sie es sind. Aber Sam bleibt trotzdem ablehnend, er lässt nicht mit sich reden und in der Folge sitzen sie eine Weile schweigend nebeneinander. Um erneut ein Gespräch in Gang zu bringen, erzählt Sam ein wenig von Paula und von seinem Landsmann. Bin zufällig auf ihne gestossen, sagt er, und habe ihn gebeten, für mich in den Grenzort zu fahren und Paula zu suchen. Jetzt allerdings fahre ich doch lieber selber hinterher. Ich bin nicht sicher, ob mein Landsmann seiner diffizilen Aufgabe gewachsen ist, sagt er, und Bill nickt sogleich und dreht das leere Glas in seinen Händen. Da bist du mit Recht skeptisch, sagt er, war dein Landsmann eine Zufallsbekanntschaft so wie ich? Ja, sagt Sam, wir sind nebeneinander gesessen und ins Gespräch gekommen, es ist der reine Zufall gewesen. Bei Zufallsbekanntschaften kann man nicht vorsichtig genug sein, sagt Bill, da kannst du niemals sicher sein, dass der andere nicht sein eigenes Süppchen kocht. Sam räumt ein, dass diese Gefahr besteht und dass er das Pferd vom falschen Ende her aufgezäumt hat. Bill erklärt ihm, wie er besser hätte vorgehen sollen und Sam muss sich gravierende Fehler eingestehen. So und nur so wäre es richtig gewesen, sagt Bill abschliessend und bietet Sam erneut seine Hilfe an. Ich würde dir helfend beispringen und retten, was noch zu retten ist, sagt er, zu ermässigten Preisen, versteht sich. Aber Sam winkt erneut dankend ab und beteuert, dass er kein Geld hat. Ich muss schon selber sehen, wie ich zurechtkomme, sagt er und fragt Bill, ob er noch etwas trinken möchte. Wenns keine Umstände macht, sagt er und Sam winkt seufzend der Bedienung. Er nippt an seinem noch immer halbvollen Glas und betrachtet Bill, der seinerseits der Bedienung mit den Augen folgt. Angenommen alles läuft so, wie du dir das vorstellst, sagt er dann und richtet seine Aufmerksamkeit wieder auf Sam, kommst du dann wieder hierher, mit dieser Paula und deinem Landsmann? Das wird sich zeigen, sagt Sam und zuckt die Achseln, vielleicht will Paula ja auch gleich wieder zurückfahren, das könnte sein. Vielleicht gefällts ihr hier nicht, sagt er und sie sieht zu, dass sie wieder nach Haus gelangt. Insgeheim hofft er auf etwas dergleichen, er hofft, dass Paula ihm seine Kleidung und reichlich Bargeld aushändigt und gleich wieder nach Hause fährt. Ich habe eigentlich immer Glück, sagt er zu Bill, wenn man seinem Mann steht, hat man immer Glück, das ist schon so. Hans im Glück, so heisst das doch, oder, sagt sein neuer Bekannter mit starkem Akzent, beugt sich vor und sieht Sam aus nächster Nähe ins Gesicht. Dann schlägt er ihn auf die Schulter und will sich beinahe ausschütten vor Lachen. Sam sieht ihn befremdet an und rückt seinen Sessel ein wenig zurück. Er verschränkt die Arme vor seiner Brust und schaut durch die Glastür hinaus in die Bahnhofshalle. Scherz beiseite, sagt Bill schliesslich und ermannt sich, du scheinst tatsächlich immer Glück zu haben. Sonst wärest du jetzt nicht an mich geraten, sagt er und rückt noch ein wenig näher. Er senkt seine Stimme und bietet Sam erneut seine Dienste an. Mit mir ziehst du das grosse Los, du solltest mir wirklich erlauben, dich zu beschützen, sagt er mit schwerer Zunge und sieht Sam aus verschwimmenden Augen an. Wie heisst du eigentlich, fragt er, aber Sam zieht es vor, sich bedeckt zu halten und nennt lieber einen falschen Namen. Er sagt sich, dass es keinen Zweck hat, allzu vertrauensselig zu sein und nippt an seinem Glas, das noch immer halbvoll ist. Bill hingegen schiebt sein leeres Glas auf der Tischplatte hin und her, erzeugt damit ein hässliches Geräusch und sieht Sam auffordernd an. Als Sam seufzt und und die Bedienung herbeiwinkt, schlägt Bill ihn erneut auf die Schulter und nennt ihn einen feinen Kerl. Bist ein Kumpel, sagt er und trägt Sam nochmals seine Dienste an. Lallend beteuert er, dass er der beste Leibwächter landauf landab ist, dann legt er den Kopf auf die Tischplatte und schläft ein. Sam bleibt noch eine Weile sitzen, hält die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtet Bill mit der allergrössten Abneigung. Schliesslich winkt er die Bedienung herbei, zieht einen seiner kostbaren Geldscheine aus der Tasche und sagt sich, dass er in Zukunft vorsichtiger mit Bekanntschaften sein muss. Als ihn die Bedienung auffordert, Bill aus dem Lokal zu schaffen, schüttelt er energisch den Kopf. Ich verstehe nicht, sagt er, steht auf und verlässt das Bahnhofsbüffett. Er schlägt die gläserne Tür hinter sich zu und geht in der Folge ruhelos in der Halle auf und ab. Manchmal setzt er sich auf eine Bank, wird aber, sobald er sitzt, von der allergrössten Unruhe erfasst und steht sogleich wieder auf. Viele Male durchmisst er die Halle, dabei hat er die Bahnhofsuhr ständig im Auge. Sooft er an der Glaswand des Büffetts vorbeikommt, sieht er Bill in unveränderter Haltung mit dem Kopf auf dem Tisch daliegen und einmal fängt er den wütenden Blick der Bedienung auf. Dann, schon gegen Morgen, tritt für einen Augenblick vor die Tür und atmet die kalte Nachtluft in langen Zügen ein. Er lässt seine Blicke schweifen und kann, weil der Bahnhof ein wenig erhöht liegt, die ganze Stadt überblicken. Die hellerleuchtete Station der Gondelbahn zieht seine Aufmerksamkeit auf sich, er sieht das Schild ‚Téléphérique‘ blinken und heftet eine ganze Weile seine Augen darauf. In der Folge fasst er den Entschluss, sobald wie möglich wieder nach oben zu fahren. Ob mit oder ohne Paula, denkt er sich, bemerkt mit einem Mal, wie eisig kalt es ist und kehrt in die Bahnhofshalle zurück. Schon lange vor Abfahrt des Zuges begibt er sich auf den dunklen Bahnsteig. Während der Fahrt in den Grenzort schläft er mehrmals ein und der Schaffner rüttelt ihn gerade noch rechtzeitig wach, als er sein Ziel erreicht hat. Sam klettert schlaftrunken aus dem Zug und sein Blick fällt geradewegs auf Paula und seinen Landsmann. Auch sie haben ihn bereits entdeckt und gestikulieren und winken. Sam geht eilends auf sie zu und schüttelt verwundert den Kopf. Was tut ihr hier, fragt er, ihr könnt unmöglich gewusst haben, dass ich komme. Er begrüsst Paula, betrachtet sie eingehend und wundert sich über ihr schlechtes Aussehen. Sam findet sie unansehnlich und deutlich gealtert und Paula tritt unter seinem prüfenden Blick verlegen von einem Fuss auf den anderen. Dann fährt sie sich ordnend durch die Haare und verschränkt ihre Arme vor der Brust. Hallo Sam, sagt sie und räuspert sich ein paarmal, hier bin ich, ganz so, wie du es verlangt hast. Sie versucht, einen forschen Ton anzuschlagen, kann Sam damit aber nicht täuschen. Fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut, denkt er sich und betrachtet sie weiter prüfend. Sams Landsmann sieht ihnen amüsiert zu und hält sich ein wenig abseits. Sam wendet sich zu ihm, senkt seine Stimme und fragt ihn nach dem Verlauf der Dinge. Als Paula sich zu ihnen stellen will, herrscht er sie an und fordert sie auf, Abstand zu halten. Bleib,wo du bist, sagt er und wundert sich selbst über seinen groben Tonfall. Wir haben ein Gespräch unter Männern zu führen, sagt er und winkt seinen Landsmann noch ein paar Schritte zur Seite. Ist alles klaglos verlaufen, fragt er und sein Landsmann nickt und beteuert, dass es so gut wie keine Schwierigkeiten gegeben hat. Deine Paula ist äusserst kooperativ, sagt er, sie ist ein gutes Mädchen, das einiges auf sich genommen hat, um hierher zu kommen. Mag sein, sagt Sam und wirft seinem Landsmann einen misstrauischen Blick zu. Hat sie dich etwa auf ihre Seite gezogen, fragt er, aber sein Landsmann beteuert sogleich, dass davon keine Rede sein kann. Keinesfalls, sagt er, du bist mein Auftraggeber, du kannst dich auf mich verlassen, alles was ich sage, ist, dass sie ein gutes Mädchen ist. Sam zuckt die Achseln und beobachtet Paula, die gehorsam in einiger Entfernung stehengeblieben ist, unter gesenkten Lidern. Wie seid ihr aufeinandergetroffen, fragt er seinen Landsmann, wo hast du sie gefunden? Nichts einfacher als das, sagt sein Landsmann, ich habe sie entdeckt, sobald ich aus dem Zug gestiegen bin. Sie ist hier am Bahnsteig herumgelungert und ich bin quasi über sie gestolpert. Ich habe sie sogleich erkannt und in der Folge angesprochen. Anfangs war sie misstrauisch, dann aber, nachdem sie das Foto gesehen hat, über die Maßen vertrauensselig. War sie zu irgendeinem Zeitpunkt störrisch, fragt Sam und beobachtet Paula weiter unter gesenkten Lidern, kein bisschen , sagt sein Landsmann, ganz im Gegenteil, sie war leicht lenkbar wie ein Kind. Dann wirft er Sam einen wachsamen Blick zu, verringert die Entfernung zwischen ihnen und senkt seine Stimme ein wenig. Aber wieso bist du jetzt selbst hierhergekommen, fragt er, ich dachte, du wärst bei der Veranstaltung unabkömmlich? War ich anfangs, dann aber nicht mehr, sagt Sam und zuckt die Achseln. Er hat keine Lust, seine Entscheidung bis ins Kleinste zu erörtern. Tut auch nichts weiter zur Sache, sagt sein Landsmann und dann schweigen sie eine Weile. Sie fürchtet, dass du sie zurückschicken willst, sagt sein Landsmann schliesslich und weist mit dem Kopf auf Paula, sie hat nämlich vor, für immer hier bei dir zu bleiben. War vielleicht ein Fehler, sie hierherkommen zu lassen, sagt er, mir scheint, du bereust es schon. Ja ein klein wenig, sagt Sam und sieht seinen Landsmann prüfend an. Du kannst dich uns anschliessen, sagt er, zu dritt ist es leichter, vorwärtszukommen. Und du kannst mir Paula vom Leib halten. Sams Landsmann wiegt überlegend den Kopf hin und her, eigentlich wollte ich, wenn ich schon einmal hier bin, eine Weile in der Grenzstadt bleiben, sagt er. Aber was solls, sagt er schliesslich und macht eine wegwerfende Handbewegung. Ich bleibe bis auf weiteres bei euch, sagt er, abgemacht. Dann fasst er nach Sams Hand und schüttelt sie kräftig. Sam befreit seine Hand sogleich wieder und steckt sie in seine Hosentasche. In der Folge reden er und sein Landsmann Belangloses und zu guter Letzt winkt Sam Paula herbei. Hast du Geld und meine warmen Kleider mitgebracht, fragt er und Paula nickt und zieht sogleich ein Bündel Banknoten aus ihrer Tasche. Deine Kleider habe ich ins Schliessfach getan, sagt sie, wir können sie jederzeit holen. Sie verlassen den Bahnsteig, durchqueren zu dritt die belebte Bahnhofshalle und müssen eine Weile warten, bis sie zu ihrem Schliessfach gelangen. Sam wundert sich über die vielen Leute, die ihre Habseligkeiten in Schliefächern verstauen und herrscht Paula an, sich zu beeilen. Wir haben nicht alle Zeit der Welt, sagt er und als sie ihm den grossen Sack mit den Kleidern aushändigt, wühlt er ein wenig darin, zieht den wärmsten Pullover hervor und zieht ihn aufseufzend über. Er sieht, dass sein Landsmann fröstelt und überlässt ihm grosszügig einer seiner Jacken. Auch Paula darf sich bedienen und schliesslich kommt es dahin, dass sie alles, was sich in dem Sack befindet, anziehen. und Als sie das Schliessfach öffnen, sucht Sam in dem grossen Sack nach dem wärmsten Pullover und zieht ihn aufseufzend über. Da, wo ich wohne, ist es über die Maßen unwirtlich, sagt Sam, man kann gar nicht genug warme Kleidung am Leib haben. Jetzt aber zu dir, sagt er zu Paula und wundert sich selbst über seinen schroffen Tonfall, welche Pläne hast du, willst du hierbbleiben oder lieber wieder zurückfahren? Es liegt ganz bei dir, sagt er, ich rate dir aber, zurückzufahren. Paula schüttelt enschlossen den Kopf und sagt mehrmals, dass sie unbedingt hierbleiben will und alles Brücken hinter sich abgebrochen hat. Hättest du nicht tun sollen, sagt Sam und wirft ihr einen langen Blick zu. Er sieht, dass sich Paulas Augen mit Tränen füllen und kehrt ihr den Rücken. Sehen wir zu, dass wir den nächsten Zug in den Talort erreichen, sagt er schliesslich und macht auf dem Absatz kehrt. Die beiden folgen ihm auf dem Fuss, sie kehren auf den Bahnsteig zurück und haben Glück, weil der richtige Zug bereits wartet. Es ist derselbe, mit dem Sam hierhergefahren ist und er erkennt den Schaffner sogleich wieder. Er nickt ihm freundlich zu und der Schaffner sagt etwas in der hiesigen Sprache zu ihm. Sam hebt bedauernd die Achseln und bedeutet ihm, dass er leider nichts versteht. Als Paula sich zu ihm setzen will, beansprucht er die ganze Sitzbank für sich. Sie muss sich neben seinen Landsmann setzen und schläft ein, sobald der Zug aus der Station fährt. Sam betrachtet die schlafende Paula, fasst einen perfiden Plan und verständigt sich mit seinem Landsmann mit Gesten. Er bedeutet ihm, dass er Paula nicht wecken, sondern einfach aussteigen wird. Er hat aber die Rechnung ohne seinen Landsmann gemacht, denn als er über die schlafende Paula hinweg steigt und zum Ausgang gelangen will, hält er ihn am Ärmel fest. Wohin willst du, fragt er zu Sams Ärger mit lauter Stimme und Paula regt sich sogleich im Schlaf. Zum Ausgang, flüstert Sam, wenn du mitkommen willst, ich habe nichts dagegen. Er befreit seinen Arm und will den Ausgang erreichen, aber sein Landsmann rüttelt Paula wach und bedeutet ihr, dass sie bald aussteigen müssen. Ist gar nicht wahr, sagt Sam, kannst ruhig noch ein wenig schlafen, Paula. Aber Paula kommt schlaftrunken auf die Beine, lächelt Sam vage an und will nach seiner Hand fassen. Aber Sam steckt sie sogleich in die Hosentasche und als der Zug hält, steigt er als erster aus. Er registriert, dass Paula und sein Landsmann ihm auf dem Fuss folgen und schlägt den Weg zur Talstation der Gondelbahn ein. Er geht mit grossen Schritten voran und sieht sich kein einziges Mal um. Er nimmt den kürzesten Weg zur Station, Paula und sein Landsmann sind ihm immer hart auf den Fersen, und quert den Platz, wo sich das Kaffeehaus befindet. Aus der Ferne kann er den Spritzenwagen und seine Feuerwehrkollegen ausmachen, die sich offenbar gerade eine kleine Pause gönnen. Sam denkt sich, dass diese Veranstaltung über die Maßen lange dauert und ist froh, dass er rechtzeitig abgesprungen ist. Paula bittet ihn mehrmals, doch ein wenig langsamer zu gehen, aber er gibt’s nichts auf ihre Worte. Eher beschleunigt er seine Schritte noch und bleibt erst stehen, als die Talstation der Gondelbahn erreicht ist. Sie kommen gerade zurecht zur Abfahrt der ersten Gondel an diesem Tag. Wieder einmal Glück gehabt, denkt sich Sam und steigt als erster ein. Wohin fahren wir eigentlich, fragt Paula und Sam hört an ihrer Stimme, dass sie gänzlich ausser Atem ist. Keiner antwortet ihr und Sam kehrt ihr sogar den Rücken und stellt sich ganz nahe ans Fenster. Als die Gondel sich in Bewegung setzt und schnell an Höhe gewinnt, kann er schon nach wenigen Minuten die ganze Stadt überblicken und versucht, das Kaffeehaus ausfindig zu machen. Der davor stehende Spritzenwagen müsste eigentlich weithin zu sehen sein, denkt er sich und strengt vergeblich seine Augen an. Als die Gondel mit einem Ruck zum Stillstand kommt und Paula erneut unnütze Fragen stellt, herrscht Sam sie an und befiehlt ihr, den Mund zu halten. Dann schlägt er den Weg zu seinem Wohnhaus ein. Paula und sein Landsmann folgen ihm auf dem Fuss, auf der vereinsamten Hauptstrasse hört er ganz deutlich ihre eiligen Schritte hinter sich und sieht zu, dass er vorankommt. Als sein Wohnhaus in Sicht kommt, beschleunigt er seine Schritte nochmals und heftet seine Augen auf die gläserne Drehtür. Schon im Näherkommen erkennt er, dass sie verschlossen ist und als er sein Gesicht gegen die Scheibe presst, sieht er, dass hinter dem langen Tresen kein einziger Rezeptionist steht. Versteht sich eigentlich von selber, denkt er sich, sind ja alle nach unten gefahren. Vielleicht gibt es einen Nebeneingang, hört er seinen Landsmann sagen und schüttelt sogleich den Kopf. Den gibt es nicht, sagt er und weicht Paulas vorwurfsvollem Blick aus, dies hier ist der einzige Eingang, ich muss das wissen. Wieso kannst du nicht in dein Haus, fragt Paula mit dünner Stimme, hast du denn keinen Schlüssel, jedermann hat einen Schlüssel für sein Haus. Ich eben nicht, sagt Sam und verschränkt seine Arme vor der Brust. Und du kennst keinen anderen Platz, wo wir unterkommen können, fragt sie und gibt vor, sich auf Sams Landsmann stützen zu müssen. Sam betrachtet sie voller Abneigung, macht kehrt und führt die beiden in der Folge kreuz und quer durch die Ansiedlung. Er führt sie an alle Plätze, die er von seinen täglichen Spaziergängen kennt, findet aber nirgendwo eine offenstehende Tür. Einmal hört er, dass Paula mit seinem Landsmann ein paar Worte wechselt, dreht den Kopf und fragt in barschen Ton, was es da zu tuscheln gibt. Nichts, sagt Sams Landsmann und wirft sich sogleich für Paula in die Bresche. Er stellt sich schützend vor sie und fordert Sam auf, einen Platz für sie alle zu finden. Als Sam ratlos die Achseln zuckt, schlägt er vor, ins Tal zurückzukehren. Sam fasst die Station der Gondelbahn ins Auge und sieht mit einem Blick, dass der Schriftzug über dem Eingang erloschen ist. Jetzt kann man selbst bei Tageslicht kaum ausmachen, was über dem Eingang steht und er schüttelt den Kopf über den Vorschlag seines Landsmanns. Er macht eine abwehrende Handbewegung und erklärt den beiden, dass an eine Rückkehr ins Tal nicht zu denken ist. Die Gondelbahn fährt doch nicht mehr, sagt er, das sieht ein Blinder. Was steht denn dort, fragt Paula, streckt ihre Hand aus und deutet auf den erloschenen Schriftzug, ‚Téléphérique‘, was sonst, sagt Sam, macht kehrt und führt die beiden in der Folge kreuz und quer durch die Ansiedlung. Endlich, zu guter Letzt, fällt Sam die Hütte auf der Hochfläche ein und er schlägt sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und denkt sich, dass das die Lösung für alle seine Probleme ist. Da hinauf müssen wir, sagt er zu seinem Landsmann und Paula, streckt die Hand aus und lenkt ihren Blick am Spritzenhaus und am Notarztquartier vorbei auf den Berg dahinter. Er malt ihnen die Hütte in den schönsten Farben aus, während er Paula mustert. Die Müdigkeit steht ihr ins Gesicht geschrieben, aber Sam sagt sich, dass er darauf nun wirklich keine Rücksicht nehmen kann. Er schlägt den Weg zu den Parkplätzen ein und als sie das Spritzenhaus passieren, bleibt er einen Moment stehen. Er sieht die grossen Löschwägen unbemannt dastehen, betrachtet sie eingehend und muss an die Feuerwehrmänner unten im Tal denken. Er fragt sich, ob die Veranstaltung noch immer im Gang ist, steht wie angewurzelt da und kann sich an den Spritzenwägen nicht sattsehen. Wieso können wir nicht im Spritzenhaus bleiben, zumindest solange, bis die Feuerwehrleute zurückkommen, hört er seinen Landsmann sagen und schüttelt sogleich den Kopf. Das geht nicht, sagt er und setzt sich erneut in Bewegung. Sie eilen am Notarztquartier vorbei und Sam streift den verwaisten Schreibtisch hinter dem Fenster mit einem flüchtigen Blick. Dann überqueren sie den grossen, vollkommen leeren Parkplatz, dort weht der Wind auf das allerheftigste und Sam zieht seine Jackenärmel über die Hände. Paula und sein Landsmann knöpfen ihre Jacken bis obenhin zu und dann nehmen sie den Aufstieg in Angriff. Einmal dreht Sam den Kopf, sieht Paula stetig nach oben steigen und leistet ihr insgeheim Abbitte. Steht ja doch ihren Mann, denkt er sich und tauscht einen vertraulichen Blick mit seinem Landsmann. Auch auf dem letzten besonders steilen Stück gönnen sie sich keine einzige Pause und als sich endlich die weite grasbewachsene Hochfläche vor ihnen auftut, atmen sie erleichtert auf. Sogleich werden sie von heftigen Windböe erfasst und drängen sich aneinander. Sam beobachtet, dass sein Landsmann schützend den Arm um Paula legt und wendet den Blick ab. In der Folge fallen ihm die grasbewachsenen Mulden ins Auge, die heute selbstredend leer stehen. Vorsichtig dreht er den Kopf, um nach dem überwältigenden Gebirgspanorama zu sehen. Er sieht, dass es von dichten Wolken verhüllt ist und atmet erleichtert auf. Als er sich erneut in Bewegung setzt, hört er Paula mit schwacher Stimme etwas zu seinem Landsmann sagen. Weil sie immer wieder von heftigen Windböen erfasst werden, haben sie Mühe, voranzukommen und Paula fällt ein ums andere Mal in eine der Mulden. Sam schüttelt unwillig den Kopf über ihr Ungeschick, herrscht sie an und befiehlt ihr, besser auf ihre Schritte zu achten. Pass auf, wo du hintrittst, sagt er und wirft ihr einen langen Blick zu. Sein Landsmann macht sich mehrfach um Paula verdient, hilft ihr immer wieder auf die Füsse und entfernt alle Grashalme und welken Blätter von Paulas Jacke auf das sorgfältigste. Sams Unwillen ist der allergrösste, dort drüben ist die Hütte, sagt er und weist quer über die Hochfläche, wir sollten sehen, dass wir endlich ein Dach über dem Kopf kriegen.Vorwärts jetzt, sagt er, wir haben nicht alle Zeit der Welt. Im Näherkommen sieht er, dass die Hütte allem Anschein nach unbewohnt ist und sogar die Tür, wie gehabt, einen Spalt weit offen steht. Er betritt die Hütte als erster und sein Landsmann und Paula drängen hinter ihm über die Schwelle. Paula lässt sich aufatmend auf die Bettstatt fallen und Sams Landsmann sieht sich fröstelnd um und zieht seine Jackenärmel über die Hände. Klamm und kalt hier drinnen, sagt er und macht sich in der Folge am Ofen zu schaffen. Weil er, um ein Feuer in Gang zu bringen, durchnäßtes Holz und aufgequollenes Papier verwendet, ist die Hütte im Nu von einem beissendem Qualm erfüllt. Sam verspürt sogleich ein unerträgliches Brennen in Augen und zwängt sich durch den Türspalt wieder nach draußen. Er atmet die kalte Luft in tiefen Zügen ein und hört seinen Landsmann in der Hütte mit dem Schürhaken rumoren. Er sieht den beissenden Qualm durch den Türspalt dringen, entfernt sich ein Stück von der Hütte und reibt sich die brennenden Augen. Achtlos setzt er einen Fuss vor den anderen, stolpert und fällt der Länge nach hin. Er findet sich in einer der Mulden wieder und will sich sogleich erschreckt wieder hochrappeln. Aber dann registriert er, dass die Mulde eigentlich ein äußerst bequemer, windgeschützter Platz ist und legt sich versuchsweise bequemer zurecht. Er rekelt sich wohlig und bemerkt, dass das Brennen in seinen Augen mittlerweile nachgelassen hat und er sie wieder weit öffnen kann. Er richtet sie geradewegs auf die ziehenden Wolken und liegt lange Zeit vollkommen reglos da. Dann fühlt er den Boden unter sich vibrieren, hebt ärgerlich den Kopf und sieht seinen Landsmann rasch näherkommen. Als sich sein Landsmann gefährlich nahe an den Rand der Mulde stellt und auf das unvorsichtigste mit den Füssen hin und her wippt, macht Sam eine abwehrende Geste. Er bittet seinen Landsmann, einen Schritt zurückzutreten und ganz allgemein ein wenig mehr Vorsicht an den Tag zu legen. Du fällst sonst auf mich, sagt er und legt sich bequemer in seiner Mulde zurecht. Wie liegt sichs da drinnen, fragt sein Landsmann, ausgezeichnet, sagt Sam, man ist vor plötzlichen Windstössen aufs beste geschützt und hat das allerweichste Gras unter sich. Er registriert, dass sein Landsmann die Mulde rechts von ihm genauer ins Auge fasst und sich schliesslich kurz entschlossen hineinlegt. Er streckt sich, genauso wie Sam, lang darin aus und bewegt seine Hand tastend über das weiche Gras zwischen seiner und Sams Mulde. Da fasst Sam sich ein Herz und greift nach der Hand seines Landsmanns, der sie ihm willig überlässt. In der Folge verständigen sie sich hin und wieder durch einen Händedruck, ansonsten liegen sie bewegungslos da und halten ihre Augen auf die ziehenden Wolken gerichtet. Als Sam den Boden erneut unter sich vibrieren fühlt, setzt er sogleich ein verdriessliches Gesicht auf. Kann nur Paula sein, denkt er sich, hebt den Kopf und sieht sie tatsächlich rasch näherkommen. Was tut ihr hier, fragt sie, stellt sich ganz nahe an den Rand der Mulde und beugt sich unzulässig weit vor, wieso kommt ihr nicht in die Hütte zurück? Ihr müsst das Feuer wieder anfachen, sagt sie, es ist ausgegangen und qualmt nur mehr. Man kann die Hand vor den Augen nicht sehen, sagt sie. Sie wippt am Rand von Sams Mulde auf das störendste vor und zurück und tritt unschlüssig von einem Fuss auf den anderen. Schliesslich legt sie sich in die Mulde links von Sam und streckr fordernd ihre Hand nach ihm aus. Sam befiehlt ihr, augenblicklich wieder aufzustehen, herrscht sie an und fordert sie auf, in die Hütte zurückzukehren. Aber Paula schüttelt bloss störrisch den Kopf. Sam zuckt die Achseln und sieht zu, dass ihre Hände sich nicht berühren. Als er einmal den Kopf hebt, registriert er, dass eine einzelne Träne über Paulas Wange rinnt. Als ihr Schluchzen unüberhörbar wird, hebt Sams Landsmann den Kopf. Sie weint, sagt er leise und fasst Paula mitleidig ins Auge. Er fordert Sam auf, etwas freundlicher zu Paula zu sein, sprich mit ihr, sagt er, sprich mit ihr und lassse sie deine Hand halten. Sam zögert, sagt sich dann aber, dass er gut daran tut, den Ratschlag seines Landsmanns zu beherzigen. Als Paulas Hand sich erneut tastend über das weiche Gras bewegt, lässt Sam zu, dass sie an seine stösst. Sogleich umklammert sie seine Hand mit ihren ein wenig knöchernen Fingern und presst sie, sodass es Sam schmerzt. Trotzdem bemüht er sich um einen leidlich freundlichem Tonfall und sagt zu Paula, dass alles bestens ist. In der Folge tauscht er einen hilfesuchenden Blick mit seinem Landsmann, der ihm ermutigend zunickt. Noch mehrfach wiederholt er, dass alles bestens ist und registriert, dass Paulas Schluchzen nachlässt. Er heftet seine Augen wieder auf die ziehenden Wolken und drückt mehrmals die Hand seines Landsmanns. Einmal versucht er, sich aus Paulas Umklammerung zu befreien, was ihm aber nicht gelingt. Mechanisch wiederholt er, dass alles bestens ist. Alles wird gut, Paula, sagt er mehrmals und klammert sich an die warme und trockene Hand seines Landsmanns. Nach einer Weile hebt er den Kopf, wirft einen vorsichtigen Blick auf Paula und sieht, dass ihre Tränen mittlerweile getrocknet sind. Auch ihre Augen sind jetzt wieder klar wie zuvor und Sam sieht, dass sich die ziehenden Wolken auf das allerschönste darin spiegeln. Er tauscht einen erleichterten Blick mit seinem Landsmann und Paula presst Sams Hand, dass es schmerzt. Dann liegen sie eine ganze Weile einträchtig in ihren Mulden und als Sam den Kopf hebt und sich vergewissern will, dass von nirgendwoher Gefahr droht, sieht er eine Gestalt am Rand der Hochfläche stehen. Er erkennt Bill sogleich wieder und weiss sich einen Moment vor Schrecken nicht zu fassen. Dann macht er seinen Landsmann auf Bill aufmerksam. Was jetzt, will er ihn fragen, aber sein Landsmann befreit seine Hand aus Sams Griff, rappelt er sich eilends auf und läuft quer über die Hochfläche davon. Wieso läuft er weg, fragt Paula, sieht Sam fragend an und umklammert seine Hand mit knöchernen Fingern. Sam herrscht sie an und befiehlt ihr, stillzuliegen. Oder willst du, dass wir entdeckt werden, wer soll uns entdecken, fragt Paula, Bill, sagt Sam. Wer ist Bill, fragt Paula, kennst du nicht, sagt Sam. Tut auch nichts weiter zur Sache, sagt er, Hauptsache, wir bringen dies hier zu einem Ende. Ist aber kein Ende in Sicht, sagt Paula, wie recht du hast, sagt Sam, streckt sich in seiner Mulde aus und folgt mit den Augen den ziehenden Wolken. Kluge Paula, sagt er und lässt zu, dass sie wieder nach seiner Hand fasst, es ist tatsächlich kein Ende in Sicht.
2009 (Auszüge)
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© 2013 Elfriede Kern